Protokoll der Sitzung vom 19.11.2008

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke, Herr Stein.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Verkehrsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Schlotmann. Herr Schlotmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bahn besitzt in Mecklenburg-Vorpommern wie überall in Deutschland eine Vielzahl verschiedenster Liegenschaften, die früher für den Bahnbetrieb wichtig waren, heute aber nicht mehr gebraucht werden. Das sind zum Beispiel ehemalige Bahnhofsgebäude, Stellwerke oder Lokschuppen. Viele von diesen Gebäuden, wir haben es gerade schon von Herrn Stein gehört, sind in einem mehr als beklagenswerten Zustand. Das schlechte Erscheinungsbild vieler Gebäude prägt allerdings auch das jeweilige Ortsbild negativ. Herabfallende Bauteile oder ungesicherte Zugangsmöglichkeiten auf Gefahren behaftete Grundstücke bergen zudem ein gewisses Gefahrenpotenzial. Ich teile daher die Auffassung, dass die Liegenschaften, soweit irgend möglich, einer Nutzung zugeführt werden sollten. In anderen Fällen müssten aber zumindest Gefahren für die Bevölkerung, insbesondere für spielende Kinder, durch verbesserte Absicherungen ausgeschlossen werden.

Nach mir vorliegenden Informationen hat die Deutsche Bahn eine Verkaufs- und Verwertungsoffensive für ihre nicht mehr benötigten Liegenschaften eingeleitet. Das betrifft insgesamt 41 Bahnhofsgebäude in Mecklenburg-Vorpommern. Das heißt, von insgesamt 56 sollen noch 15 im Eigentum der Bahn bleiben, 41 sollen verwertet werden. Und an dieser Stelle will ich klar und deutlich sagen: Das Grundgesetz sagt – und ich denke, das gilt für die Bahn wie für jeden anderen auch –, Eigentum verpflichtet, und es ist endgültig einmal zu erwarten, dass die Deutsche Bahn sich ihrem Eigentum und der Gesellschaft verpflichtet fühlt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.)

Meine Damen und Herren, aus städtebaulicher und baukultureller Sicht ist eine sinnvolle Nutzung aufgegebener Bahngebäude sicherlich wünschenswert. Das gilt

nicht in jedem Fall, aber doch in den absolut meisten Fällen. In Ausnahmefällen ist es tatsächlich gelungen, eine städtebaulich sinnvolle Lösung herbeizuführen. Ich will ein aktuelles Beispiel nennen: der Bahnhof in Sternberg, dessen Gebäude ein örtlich ansässiger Unternehmer hat sanieren lassen. Ich finde, das ist eine tolle Sache, dass so etwas in Privatinitiative passiert, und das ist unterstützenswert. Danach, nach dieser Renovierung und Sanierung, hat er es der Gemeinde langfristig für einen öffentlichen Gemeinbedarf und zur Vereinsnutzung zur Verfügung gestellt.

Dieses private Engagement, meine Damen und Herren, ist sehr zu begrüßen, wird aber leider nicht der Regelfall sein können. Zuständig für die Nutzungsverwertung, eventuelle Beräumung und Sicherung von öffentlichen wie privaten Liegenschaften ist grundsätzlich der Eigentümer. Eine sinnvolle Wieder- und Weiternutzung von Bahnliegenschaften kann also nur im Einvernehmen zwischen der DB AG und den jeweiligen Kommunen betrieben werden. Dabei sind die in der Zuständigkeit der Gemeinden liegenden Konzepte der Stadtentwicklungsplanung, wie zum Beispiel städtebauliche Rahmenpläne, Flächennutzungs- und Bebauungspläne, zu berücksichtigen. Wir können als Land nur vereinzelt etwas tun. Die Gebäude in die Städtebauförderprogramme aufzunehmen, ist in vielen Fällen nur schwer möglich beziehungsweise gar nicht möglich, weil sie in der Regel außerhalb der Sanierungsgebiete liegen. Wir sind trotzdem bereit, hier beratend und unterstützend tätig zu werden.

Meine Damen und Herren, ich würde es begrüßen, wenn verfallende Gebäude der DB AG saniert und wieder sinnvoll genutzt werden, und zwar nicht nur für Touristen, Kollege Stein, sondern für uns alle, weil ich glaube, für uns ist es wichtig, in den Städten, in den Gemeinden vernünftig aussehende Bahnhöfe und möglicherweise auch nutzbare Bahnhöfe vorzufinden. Eine originäre Zuständigkeit der Landesregierung für die weitere Nutzung, Beräumung und Sicherung von Bahnliegenschaften vermag ich aber nicht zu erkennen. Insoweit, da gebe ich Ihnen recht, ist der Adressat Ihrer Entschließung, die Deutsche Bahn, richtig gewählt.

