Protokoll der Sitzung vom 20.11.2008

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Für eine solide Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – Der GKV ein gesundes und nachhaltiges Fundament geben, Drucksache 5/1963.

Antrag der Fraktion der NPD: Für eine solide Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – Der GKV ein gesundes und nachhaltiges Fundament geben – Drucksache 5/1963 –

Das Wort zur Begründung für die Fraktion der NPD hat der Abgeordnete Herr Köster. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht vorhandene SPD-Fraktion! Nicht vorhandene CDU-Fraktion! „Krankenhäuser rufen den Notstand aus“,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

„Schwester Agnes hat Geldsorgen“, „Akuter Mangel an Hausärzten“ und so weiter und so fort. Wer die Nachrichten über unser Gesundheitssystem verfolgt, dem muss angst und bange um die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung werden. Von den etablierten Parteien hingegen hört man immer wieder, es würde alles zum Guten gewendet. Langfristige Lösungsansätze sucht man allerdings vergebens. Ist es nicht ein Treppenwitz in der Geschichte der BRD, dass die Herrschenden einerseits über die Finanzsituation und angeblich notwendige Einsparungen im Gesundheitswesen schwadronieren, andererseits aber im Gesundheitswesen beispielsweise durch die Verbrauchssteuer verdienen wollen?

Ihre Politik, meine Damen und Herren, auch wenn Sie nicht da sind, ist nicht schlüssig und auch nicht am Gemeinwohl interessiert. Ihre Politik ist vielmehr zu einer Politik für Lobbyinteressen verkommen. „Dem Deutschen Volke“ heißt es an unserem Reichstag. Jede Handlung der Politik hat demzufolge unserem Volke zu dienen. Der Spruch am Reichstag hat endlich Wirklichkeit zu werden. Die NPD-Fraktion verlangt nicht nur die Beteiligung des Volkes an wesentlichen Entscheidungen, wir halten es darüber hinaus für zwingend, dass die Politik nicht zum Gruppenspiel verkommt.

Wir Nationalisten werfen Ihnen vor, Vertreter der Blockfraktionen, dass Sie unser Volk zunehmend entmündigen und stattdessen Handlanger von Interessensverbänden

sind, und dieses vor allem und gerade auch im Gesundheitswesen. Zwei Drittel bis drei Viertel der Medikamentenzulassungen in Deutschland sind laut einem Artikel im „Stern“ vom 26. März 2007 nach Ansicht von Professor Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, verzichtbar. Und wie der Artikel weiter ausführt, kommt es in Deutschland bei neuen Arzneimitteln nicht darauf an, ob sie besser sind als bisherige, entscheidend ist lediglich, ob sie zugelassen werden. Viele Medikamente gelten für Fachleute als Pseudoinnovation, die möglichst weiter viel Geld aus dem Gesundheitssystem für die Pharmaindustrie sichern sollen. Hier wird das Problem deutlich. Es zählt in vielen Bereichen des Gesundheitssystems nicht das, was für den Kranken gut ist, sondern lediglich die Gewinnmarge.

Ich vertiefe diesen Punkt noch einmal: Warum bleibt die politische Kaste untätig? Ich mache Ihnen dieses noch einmal anhand der Pharmaindustrie deutlich. In dem Buch „Auf dem Rücken der Patienten“ erklärte der SPDBundestagsabgeordnete Karl Lauterbach die Arbeit der Pharmabranche wie folgt, Zitat: „Der Einfluss der Pharmabranche ist groß, weil die Lobbyarbeit sehr professionell organisiert ist.“ Und er führt weiter aus: „Die Lobbyisten der Pharmaindustrie sind in der Regel hoch professionell, sehr gut bezahlt und nicht selten, und das ist wichtig zu wissen, Aussteiger aus dem Bereich der Politik.“ Zitatende. Im gleichen Buch führt Professor Dr. Peter Schönhofer aus: „Die Praktiken des Pharmamarketings führen zu einer Bedrohung der Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitswesen. Die Strategie“, so Schönhofer, „lasse sich auf drei Schlagwörter reduzieren: Scheininnovation, Korruption und Bestechung.“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Möchten Sie noch einen Beleg dafür hören, warum in der BRD das Gesundheitswesen in den letzten 35 Jahren praktisch gegen die Wand gefahren wurde? Dann hören Sie einmal zu! Das Magazin „Frontal 21“ stellte dem damaligen Gesundheitsminister Herrn Seehofer im Jahre 2003 zu der Arzneimittelpositivliste die Frage, Zitat: „Heißt das denn, dass die Lobby wirklich so stark war dann – die Pharma-Lobby gegen die Politik – und Sie quasi dann da zurückziehen mussten?“ Und Herr Seehofer antwortete, Zitat: „Ja, das ist so. Seit 30 Jahren bis zur Stunde, dass sinnvolle strukturelle Veränderungen auch im Sinne von mehr sozialer Marktwirtschaft im deutschen Gesundheitswesen nicht möglich sind wegen des Widerstandes der Lobby-Verbände.“ Zitatende. Hier liegt also das Kernproblem der herrschenden Politik. Sie geben ohne Gewissensbisse zu, dass Sie im Grunde keinerlei wirkliche Entscheidungsgewalt haben beziehungsweise sich nicht trauen, politische Entscheidungen zu treffen. Wie erbärmlich!

