Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

(Udo Pastörs, NPD: Es wird abgeschottet. Das wird abgeschottet!)

die Sie da hier verbreitet haben,

(Udo Pastörs, NPD: Nach Ihren Methoden!)

und deshalb weisen wir das aufs Schärfste zurück. Sie versuchen jetzt über Ausnahmeregelungen, die für die Länder Bremen, Hamburg und andere Stadtstaaten gelten, die öffentliche Rechtsberatung nach Paragraf 12 des Beratungshilfegesetzes an die Stelle dieser Beratungshilfe zu setzen. Berlin gehört übrigens auch dazu. Aber es sind dort andere Strukturen

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das. So ist das.)

und deshalb ist diese Ausnahmegenehmigung letztendlich auch vom Gesetzgeber so eingebaut worden. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb geht der Antrag von der NPD am Thema vorbei,

(Raimund Borrmann, NPD: Sie gehen am Leben der Bürger vorbei, wenn Sie den Antrag ablehnen.)

ich habe das schon betont, auch so, wie Sie das vorgetragen haben. Wir haben mittlerweile das Beratungshilfegesetz hier in Mecklenburg-Vorpommern gerade in den strukturschwachen Bereichen besonders aktiv umgesetzt. Ob ich an die Amtsgerichte in Anklam denke, in Ueckermünde, im Bereich Uecker-Randow, dort geben wir tatsächlich diese Beratungshilfen, die auch notwendig sind, und die Bürger nehmen es gerne an.

Und es geht im Prinzip überhaupt nicht darum, was Sie hier prognostizieren, dass der Kostensatz da in irgendeiner Weise um 250 Euro überzogen worden ist, das ist überhaupt nicht das Thema. Die Amtsgerichtsdirektoren haben uns diesbezüglich in ihren Berichten klar die Situation beschrieben. Sie haben pro Sprechstunde, die mittlerweile auch sehr bekannt ist, und jeder kann das auch in seinen Bürgerbüros und Wahlkreisbüros immer publik machen, acht bis zehn Hilfesuchende, die dort ihre Rechtsberatung bekommen. Und deshalb ist der Antrag, den Sie heute hier vorgebracht haben, einfach nur abzulehnen. Es funktioniert so gut,

(Raimund Borrmann, NPD: Und was ist in Rostock, in Wismar und in Schwerin?)

auch dank der Fachaufsicht des Justizministeriums mit der Ministerin Frau Kuder. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Danke schön, Herr Kuhn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für diejenigen, denen meine Ausführungen vielleicht zu kompliziert waren, noch mal ganz einfach zusammengefasst: Die Beratungshilfe soll verschärft werden, soll ungünstiger gestaltet werden für die Bürger. Das wollen wir nicht und deswegen wollen wir einen Ausstieg aus dem Beratungshilfegesetz, das geändert werden soll.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das hätten Sie nachlesen können im „Medienspiegel“. Und wir haben einen Weg dazu aufgezeigt. So viel anders sind die Strukturen auch nicht, dass man nicht das machen könnte, was in Hamburg oder Bremen gemacht würde. Es sei denn, wenn hier natürlich das super Kinderland Nummer eins sich so weiterentwickelt, dann sind wir bald nur noch Bremerhaven, das kann allerdings sein.

Ansonsten entnehme ich mal den Ausführungen, dass Sie keine flächendeckende öffentliche Rechtsberatung wollen, sondern dass die Städte mit hohem NPDWähleranteil weiterhin privilegiert sind. Na schön! Mit 15 Prozent gibt es eine kostenlose Rechtsberatung, hat die NPD 30 Prozent, gibt es vielleicht noch eine Verbraucherberatung dazu und bei 50 Prozent kommt wahrscheinlich die Bundeswehr. Die kann ja jetzt im Inneren eingesetzt werden. Schön!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Übrigen muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie eine seltsame Vorstellung von Kümmerkompetenz haben, die muss auch in sich konsequent sein. Einerseits wollen Sie Punkte machen, indem Sie den Leuten sagen, guckt mal, da ist eine kostenlose Rechtsberatung, das haben wir für euch gemacht, so kümmern wir uns um euch, so großzügig sind wir. Und wenn die dann zur Rechtsberatung kommen, was erfahren sie dann? Dass die Beratungshilfe verschärft wird, dass die Prozesskostenhilfe einen größeren Anteil erfordert, das haben Sie doch auch vor,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Quatsch!)

