Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

Mich hat erschreckt, was ich dort zur Kenntnis genommen habe. Mir war das aus meinem Leben nicht bekannt, Herr Methling.

Meine Damen und Herren, die dritte Komponente: Mit den gefälschten Kommunalwahlen im Mai 1989 und mit der versuchten Rechtfertigung des blutigen Massakers auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking wurde auch das moralische Scheitern des Systems für alle offenbar.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Was dann geschah, war eigentlich nur logisch.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ein eigenartiger Sozialismus. Zum Thema!)

Im August und September 1989 flohen 55.000 Menschen über Ungarn, Prag und Warschau. Es blieben, das muss man auch sagen, die Mutigen. Sie engagierten sich in und um die Kirchen. Sie wagten zu sagen: Wir wollen so leben, wie uns das immer versprochen wurde, und zwar in einer Demokratie, in der die Macht tatsächlich vom Volke ausgeht. Sie gaben trotz aller Einschüchterungsversuche nicht auf. Sie, diese Menschen sind es, die die Wende herbeigeführt haben.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Deshalb weckt dieser Blick in die Vergangenheit auch Zuversicht, und zwar Zuversicht in einer Zeit, in der die Bedrohung der freiheitlich demokratischen Gesellschaft nicht so sehr von einer extrem linken Seite, sondern in erster Linie vom ewig gestrigen rechtsextremen Gedankengut ausgeht,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

von dem Versuch, meine Herren dort an der Fensterbank, dass das Rad der Geschichte in diese Richtung zurückgedreht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wir haben es erkannt. Wir haben die Absicht erkannt. Wir sind nicht nur verstimmt, wir sind kampfbereit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, bei unserem Volk, bei den Menschen in unserem Land, gibt es noch die Kraft, die zu den Veränderungen in der DDR geführt hat. Hier haben die Menschen gezeigt, was es bedeutet, sich aus Gängelei und Bevormundung zu lösen, und was sie bereit sind, dagegen und vor allen Dingen für die Freiheit zu tun. Und nur diese Sicht rechtfertigt es auch, die Vergangenheit so aufzuarbeiten, wie wir das gemeinsam tun sollten, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. Die Sehnsucht nach freiheitlicher Demokratie, nach Toleranz, nach solidarischer Gerechtigkeit ist,

(Udo Pastörs, NPD: Und nach Hartz IV.)

glaube ich, in unserer Bevölkerung ungebrochen.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, absolut. Das ist Ihr Problem.)

Und weil das so ist, kann diese Gesellschaft auch mit der Herausforderung aus der rechtsextremen Ecke fertig werden. Wir müssen es nur wirklich wollen. Deshalb brauchen wir ein sichtbares Zeichen.

(Udo Pastörs, NPD: Bankpleiten sind sichtbare Zeichen.)

Aus diesem Grunde unterstützt meine Fraktion die Initiative aus der kommunalen Ebene der Menschen aus Schleswig-Holstein und aus Mecklenburg-Vorpommern direkt an der ehemaligen Grenze für einen gemeinsamen Festakt zum 20. Jahrestag. Der 20. Jahrestag ist im nächsten Jahr. Ich würde mich sehr freuen, wenn unser Landtag, und deswegen haben wir die Aktuelle Stunde so beantragt, dazu einen Beitrag leisten könnte. Das haben die Menschen, die die Wende herbeigeführt haben, verdient, dass wir dies noch einmal gemeinsam hier in diesem Landtag debattieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Methling.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Stunde: „9. November 1989 – Aufbruch zur Wiedervereinigung und Überwindung der Teilung Europas – Erinnerung wach halten und neue Chance mutig ergreifen“ birgt, ich glaube, da sind wir uns einig, Stoff für ein mehrjähriges Geschichtsseminar. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Diskussion beziehungsweise dieses Seminar auf jeden Fall bis zum 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2009 fortgeführt wird. Ich denke, das ist auch gut so, je nachdem, wie die Sicht ist. Ich glaube aber, das ist für alle Beteiligten gut so.

Da ist zunächst der 9. November ohne Jahreszahl, Kollege Jäger sprach schon davon, der bei einigen Historikern als Schicksalstag der Deutschen gilt. Übrigens nicht erst im 18. oder im 19. Jahrhundert beginnend, sondern bereits zuvor

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

fallen noch auf diesen Tag eine ganze Reihe zentraler historischer Ereignisse, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts zumindest maßgeblich prägten. So wird etwa

am 9. November 1918 die Republik ausgerufen. 1923 scheitert an diesem Novembertag der Putsch Adolf Hitlers. Zwei der herausragenden Novemberereignisse sind zweifellos jener unheilvolle 9. November im Jahre 1938, die Reichspogromnacht, und der freudige 9. November 1989, der Tag, an dem die Berliner Mauer fiel, der Aufbruch zur Wiedervereinigung, wie Sie es im Thema der Aktuellen Stunde genannt haben.