Wir Nationalisten haben mit diesem Gemisch aus Vetternwirtschaft und Korruption nichts zu tun und können Ihnen deshalb heute an dieser Stelle einen Lösungsansatz vorstellen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da bin ich aber mal gespannt.)

wodurch eine spürbare Entlastung der gesetzlichen Krankenkasse erreicht wird.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na dann mal los!)

Und dass die Entlastung möglich ist, wenn man sich traut und es will, zeigt das Ergebnis einer Studie des Fritz Beske Instituts für Gesundheits-System-Forschung, die ergab, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenkasse auf das Niveau der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sinken könnte, wenn die Aufgaben der Krankenkassen auf die Gesundheitsversorgung beschränkt würden und versicherungsfremde Aufgaben die Kassen nicht mehr belasten würden. Der Staat hat den Kassen zur Entlastung anderer Sozialversicherungssysteme und des Staates Aufgaben übertragen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ein alter Hut, so ein alter Hut!)

deren Volumen mittlerweile 45,5 Milliarden Euro umfassen. Dieses entspricht etwa einem Drittel der Ausgaben der Krankenkassen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und wie viel Prozentpunkte des Beitrages sind das, wie viel Prozentpunkte?)

Professor Beske vom gleichnamigen Institut fordert in diesem Zusammenhang zu Recht, dass von der GKV nur jene Leistungen erbracht werden, die zum definierten Aufgabenbereich der GKV gehören. Und die Aufgabe der GKV besteht darin, vollen Versicherungsschutz im Krankheitsfall gleichwertig von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und unabhängig von der finanziellen Leistungskraft des einzelnen Versicherten zu gewährleisten. Deshalb gibt es nach Ansicht von Professor Beske als erste Handlungsmöglichkeit, die Subventionierung anderer Sozialsysteme und des Staates durch die GKV aufzuheben und darüber hinaus jene Leistungen, die von der GKV von Dritten in Anspruch genommen werden, kostendeckend zu bezahlen, sozusagen: Wer bestellt, bezahlt. Dieses kann dadurch gelöst werden, dass der Staat, der sich Sozialstaat nennt, diese Kosten vollständig übernimmt.

Das Institut, dessen Weltnetzseite ich zur Vertiefung des Themas Ihnen nur dringend empfehlen kann, hat festgestellt, dass alleine die Gesetzgebung der Jahre 1989 bis 2004 der GKV 10,25 Milliarden Euro plausibel finanzielle Belastung im Jahre 2008 gebracht hat. Diese Belastung von rund 10,3 Milliarden Euro jährlich bestreiten die gesetzlichen Krankenversicherten natürlich auch in den kommenden Jahren aus ihren Sozialversicherungsbeitragsgeldern. Durch die Gesetzgebung 2004, der tollen Gesundheitsreform, weist das Institut eine zusätzliche jährliche Belastung von 500 Millionen Euro für das Jahr 2009 nach. Zusammengefasst haben die Reförmchen der letzten Jahre der GKV eine jährliche Finanzbelastung von 11 Milliarden Euro beschert. Aber auch die versicherungsfremden Leistungen nach dem SGB V schlagen sich mit jährlich mehr als 4 Milliarden Euro bei der GKV nieder.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Welche denn?)

Dazu komme ich noch.

Und nicht zuletzt die Belastungen der GKV durch Beitragsfreiheit und reduzierten Beitrag, die nach Auffassung der NPD-Fraktion durch die Allgemeinheit getragen werden müssen, betragen in diesem Jahr 29,1 Milliarden Euro.