vor allen Dingen, dass Sie Gebühren einführen wollen bei den Sozialgerichten. Und da kann ich Ihnen aber nur sagen, der Schock, den das geben wird, den unterschätzen Sie,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das wird nicht stattfinden. Da können Sie sicher sein!)

denn gerade eben haben die Leute sich so einigermaßen getraut, mal vor Gericht zu gehen, haben ihre natürliche Scheu verloren, haben auch die Angst verloren, dass sie in unnennbare Kostenrisiken verwickelt werden. Und da die meisten keine Zeitung mehr lesen und viele sich auch keine mehr leisten können, wird irgendwann dann die Rechnung wie ein eiskalter Schlag kommen und die Leute werden ganz schön entsetzt sein. Und was wollen

Sie ihnen dann sagen? Wollen Sie ihnen dann einen Demokratiebus schicken und sagen, glaubt trotzdem an uns, wir müssen so weitermachen? Wenn Sie schon Kümmerkompetenz ausstrahlen wollen, dann dürfen Sie nicht einerseits geben und andererseits wieder nehmen und zuschlagen. Eine solche Kümmerkompetenz wird Ihnen nicht viel bringen.

Was ich noch bezweifeln möchte, ist allerdings, ob Sie sich all die Kürzungsmaßnahmen, die Sie vorhaben, wirklich trauen werden, denn die SPD hat das schon einen Oberbürgermeisterposten von Schwerin gekostet, dass sie das Blindengeld kürzen will. Das dürfte die entscheidenden Prozente gebracht haben für die Bewerberin der LINKEN. Und in Vorpommern sind Sie auf dem Weg zur Splitterpartei. Und wenn die entsprechenden Wahlergebnisse dann auf Sie herabprasseln, dann möchten wir mal sehen, was von Ihrem Mut übrig bleibt, sich noch weiter an soziale Rechte heranzutasten. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie sind ja ein richtiger Politikwissenschaftler!)

Danke, Herr Andrejewski.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/1867. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/1867 bei Zustimmung der Fraktion der NPD mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Justizopfer angemessen entschädigen, Drucksache 5/1886.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Justizopfer angemessen entschädigen – Drucksache 5/1886 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Justitia ist blind, aber bekanntlich auch nicht frei von Irrtümern. Das ist in Zivil- und Verwaltungsprozessen für die Betroffenen ärgerlich, kostet es doch Zeit, Nerven und vor allem Geld.

In Strafprozessen haben Irrtümer noch weit schlimmere Folgen. Denn neben Zeit, Nerven und Geld verlieren die Betroffenen auch für eine gewisse Zeit ihre Freiheit, und wenn man Pech hat, nicht nur für ein paar Tage, was schlimm genug ist, sondern für Jahre. Und sie verlieren zum größten Teil ihre Arbeit, öffentliches Ansehen, Freunde und, und, und.

Zuletzt hatte der Fall einer Berlinerin für Aufsehen gesorgt. Sie saß 888 Tage unschuldig in Untersuchungshaft. Sie war zu lebenslanger Haft wegen Mordes an ihrem Vater verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil später aufgehoben. Die privaten und beruflichen Folgen sind für die Opfer der Justiz in der Regel gravierend und lassen sich schwer bemessen.

