Um Ihnen das Ausmaß der betroffenen Personengruppen noch einmal zu vergegenwärtigen, ganz kurz: Schauen wir in den Mikrozensus des Statistischen Amtes für Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2006, dann erhalten im Land 12,7 Prozent der Bevölkerung Arbeitslosengeld I oder II, 27,3 Prozent erhalten Altersrenten oder Pensionen oder Erwerbsunfähigkeitsrenten. Das ergibt zusammen einen Anteil der Bevölkerung von 40 Prozent, also der gesetzlich Versicherten, die also nach den bisherigen Planungen gar keine Entlastung für den Beitragsanstieg zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten können.
Rechnen wir den Anteil der Selbstständigen, mithelfenden Familienangehörigen von insgesamt 9,4 und 5,3 Prozent hinzu zu den 40 Prozent, so ergibt sich also ein Anteil der gesetzlich Krankenversicherten von 54,7 Prozent. Das heißt also, über die Hälfte der Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern wird den Anstieg ihrer Krankenversicherungsbeiträge auf 15,5 Prozent allein und voll, ohne Kompensation durch die Minderung der Arbeitslosenversicherung übernehmen müssen.
Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, darzulegen, welche finanziellen Auswirkungen der einheitliche Beitragssatz für die gesetzlich Krankenversicherten in Mecklenburg-Vorpommern haben wird und was Sie, verehrte Damen und Herren der Landesregierung, gegenüber dem Bund unternehmen werden, um für diejenigen, die an der Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung nicht partizipieren können, eine angemessene finanzielle Entlastung zu schaffen.
Im Juni dieses Jahres hat die Landesregierung auf eine Kleine Anfrage einiger Abgeordneter der Fraktion der FDP geantwortet, und ich darf zitieren: „Über Detailkenntnisse der finanziellen Auswirkungen des angestrebten Gesundheitsfonds verfügen weder die Landesregierung noch andere öffentliche Einrichtungen.“
Mittlerweile sind einige Monate ins Land gegangen. Meine Fraktion geht davon aus, dass Sie, verehrte Damen und Herren der Landesregierung, mittlerweile in der Lage sind, zu den Auswirkungen der künftigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung eine fundierte Antwort zu geben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie um Zustimmung zu dem Antrag.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Dr. Linke, ich finde es schon erstaunlich, dass Sie die Landesregierung einerseits auffordern, die Zahlen darzulegen, andererseits hier eben ziemlich viele Zahlen zitiert haben, mit denen Sie schon die Antwort geben wollten.
Es ist so, Veränderungen im Gesundheitswesen werden naturgemäß sehr unterschiedlich bewertet, da die Akteure verschiedenste Interessen haben und die politische Auffassung, wenn man Regierungsverantwortung trägt, oftmals eine andere ist, als wenn man in der Opposition ist.
Und natürlich kann man die Zahlen, die im Gesundheitswesen rumschwirren, wenn ich so sagen darf, sehr, sehr unterschiedlich interpretieren.
Für mich ist entscheidend, dass der solidarische Ge danke in unserem Sozialversicherungssystem gestärkt wird. Die Qualität des Sozialversicherungssystems misst sich besonders daran, wie gut und ausreichend die medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger ist. Vor diesem Hintergrund ist das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, durch das der Gesundheitsfonds eingerichtet und ein einheitlicher Beitragssatz von 15,5 Prozent festgesetzt wird, ein Schritt in die richtige Richtung. Ich möchte Ihnen vier Gründe nennen:
Erstens. Durch die Reform werden Leistungen ausgebaut. Es ist die erste Reform seit vielen Jahren, die aus Kostendämpfungsgründen keine Zuzahlungserhöhungen und keine Leistungskürzung vorsieht. Vielmehr werden dort, wo es notwendig ist, bestehende Lücken in der medizinischen Versorgung geschlossen und Leistungen zielgerichtet erweitert. Hierzu gehören insbesondere der Ausbau der Palliativmedizin, die Verbesserung der Hospizversorgung, vor allem für Kinderhospize, und die Erweiterung der häuslichen Krankenpflege sowie die Umwandlung von freiwilligen Leistungen in Pflichtleistungen, beispielsweise Leistungen der medizinischen Rehabilitation, medizinisch erforderliche Impfungen und Mutter-Vater-Kind-Kuren.
Zweitens. Die Reform stellt sicher, dass alle Bürgerinnen und Bürger zukünftig versichert werden. Erstmals in der deutschen Sozialgeschichte wird eine Versicherungspflicht eingeführt. Damit muss niemand mehr ohne Schutz im Krankheitsfall leben. Wer den Versicherungsschutz verloren hat, kehrt in seine letzte Versicherung zurück. Dies gilt gleichermaßen für die gesetzliche wie für die private Krankenversicherung und muss als sozialpolitischer Meilenstein bezeichnet werden.