Und zu Ihnen, Frau Müller, und Ihren Zwischenrufen „behindertengerecht“

(Irene Müller, DIE LINKE: Und barrierefrei bitte.)

und „barrierefrei“, von mir aus barrierefrei …

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Barrierefrei, ich habe doch schon barrierefrei gesagt.

Nehmen wir mal den Bahnhof Schwerin, der für mich ein Zeichen dafür ist, dass die Bahn auch anders kann, denn der Bahnhof Schwerin, der vor Kurzem als Bahnhof des Jahres 2008 ausgezeichnet worden ist, ist barrierefrei gebaut worden für Sehbehinderte und Blinde wie für Körperbehinderte. Ich halte so ein Modellprojekt wie den Schweriner Bahnhof für übertragbar auf alle anderen Bahnhöfe. Das kann man dann der Deutschen Bahn mit ins Stammbuch schreiben. Ich versuche das und das gehört für mich mit dazu, denn das sind auch Bahnhöfe. – In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Irene Müller, DIE LINKE: Danke schön.)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute ein wichtiges Thema, aber Ihr Antrag dazu läuft ins Leere und ist auch noch falsch formuliert.

(Egbert Liskow, CDU: Warum denn das?)

Es ist doch grotesk, wenn der Landtag ein unternehmerisch geführtes Unternehmen auffordern will, seine ehemaligen Liegenschaften entweder weiter zu nutzen

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Genau so, genau so.)

oder ordnungsgemäß zu beräumen und zu sichern. Gemeint sind wohl nicht mehr betriebsnotwendige Immobilien im Eigentum der Deutschen Bahn AG. Konkret geht es um nicht mehr gebrauchte Empfangsgebäude von Bahnhöfen. Ich zitiere aus dem Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet.“

Fakt ist, dass meine Fraktion und ich ebenso wie Sie, Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mit Sorge sehen, wie ein Stück Eisenbahngeschichte sang- und klanglos verkommt. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um imposante Gebäude, die aus der Gründerzeit der Bahn stammen und nun bis auf wenige Ausnahmen ungenutzt vor sich hin dümpeln und dem Verfall preisgegeben sind.

Wenn Ihnen, Kollege Stein, anscheinend Ortsbilder und die Erhaltung von Denkmälern am Herzen liegen, ist der Antrag auch zu kurz gedacht. Das gleiche Dilemma trifft nicht nur auf Immobilien der Bahn, sondern auch auf die der Post zu. Viele Postämter haben ebenfalls ausgedient und wurden geschlossen. Weiteren 700 Postämtern, die von der Deutschen Post AG selbst betrieben werden, droht noch dieses Schicksal. Übrig bleiben sollen lediglich 100 Postämter.

Die meisten Bahn- und Postämter haben viel gemeinsam: Sie liegen im Zentrum der Orte. Sie prägen das Ortsbild. Sie sind baukulturell und geschichtlich von großer Bedeutung und stehen oftmals unter Denkmalschutz. Und sie waren über viele Jahre die Visitenkarten der Orte. Aber es gibt einen großen, einen entscheidenden Unterschied: Bahnhöfe sind wie alle Bahninfrastrukturanlagen dem Verkehr gewidmet. Das bedeutet, dass die Kommunen für Bahnanlagen kein Planungsrecht haben. Bahnanlagen können ohne Entwidmung nicht durch Bauleitpläne überplant werden. Dies schränkt eine bahnfremde Nachnutzung ein.

Kolleginnen und Kollegen, der Antrag läuft ins Leere, weil dieser Appell am Geflecht der Deutschen Bahn AG scheitern wird. Die Deutsche Bahn AG ist lediglich eine Dachgesellschaft, das Konzernoberhaupt. Daneben existieren fünf ausgegliederte selbstständige Unternehmensbetriebe. Jedes Tochterunternehmen hat besondere Zuständigkeiten:

Für die Schieneninfrastruktur ist beispielsweise die DB Netz AG zuständig.

Aufgabe der DB Station & Service AG ist es, Bahnhöfe und Haltestellen zu warten und zu betreiben. Und sie hat die Aufgabe, alle Bahnhöfe, die nicht betriebsnotwendig sind, abzustoßen. Dazu prüft sie, inwieweit die Bahnhofsgebäude entbehrlich sind. Sobald sich noch Eisenbahnbetriebsanlagen in nur einem Raum befinden oder der Fahrdienstleiter noch einen Sitz im ansonsten leer

stehenden Gebäude hat, ergibt die Prüfung, dass dieses Gebäude nicht entbehrlich ist. Damit kann es auch nicht entwidmet werden, mit der Konsequenz, dass weiterhin keine Planungshoheit für die Kommune besteht. Ergibt hingegen die Prüfung, dass der Bahnhof entbehrlich ist, ist beim Eisenbahnbundesamt zu beantragen, das Entwidmungsverfahren einzuleiten.

