Protokoll der Sitzung vom 23.10.2008

Dort war am 13.09.2008 im Doberaner Lokalteil unter anderem zu lesen: „Retschow. Einen einhelligen Appell richtete die Gemeindevertretung von Retschow am Donnerstagabend an den Landtag: Sie forderte das Parlament auf, alle Planungen für eine südliche Umgehungsstraße von Bad Doberan sofort zu stoppen. Jeder Cent, der dafür bereits ausgegeben wurde, sei nach dem Bau der Küstenautobahn, die zu großen Entlastungen führte, eine Verschwendung von Steuergeldern, hieß es. Die Abgeordneten fühlten sich zudem aus Schwerin nicht ausreichend informiert, weil es hieß, der Bund allein zahle die 40 Millionen Euro für die avisierte Umfahrung. Der Fakt, dass das Land bisher auf eigene Kosten

plant, der Bund erst zahlt, wenn gebaut wird, sei bislang verschwiegen worden, kritisierten sie. Die Gemeindevertreter wollen die Abgeordneten ihrer Fraktionen direkt um Hilfe bitten. Denn unter dem Bau der 7,4 Kilometer langen Umfahrung würden vor allem die Umlandkommunen leiden.“

Dieser Appell, meine Damen und Herren, wurde mir dann – ja, stante pede eigentlich – vom Bürgermeister der Gemeinde, der Mitglied unserer Partei ist, übermittelt, verbunden mit ein paar harschen Worten zu unverständlich langen Entscheidungswegen auf Bundes- und Landesebene.

Das brachte mich dann dazu, zu überlegen, wie wir mit dieser Forderung umgehen. Und als ich dann in der örtlichen Presse las, dass der Vertreter der FDP-Fraktion in der Gemeinde Retschow die Landespolitiker aufforderte, in dieser Sache aktiv zu werden und uns mit unserem Aktivwerden aktiv für den Erhalt des schönen Bad Doberaner Umlandes einzusetzen, da stand eigentlich die Entscheidung fest, dass ich das auf die Tagesordnung des Landtages bringen würde.

(Michael Roolf, FDP: Oha, oha! – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, so hören wir auf die FDP.)

Ja, das kann ich Ihnen auch zeigen, Herr Roolf, tut mir leid.

Schließlich erreichte auch die Mitglieder des Verkehrsausschusses auf der Ausschussdrucksache 5/45 am 18. September ein Schreiben der Bürgerinitiative mit der gleichen Bitte und mit einer sehr, sehr umfangreichen und detaillierten Begründung.

Meine Damen und Herren, die Geschichte mit der Umgehungsstraße zieht sich seit 15 Jahren hin und ich teile eigentlich die Befürchtung der Bürgerinitiative, dass sie sich zu einer quasi unendlichen Geschichte auswachsen wird. Deshalb sind wir der Auffassung, wir sollten uns mit diesem Problem beschäftigen,

(Michael Roolf, FDP: Tun wir auch.)

zumal die Mitglieder der Bürgerinitiative seit Jahren kontinuierlich an dem Problem arbeiten und schon viele verschiedene Wege gegangen sind. Sie haben zuerst die Gemeindevertretungen der betroffenen Gemeinden sensibilisiert, damit diese sich mit dem Thema befassen. Infolge der öffentlichen Diskussionen in den Gemeinden und in der Stadt Bad Doberan haben sich dann die Gemeindevertretungen und die Stadtvertreter Bad Doberans mehrheitlich gegen den Bau der Straße positioniert. Sie haben es sogar geschafft, mit ihren Argumenten den Bauernverband zu überzeugen, sodass dieser in der Bürgerinitiative mitarbeitet, und das, denke ich, will schon etwas heißen. Sie haben sich mit den Bundestags- und Landtagsabgeordneten der demokratischen Parteien in Verbindung gesetzt. Sie haben dem Landes- und dem Bundesverkehrsminister geschrieben und ihre Argumente vorgebracht. Sie haben sich in die Diskussion zum regionalen Raumordnungsprogramm eingebracht und ihre Stellungnahme dazu fristgerecht eingereicht. Sie haben mehrere Artikel in regionalen und überregionalen Zeitungen platziert, die sich mit dem Bau und der Nichtnotwendigkeit der Umgehungsstraße beschäftigen. Sie haben Unterschriften in der Region gesammelt und im Herbst 2006 eine Onlinepetition beim Deutschen Bundestag initiiert, an der sich über 2.200 Teilnehmer beteiligt haben, und nicht alle waren