Und welche Folgen hat das für den Staat? Die Antwort für solche Fälle finden wir im Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Dort steht unter Paragraf 1: „Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung“ – den Vollzug der Untersuchungshaft oder andere Strafverfolgungsmaßnahmen – „einen Schaden“ erleidet, „wird aus der Staatskasse entschädigt.“ In Paragraf 7 Absatz 3 ist zu lesen: „Für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, beträgt die Entschädigung elf Euro für jeden angefangenen Tag Freiheitsentziehung.“

Meine Damen und Herren, Sie haben richtig gehört, ganze 11 Euro pro Hafttag ist dem Staat die Entschädigung wert. Hinzu kommt, dass davon eine Verpflegungspauschale von 6 bis 7 Euro abgezogen wird, sodass am Ende lediglich 4 bis 5 Euro übrig bleiben.

Sie können sich selbst schnell ausrechnen, welchen Betrag die Frau in dem eingangs beschriebenen Fall für die über zwei Jahre Haft als immaterielle Haftentschädigung erzielte – ganze 3.600 Euro. Ich denke, ich muss nicht erst lange argumentieren, um Sie davon zu überzeugen, dass diese Summe auf keinen Fall auch nur annähernd angemessen ist.

Meine Damen und Herren, es besteht dringender Handlungsbedarf. Die Regelung zur Haftentschädigung gibt es seit 1971, damals 10 DM pro zu unrecht erlittenem Hafttag. 1987 hat man diesen Betrag auf 20 DM verdoppelt. Im Jahre 2001 erfolgte die Festsetzung im Rahmen der Währungsumstellung auf 11 Euro. Unterm Strich gibt es also seit über 20 Jahren den Entschädigungsbetrag, der nicht erhöht wurde.

Dass diese Summe unangemessen niedrig und mit einem sozialen Rechtsstaat nahezu unvereinbar ist, kritisieren nicht nur Fachleute immer wieder, die Vertreter der Rechtsanwaltskammern oder des Deutschen Anwaltvereins. Auch in der Politik gab es Bestrebungen, die Haftentschädigung endlich deutlich anzuheben. Am Ende scheiterte es immer wieder am Geld. Die Länder verwiesen stets auf die klammen Landeshaushalte und sperrten sich.

(Raimund Borrmann, NPD: Jetzt haben wir doch genug!)

Nun ist es wieder einmal so weit: Die Landesregierung hat auf meine Kleine Anfrage vom 5. September dieses Jahres hin bestätigt, dass die Bundesjustizministerin derzeit eine Länderumfrage zur Erforderlichkeit der Anhebung der Tagessätze für die Haftentschädigung durchführt. Frau Zypries schwebt zumindest eine Anhebung um den Inflationsausgleich auf 17 Euro vor. Die Landesregierung selbst hat sich hierzu noch keine abschließende Auffassung gebildet.

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin Kuder, andere sind da viel weiter. Nach Medienberichten haben sich Hamburg, Baden-Württemberg und Berlin für eine deutliche Anhebung ausgesprochen. Und um das einmal zu konkretisieren: Berlin stellt sich in etwa 100 Euro vor. Diese Summe klingt angesichts der derzeitigen 11 Euro sehr hoch und erscheint zudem aus der Luft gegriffen. Doch dieser Eindruck täuscht. So werden etwa in Österreich seit Jahren in der Regel über 100 Euro gezahlt.

Wir haben in unserem Antrag bewusst darauf verzichtet, genauer zu definieren, was wir unter angemessen verstehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Aber, Frau Kuder, die Handhabung in Österreich und der Vorschlag Berlins zeigen deutlich, wohin die Reise gehen muss. Im Übrigen, auch in Brandenburg gibt es seitens der Justiz ein klares Bekenntnis für eine Unterstützung der Initiative in Berlin. Die dortige Justizministerin, aber auch die Rechtspolitiker von SPD und CDU sprachen sich zumindest für 100 Euro pro Hafttag aus.

Meine Damen und Herren, welche Bedenken haben Gegner von einer deutlichen Anhebung? Fachlich werden keinerlei Einwendungen vorgetragen. Einzig und allein das Geld scheint ein Problem zu sein.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Der Haushaltseinwand allein ist jedoch meiner Auffassung nach ein wahrlich schlechtes Argument.

(Raimund Borrmann, NPD: Es gibt genug Kohle.)