Mit Schicksal haben aber weder die Geschehnisse 1938 noch die im Jahr 1989 zu tun. Das Novemberpogrom, die Zerstörung von jüdischem Eigentum und Gotteshäusern im gesamten Deutschen Reich und die Verfolgung und Ermordung von Juden, war von den Nazis organisiert und gelenkt und keinesfalls zufällig. Es war der Beginn unvorstellbarer Verbrechen der Nationalsozialisten, die im Krieg und im Holocaust, damit die NPD-Kollegen das auch verstehen, sage ich Völkermord, gipfelten in der Vernichtung der europäischen Juden,

(Michael Andrejewski, NPD: Das kennen Sie ja von Stalin.)

von denen sich die neuen Nazis, die in unserem Landtag sitzen, bis heute nicht distanziert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Schicksal war auch nicht der 9. November 1989. Die Öffnung der Mauer vor nunmehr fast 19 Jahren war vielmehr das Ergebnis von Massenkundgebungen der Bevölkerung, der immer lauter werdenden Forderung nach Reisefreiheit und der Flucht vieler Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik. Es waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR, die sich eben nicht ihrem Schicksal ergaben, sondern in einer friedlichen Revolution die Dinge selbst in die Hand nahmen und letztendlich sie bestimmten. Es war auch kein Schicksal, dass ein völlig überforderter Herr Schabowski vorlas, was er auch hinterher noch nicht verstand.

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja. – Peter Ritter, DIE LINKE: Ein gern gesehener Gast bei der CDU.)

Ich saß, ich glaube, manche von Ihnen können sich erinnern, an diesem Tag vor dem Fernseher und konnte es zunächst kaum glauben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das ist richtig. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Ich glaube, Ihnen ist es auch so gegangen.

Gerade in der Ambivalenz der Bedeutung des 9. Novembers liegt meines Erachtens eine Chance, darüber nachzudenken, welche Ursachen der Teilung Europas und Deutschlands zugrunde liegen. Es muss – der 9. November 1989 und der Mauerbau 1961 fingen eben nicht an diesen Tagen an, sondern sie hatten jeweils eine Vorgeschichte – hinterfragt werden, welche Gründe es gab, dass spätestens seit 1945 der Kalte Krieg Ost und West in ein groteskes und wie wir wissen nicht nur militärisches Wettrüsten geführt hat.

(Hans Kreher, FDP: Und was ist Ihre Antwort?)

Die historischen Zusammenhänge dürfen bei der Betrachtung und Bewertung von bestimmten Entwicklungen nicht ausgeblendet werden.

Ich fand Ihre Rede, Kollege Jäger, sehr maßvoll und ich will mich auch in gewissem Maße so artikulieren. Ich glaube aber, dass es Ihnen wichtig ist, wenn es um das Wachhalten von Erinnerungen geht, vor allen Dingen die Erinnerung mit und in der DDR zu thematisieren. Dagegen habe ich nichts und damit sollten wir uns auch beschäftigen, wenn wir das andere nicht ganz ausblenden und Vergleiche herstellen oder Gleichsetzungen, die von manchen vorgenommen werden. Es geht um die Rolle und nicht zuletzt die Verantwortung der SED für den Niedergang und für das Scheitern der DDR. Diese Verantwortung gibt es. Sie aber auf die SED zu reduzieren, ist aus meiner Sicht eine sehr einseitige Herangehensweise, die auch historisch natürlich nicht begründbar ist.

Die sogenannte Diktatur des Proletariats, es wurde ja offen darüber gesprochen, dass wir in der DDR eine Diktatur des Proletariats hatten …

(Udo Pastörs, NPD: Da haben Sie doch auch von gesprochen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das hat er doch gerade gesagt. Völlig unnötiger Zwischenruf.)

Letztlich war aber die politische Führung, die Dominanz der SED im Verbund mit den anderen Parteien der Nationalen Front, aus meiner Sicht die wichtigste Ursache für das Scheitern des von vielen gut gemeinten und auch gewollten Sozialismusversuchs in der DDR. Als ehemalige DDR-Blockparteien, nach der Wende bei der großen Westschwester untergekommen, haben diese Kolleginnen und Kollegen in den letzten 20 Jahren – ich beziehe das nicht auf Kollegen Jäger, sondern ich beziehe das auf die Menschen, die hier gelebt und in dieser Partei gewirkt haben – oftmals mit spitzen Fingern in Richtung PDS und heutige LINKE gezeigt und uns aufgefordert, wir müssten uns mit der DDR-Vergangenheit auseinandersetzen und Verantwortung übernehmen. Dabei war die PDS und ist DIE LINKE bis zum heutigen Tag die einzige Partei, die sich zu dieser Verantwortung bekennt,

(Raimund Borrmann, NPD: Das ist der Unterschied. – Michael Andrejewski, NPD: Billige Worte.)

zu den Fehlern und Fehlentwicklungen in der DDR, die sich kritisch mit der politischen Vergangenheit auseinandersetzt und sich für begangenes Unrecht entschuldigt hat.

(Raimund Borrmann, NPD: Nein, sie hat sich nicht entschuldigt. Sie hat nämlich nicht gezahlt.)

Ja, Herr Borrmann, Sie wissen es besonders gut, weil Sie ja auch aus dieser Partei kommen.

(Raimund Borrmann, NPD: Nein, sie hat sich nicht entschuldigt. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das wissen Sie ja ganz genau.)

Seit nunmehr 20 Jahren hören wir aber wenig Worte, vielleicht wird es auf dem bevorstehenden CDU-Parteitag und auf anderen Parteitagen anders werden, über die Rolle und Verantwortung der Ost-CDU, von der DBD, an die manche gar nicht mehr denken. Das war aber sozusagen die marxistische Bauernpartei,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Geschluckt von der CDU.)