Drittens. Die Bezahlung des medizinischen Personals verbessert sich. Es werden erhebliche finanzielle Mehraufwendungen in Milliardenhöhe im Bereich der Arzthonorare und bei den Krankenhäusern geleistet. Ab 2010 gibt es die Möglichkeit, Honorarzuschläge für diejenigen zu geben, die in unterversorgte Regionen gehen. Das ist vor allem für unser Land, für die Sicherstellung der Versorgung im ländlichen Raum notwendig.
Und viertens. Die einheitliche Festsetzung des Beitragssatzes der GKV auf 15,5 Prozent und die Einführung des Gesundheitsfonds entsprechen dem Solidargedanken und fördern den Wettbewerb, den Wettbewerb um die bessere Leistung und nicht den billigsten Versicherungssatz. In Mecklenburg-Vorpommern profitiert – im Gegen
Allein 500.000 Menschen bei der AOK MecklenburgVorpommern und mehrere Hunderttausend Menschen in großen Versorgerersatzkassen wie zum Beispiel der Barmer Ersatzkasse gehörten bisher zu den Kassen, die bundesweit den höchsten Versicherungsbeitrag hatten.
Nach Angaben der Bundesregierung haben rund 70 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner bisher einen überdurchschnittlichen Beitrag gezahlt, weil sie Mitglied in einer der großen Versorgerkassen, nämlich AOK’en oder Ersatzkassen, sind. Viele ältere Menschen in Mecklenburg-Vorpommern werden nach der Einführung des einheitlichen Beitragssatzes geringere Beiträge zahlen als bisher.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu beachten: Wie wäre es denn ohne die Reform weitergegangen? Grundsätzlich hätte es eine Steigerung der Kosten gegeben, weil diese notwendig ist wegen der Erhöhung der medizinischen Versorgung, und es wäre eine Anhebung des Beitrages notwendig gewesen. Die großen Versorgerkassen mit vielen Rentnerinnen und Rentnern hätten ihren Beitrag sicherlich um einen ganzen Prozentpunkt oder mehr anheben müssen, während die billigen Direkt- und Betriebskrankenkassen, die fast nur Junge und Gesunde versichern, mit einer weitaus niedrigeren Anhebung ausgekommen wären. Die Beiträge wären zulasten älterer und kranker Menschen noch weiter auseinandergegangen. Der unfaire Wettbewerb hätte sich weiter verschärft.
Mit der Einführung des Gesundheitsfonds mit seinem einheitlichen Beitrag und der fairen Verteilung der Mittel wird dieser unfaire Wettbewerb gestoppt. Der gewünschte Wettbewerb der Krankenkassen wird nicht mehr über den Beitragssatz geführt, sondern über Versorgungsqualität, die eine Krankenkasse ihren Mitgliedern bietet.
Der ab nächstem Jahr eingeführte einheitliche Beitragssatz entspricht in ganz besonderem Maße dem der Krankenversicherung und dem gesamten Solidarversicherungssystem zugrunde liegenden Solidargedanken, dass die finanziell stärkeren und gesünderen Bürger sich in entsprechendem Maße an der Gesundheitsversorgung aller Menschen im Lande beteiligen. Die AOK des Landes hat nach ersten überschlägigen Berechnungen prognostiziert, zu dem ab nächstem Jahr festgesetzten Beitrag in Höhe von 15,5 Prozent höchstwahrscheinlich keinen Zusatzbeitrag erheben zu müssen.
Ich bin optimistisch, dass die Auswirkungen des Gesundheitsfonds speziell vor dem Hintergrund der Struktur in Mecklenburg-Vorpommern, vor dem Hintergrund, dass wir viele ältere und kränkere Menschen als andere Bundesländer haben, positive Auswirkungen haben werden.
So ist zu erwarten, dass die bessere Berücksichtigung der Morbidität der Versicherten zu einer höheren Mittelzuweisung führen wird.
Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit vom Risikostrukturausgleich profitieren, weil jetzt berücksichtigt wird, wie die Struktur im Land ist, und sie ist bei uns „älter und kränker“.
Die Entlastung bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung ist richtig, denn sie entlastet jeden Arbeitnehmer und Arbeitgeber in unserem Land, und jede Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist gut für die Wirtschaft. Und es ist richtig, dass sich endlich im Bereich der Arbeitslosenversicherung hier etwas ent wickelt hat. Wie aber bereits angesprochen, werden durch den einheitlichen Beitragssatz gerade Rentner und andere Versicherte, die bisher die größte Last tragen mussten, großer Versorgerkassen entlastet.
Für mich ist entscheidend, dass wir weiterhin eine wohnortnahe und qualitative Gesundheitsversorgung im Land erhalten. Dafür stehe ich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag „Auswirkungen des Gesundheitsfonds auf Mecklenburg-Vorpommern“ – ach nee, Entschuldigung, das ist ja unser Antrag.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)
Der Antrag „Auswirkungen der staatlichen Festsetzung einheitlicher Beiträge zur gesundheitlichen Krankenversicherung“, das ist ja der, über den wir jetzt hier sprechen.