Gleichzeitig wird eine weitere Tochtergesellschaft, die Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft, eingeschaltet. Die ist dann für die Veräußerung zuständig. Und dabei zählt nur eins, der maximale Gewinn.

Sie sehen, bei der Deutschen Bahn AG gibt es keine gesamtbetriebswirtschaftliche Betrachtung. Nein, die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Tochterunternehmen zwingt zu gewinnorientiertem Handeln jeder einzelnen Aktiengesellschaft. Und deshalb, Kollege Stein, ist es aberwitzig zu glauben, dass dieser Antrag etwas bewirken würde. Wenn es also mehr als ein Scheinantrag sein soll, müssen wir uns im Verkehrsausschuss ernsthaft mit der Konversion von Bahnflächen und Bahnhöfen befassen und nach konstruktiven Lösungsansätzen suchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben durchaus Handlungsoptionen. Wir sehen uns um. So haben beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Bahn AG eine gemeinsame Entwicklungsgesellschaft für die Entwicklung von Immobilien gegründet. Die Erfahrungen könnten auch für unser Land nützlich sein. Ich fordere die Landesregierung auf, dies zu prüfen. Durch die Landesregierung müsste auch geprüft werden, welche Hilfe den betroffenen Kommunen gegeben werden kann, um ihr Vorkaufsrecht bei Veräußerung von Bahnhöfen wahrnehmen zu können. Wir wissen ja, wie es um die Haushaltslage der meisten Kommunen bestellt ist.

Wissen Sie eigentlich, wie die Bahn in ihrem Eigentum entstand? Im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts waren es die Kommunen, die die Bahnhofsgelände den verschiedenen Eisenbahngesellschaften meist kostenlos überlassen haben. Dies geschah mit der Auflage, auf diesen Flächen zum Wohle der Allgemeinheit Schienenverkehr und einen Bahnhof zu betreiben. Zukünftig muss verhindert werden, dass ganze Pakete von Bahnhöfen und auch Postämtern an Immobilienhaie verkauft werden. Beispielsweise …

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Seien Sie doch mal ein bisschen ruhiger hier vorne, das stört einen ungemein!

Beispielsweise verkaufte die Bahn im vergangenen Jahr 490 Bahnhöfe an Patron Capital aus London und Procom Invest aus Hamburg, kurz P+P. Mit den Bahnhöfen, die diese Gruppe bereits im Vorfeld aus einer Konkursmasse erhielt, gehören P+P nun 1.000 Bahnhöfe im ganzen Bundesgebiet. Damit ist derzeit nur noch jedes dritte Empfangsgebäude im Besitz der Bahn. Die Bahn selbst will langfristig nur 600 Bahnhöfe behalten, und zwar ausschließlich Bahnhöfe, die profitable Mieteinnahmen durch Geschäfte und Dienstleistungen bringen.

Nebenbei bemerkt, die Post AG hat es sogar fertiggebracht, im Paket gleich 1.300 Postgebäude an die texanische Firma Lone Star zu veräußern. Ergebnis dieses Paketverkaufes ist, die Investoren halten sich bedeckt, investiert wurde wenig oder nichts. Die Kommunen haben also keinen Einfluss auf das Geschehen.

Wir als LINKE sagen ohne Wenn und Aber: Wir wollen die Kommunen in die Lage versetzen, dass sie sich um ihre Bahnhöfe kümmern können. Und dies geht nur, wenn sie finanziell so ausgestattet werden, dass sie erstens ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen können, soweit es für die Ortsentwicklung sinnvoll ist, und zweitens die Bahnhöfe und ihr Umfeld in die Ortsplanung mit einbeziehen können. Letzteres geht nur, wenn die Kommunen auch das Planungsrecht ausüben können. Die Bundesländer sollten beim Bundesverkehrsministerium auf eine Beschleunigung von Entwidmungsverfahren drängen. Das Eisenbahnbundesamt ist nachgeordnete Bundesoberbehörde und als Planfeststellungsbehörde für diese Verfahren zuständig. Erst mit der Bekanntmachung einer Freigabeerklärung geht die Planungshoheit auf die Kommunen über.

Wir plädieren aus dem Grunde für eine vernünftige Lösung. Deshalb beantrage ich die Überweisung in den Verkehrsausschuss, um dort noch die aufgeworfenen Fragen zu diskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Lück.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Regine, jetzt weiß ich wenigstens, wie die Bahnhöfe entstanden sind,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist ja gut, dass sie uns das erklärt hat.)

aber mal unabhängig davon …

(Heinz Müller, SPD: Zum Lernen hier.)

Ja eben, ich bin ja auch zum Lernen hier.