aus unserer Region, sondern viele waren auch Touristen, die unsere Region besuchen. Sie haben es geschafft, dass sich der Petitionsausschuss im September vor Ort ein Bild über die Lage verschafft hat.

Also, lange Rede, kurzer Sinn, meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten das Anliegen der Bürgerinitiative ernst nehmen und miteinander darüber reden, wie wir diese Kuh vom Eis bekommen.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Und ehrlich gesagt, ich habe wirklich keine Lust darauf, dass der ach so umgängliche und immer agile Herr Borrmann bei diesen engagierten Bürgerinnen und Bürgern anklopft und mit dem üblichen Rundumschlag

(Stefan Köster, NPD: Haben Sie Angst? – Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, vor Herrn Borrmann auf keinen Fall.)

gegen angeblich untätige etablierte Parteien und Parlamentarier, die nichts tun, auf Stimmenfang geht. Deswegen heute dieser Antrag von uns auf der Tagesordnung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Schwebs.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Verkehrsminister Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Liebe Kollegin Schwebs, Sie haben da was von Untätigkeit gesagt.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ich nicht. – Peter Ritter, DIE LINKE: Zitiert.)

Also das kann ich so natürlich nicht stehen lassen, denn ich war nicht untätig in den 14 Tagen meiner Amtszeit, sondern …

(Irene Müller, DIE LINKE: Das sagte ein Vertreter der Bürgerinitiative.)

Frau Müller, hören Sie doch auch mal zu Ende zu!

Wir waren nicht untätig, sondern ich habe in den 14 Tagen sehr wohl schon Aktivitäten entfaltet. Ich habe zwar keinen Antrag geschrieben oder war nicht daran beteiligt, irgendeinen Antrag zu schreiben, sondern wir haben gearbeitet.

(Michael Roolf, FDP: Sie sind ja auch Minister.)

Ja, ich bin aber auch noch Abgeordneter. Das sollte man nicht vergessen.

Meine Damen und Herren, was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Wenn Sie das jetzt nun von mir erwartet haben, muss ich Sie leider enttäuschen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Nein.)

Es ist einfach so, ich war dagegen. Vor circa eineinhalb Jahren habe ich das auch öffentlich bekundet und ich kann Ihnen sagen, heute gilt für mich genau das Gleiche:

Ich bin gegen diese Ortsumgehung. Das will ich hier mal so deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass sich in Bad Doberan die Stadtvertretung mehrheitlich, die meisten Parteien, eine Bürgerinitiative, viele Unternehmerinnen und Unternehmer klar und deutlich gegen diese Ortsumgehung positioniert und das auch öffentlich erkennbar als Votum abgegeben haben. Allerdings sage ich Ihnen auch, mit einem solchen Beschluss, wenn er denn heute so gefasst werden würde, würden wir agieren wie der Elefant im Porzellanladen und kein Ergebnis erreichen, denn wir haben ja einen Partner, mit dem wir bestimmte Dinge verhandeln müssen im Sinne der Positionierung, die ich hier gerade vertreten habe. Sonst haben wir im Ergebnis einen Grabstein mit der Inschrift „Ich hatte Vorfahrt“ und ich glaube, das ist nicht unser gemeinsames Ziel.