Der Irrsinn in der Gesundheitspolitik der etablierten Parteien wird auch in der Besteuerung der Medikamente mit dem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erkennbar. Das Gleiche gilt natürlich für medizinische Hilfsmittel. Bei

einer Verminderung auf den reduzierten Mehrwertsteuersatz, was dem internationalen Standard zudem entspräche, ergäbe sich eine Entlastung für die gesetzlichen Krankenkassen von fast 4 Milliarden Euro. Wie bedeutungslos sieht in diesem Zusammenhang der Bundeszuschuss in Höhe von 2,5 Millionen Euro aus? Es bestehen ferner noch Einsparungsmöglichkeiten im Bereich der Verwaltungskosten. Diesen kann begegnet werden, indem alle Kassen zu einer Volksgesundheitskasse vereinigt werden.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Meine Damen und Herren, man kann am Gesundheitssystem einiges ändern, man kann vor allem die Versicherten von Kosten entlasten, die die Versicherten nicht zu tragen haben, weil wir doch angeblich in einem Solidarsystem leben. In diesem Solidarsystem hat die Solidargemeinschaft die Kosten zu übernehmen, die nicht der GKV zuzurechnen sind. Insofern können Sie nur unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Forderung der NPD nach einer dauerhaft sicheren Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht mehr als ein populistischer Allgemeinplatz. Diese platte Forderung beweist wenig Sachkenntnis.

(Gelächter bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da hat er recht.)

Zu groß sind nämlich die nicht absehbaren Belastungen für die GKV, welche sich schon allein aus dem medizinischen Fortschritt ergeben. Aber auch die Folgen der demografischen Entwicklung auf die Gesundheitsversorgung sind derzeit nur schwer abschätzbar.

(Udo Pastörs, NPD: Der demokratischen Entwicklung, ja.)

Deshalb können Fragen zur Finanzierung der GKV nie einfach oder schlagartig, sondern immer nur im Prozess beantwortet werden.

Einige wichtige Grundsätze bleiben aber bei allen Diskussionen zu diesem Thema bestehen: Die Mitglieder der GKV sollten nur einen Beitrag in der Höhe zahlen, der ausschließlich für die Aufgabenerfüllung der GKV nötig ist. Leistungen an Dritte, welche nicht kostenfrei sind, sollten somit ausgeschlossen sein. Im Gegensatz zur Renten- und Pflegeversicherung oblag es bislang der Politik nicht, den Beitragssatz für die GKV festzulegen. Durch den Gesundheitsfonds ab kommendem Jahr ändert sich dieses bekanntermaßen. Weil die Politik bis dato für den Beitragssatz der GKV nicht verantwortlich war, übertrug sie der GKV Leistungen, die sozial-, familien- oder gesellschaftspolitisch begründet waren, ohne dass die Kosten für diese Leistungen abgedeckt waren. Die GKV wurde zugunsten anderer Sozialsysteme belas

tet. Entsprechend hat sich die finanzielle Situation der GKV in der Vergangenheit weiter verschärft. Gefragt sind deshalb jetzt Konzepte und Ideen, die diese entscheidende Säule unseres Sozialversicherungssystems nicht nachhaltig einschränken.

Wenig hilfreich sind jedoch Forderungen, wie sie hier von der NPD vorgetragen werden. Mehr als zwei Sätze zur Begründung oder gar ein konkreter Lösungsansatz sind der Fensterfraktion zu dieser kompletten Materie nicht eingefallen.

(Stefan Köster, NPD: Das kannten Sie ja vorher gar nicht. Das haben Sie erst aufgeschrieben und lesen es jetzt ab. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Einmal war es ein Beweis für einen interkulturellen Blindflug der FDP,

(Gelächter bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Stefan Köster, NPD: Nicht mal lesen kann er!)

der NPD-Fraktion. Deshalb will ich an dieser Stelle kurz Position beziehen zu den hier im Antrag erwähnten versicherungsfremden Leistungen. Wer von versicherungsfremden Leistungen im Katalog der GKV spricht, der muss zusätzlich definieren, was Aufgabe beziehungsweise Ziel einer Krankenversicherung ist. Und wenn Sie den Professor Beske zitieren, dann sollten Sie sich auch andere Werke besorgen, denn dann würden Sie nämlich dieses daraus lesen können: Es ist das übergeordnete Gesundheitsziel, Versorgungssicherheit für, ich betone ausdrücklich, alle Patienten und Planungssicherheit für alle Leistungserbringer zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit versicherungsfremden Leistungen gehört es daher zur Aufgabe der GKV, dass Krankheit für niemanden zur Existenzfrage wird,

(Udo Pastörs, NPD: Allerdings.)

dass medizinische Leistungen auf dem neuesten Stand allen Bürgern

(Udo Pastörs, NPD: Das wird Ihnen aber nicht gelingen mit dem System.)

wohnort- und zeitnah zugute kommen,

(Michael Andrejewski, NPD: Wo denn? – Udo Pastörs, NPD: Gehen Sie mal zum Arzt, da warten Sie stundenlang.)

dass Bürger die freie Wahl zwischen den Leistungserbringern haben und dass kein Mensch aufgrund irgendwelcher in seiner Persönlichkeit liegenden Eigenschaften ausgegrenzt werden darf.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP – Udo Pastörs, NPD: Tja, ja, sorgen Sie mal dafür! – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)