Sie wissen alle aus Ihren Wahlkreisen, Sie wissen als Verkehrspolitiker, dass wir eine Menge Ortsumgehungen hier im Land brauchen, die eindeutig und vor allem einhellig begrüßt werden vor Ort und ersehnt werden zum Teil, und ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass sie dringend notwendig sind. Ich will hier nur vier Beispiele nennen ohne Wertung: In Vorpommern haben wir Anklam und Wolgast, die dringend einer Ortsumgehung bedürfen. Wir haben im Mecklenburger Teil Hagenow, Waren und andere. Auch da, denke ich mir, ist uns eindeutig klar, dass sie dringender vonnöten sind als eine Ortsumgehung zum Beispiel in Bad Doberan.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: So ist es.)

Ich habe das zum Anlass genommen, als eine meiner ersten Handlungen im Amt des Ministers auf der Verkehrsministerkonferenz im Nachgang im Gespräch mit dem Bund zu versuchen, eine für alle anderen Vorhaben unschädliche Lösung herbeizuführen, denn eins darf nicht passieren – das meinte ich mit der Metapher des Grabsteins –, es darf nicht passieren, dass wir uns durchsetzen würden, indem eine Ortsumgehung Bad Doberan nicht kommt

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

und dabei alle anderen zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Diese Gefahr ist immer real. Wir wissen alle, unter welchen Nöten auch der Bund leidet, und ich möchte einfach diese Flanke nicht öffnen. Deshalb ist es wichtig, …

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ja, davon haben Sie keine Ahnung und werden Sie auch nie bekommen.

(Raimund Borrmann, NPD: Nee, das ist auch zu hoch für uns. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und deswegen ist das so wichtig, dass man in einer vernünftigen Dosis, mit einer bestimmten inhaltlichen Kulisse auf den Bund zugeht und mit dem Bund darüber redet, wie wir diese Lösung hinbekommen. Ich biete Ihnen als Parlamentarier an, das erwarten Sie auch von mir, und zwar zu Recht, dass ich Sie immer sehr zeitnah auf dem Laufenden halte, wie wir bei diesem Thema mit dem Bund weiterkommen.

Ich will jetzt gar nicht auf die ganzen verfahrenstechnischen Fragen, die mit diesem Thema letztendlich verbunden sind, eingehen und sie darstellen. Eins jedoch steht fest: Wir werden als Verkehrsministerium, als Landesregierung unsere Kraft in die Umgehungen stecken, die wirklich dringend benötigt werden, die gewollt sind, wenn nicht gar von der Bevölkerung herbeigesehnt werden.

Ein Wort zu den Befürwortern der Umgehung in Bad Doberan, auch das gehört zur Wahrheit. Ich akzeptiere und verstehe auch die Argumente für diese Umgehung. Sie resultieren aus unterschiedlichsten Motiven, und zwar aus legitimen und ehrenwerten Motiven. Aber die ursächlichen Probleme für diejenigen, die für diese Umgehung sind, sind meiner Ansicht nach auch mit anderen Lösungen heilbar. Dazu biete ich ausdrücklich die Unterstützung meines Hauses an, die in entsprechenden Gesprächen ausgelotet werden müssen. Ich denke hier zum Beispiel an bauliche Maßnahmen der insbesondere betroffenen Moorklinik Bad Doberan. Dazu bieten wir an, das in Gesprächen wirklich noch mal auszuloten, ob wir hier Lösungen finden, und in diesem Sinne akzeptiere ich auch, wenn dieser Antrag – so ist mir signalisiert worden – in den Ausschuss gehen soll. Ich denke, wir sollten uns im Ausschuss intensiv mit dieser Problematik auseinandersetzen, denn es ist komplexer, es geht hier nicht nur um die Ortsumgehung Bad Doberan. Also dieser Gefahr sollten wir uns hier wirklich alle gemeinsam bewusst sein. Die dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren.

Und ich hatte mir jetzt hier handschriftlich noch mal etwas aufgeschrieben. Ich wollte eigentlich Frau Gramkow – leider ist sie jetzt nicht da – für die vielen tollen gemeinsamen Jahre hier im Parlament danken.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie hört das oben. Sie muss ihr Zimmer ausräumen.)

Aber vielleicht hört sie das irgendwo. – Besten Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister.