Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

als Opposition letztlich doch einen Kurs unterstützen zu müssen in der Sache, der sinnvoll ist, was die Selbstständige Schule angeht. Und, Herr Minister, vielleicht erklärt das auch den breiten Konsens hier in diesem Hause. Wir setzen ja mit der Selbstständigen Schule in diesem Schulgesetz ein Projekt um, das unter Rot-Rot und Bildungsminister Professor Metelmann angestoßen wurde. Insofern ist es auch nicht so verwunderlich, wenn man im Kerngedanken durchaus eine gemeinsame Bezugsgröße oder einen gemeinsamen Konsens hat.

Lassen Sie mich vielleicht trotzdem noch zu zwei, drei Dingen, die Sie ausgeführt haben, kritisch etwas sagen, das bezieht sich meines Erachtens vor allem auf die Systemumstellung bei der schülerbezogenen Mittel- beziehungsweise Lehrerstundenzuweisung. Sie haben kritisch angemerkt, dass es Schulen geben wird, und zu Recht darauf hingewiesen, sowohl bei Schulen in freier wie in öffentlicher Trägerschaft, die gewinnen, und es wird Schulen geben, die verlieren. Sie haben darauf hingewiesen und die Frage gestellt, was passiert mit den Schulen, die Stunden in einem gewissen Umfang verlieren, und das als einen kritischen Einwand, so habe ich das jedenfalls verstanden, interpretiert. Ich möchte die folgende Frage stellen, Herr Bluhm: Was tun denn seit Jahren diejenigen Schulen, die bei einer klassenbezogenen Lehrerstundenzuweisung schon seit Jahren zu wenig Stunden bekommen? Wir haben uns nie die Frage gestellt, was eigentlich in diesen Schulen passiert.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das geht nach dem Bericht des Ministers gar nicht, weil wir eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung haben.)

Das ist die Frage, die man entsprechend entgegensetzen muss. Deshalb ist es durchaus auch für einen LINKEN, wenn ich das so sagen darf, eine völlig zulässige Fragestellung, zu sagen, wie kann ich bei gegebenem Budget die möglichst gerechteste Verteilung der Mittel realisieren. Wir halten die schülerbezogene Zuweisung von Unterrichtsstunden und Finanzmitteln für den besseren Weg gegenüber einer klassenbezogenen Zuteilung. Die Gründe liegen auf der Hand. Wenn eine Klasse über 17 Schüler verfügt, ist der pädagogische Aufwand ein ungleich geringerer bei vergleichbarer Zusammensetzung der Schülerschaft, als wenn es 28 oder 30 Schüler sind. Deswegen ist es, in Zukunft die Schüler zum Maß der Zuweisungen zu machen, gerecht.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Und es führt dazu, dass die eine oder andere Schule, die in der Vergangenheit vielleicht sogar im Verhältnis zu anderen überprivilegiert war, sich an ein Normalmaß angleichen muss. Wir wissen ja, dass sich die Klassengrößen in Mecklenburg-Vorpommern im Bundesschnitt durchaus sehen lassen können, da sie sich im oberen Bereich befinden.

Einen weiteren Hinweis, den Sie gegeben haben, möchte ich auch kurz aufgreifen. Sie haben die Position vertreten, dass Mindestschülerzahlen systemfremd in einem solchen System seien. Das kann man sehen, wie man will. Dem Argument kann man etwas abgewinnen und sagen, eigentlich reicht es, wenn man jetzt schülerbezo

gen die Mittel zuweist oder die Lehrerstunden, den Rest können die Leute vor Ort organisieren. Nur, ich möchte Sie daran erinnern, dass wir gemeinsam diese Mindestschülerzahlen einmal so eingeführt haben, und zwar aus gutem Grund.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Da gab es doch aber Klassenbezogenheit.)

Ich denke, dieser gute Grund bedeutet auch Verantwortungsübernahme des Gesetzgebers. Denn wir haben an der einen oder anderen Stelle im Land zumindest die Gefahr, möchte ich sagen, dass wir bei Unterschreitung einer bestimmten Mindestzahl an Schülern, die eigentlich den Bestand einer Schule heute gefährden würde, um die Schule zu erhalten, gegebenenfalls auch die Bereitschaft vor Ort finden können – ich sage, diese Gefahr besteht –, dass pädagogische Konzepte formuliert und vertreten werden, die am Ende nicht mehr zugunsten der Kinder ausfallen, sondern wo das Ziel des Standorterhalts um jeden Preis ganz oben auf der Agenda steht. Jetzt kann man sich die Frage stellen, wie man damit umgehen will, ob man die Mindestschülerzahlen abschafft

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

und da ein anderes Kontrollsystem implementieren muss, um solche Auswüchse zu verhindern, oder ob man bei Mindestschülerzahlen bleibt, um einfach von Anfang an dem Ganzen einen Riegel vorzuschieben. Wir haben uns für den Weg entschieden, bei den Mindestschülerzahlen zu bleiben.

(Hans Kreher, FDP: Leider!)

Ich denke aber, dass das eine so große Systemumstellung ist, dass ich persönlich ziemlich sicher bin, dass wir in den nächsten Jahren die eine oder andere Korrektur oder Veränderung an diesem Gesetz haben werden. Wir werden sehen müssen, wie sich das Ganze entwickelt, wie sich das auswirkt. Wir werden ja bald auch wieder Gelegenheit haben, uns über das Schulgesetz zu unterhalten. Mit bald meine ich in mittelfristiger Perspektive, nicht im nächsten Jahr, keine Angst.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Nein, nein, schaun wir mal, schaun wir mal. Darüber wird zu diskutieren sein. Ich denke, die Geschichte ist an diesem Punkt offen.

Ich möchte meine 58 Minuten, die ich habe – das habe ich gesehen –, nicht ganz ausschöpfen

(Zurufe von Andreas Bluhm, DIE LINKE, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

und vielleicht noch kurz und prägnant sagen, welches aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD-Fraktion die entscheidenden Punkte dieses Gesetzes sind:

Wir führen zum Schuljahr 2009/10 die Selbstständige Schule ein. Das bedeutet, dass die Schulen vor Ort mehr Handlungskompetenzen, Entscheidungsmöglichkeiten erhalten und auch eine sachgerechtere Mittel- und Stundenausstattung eingeführt wird. Wir führen ein, korrespondierend ein Schuljahr später, die freie Schulwahl ab der Klasse 5 und damit verbunden, ein wichtiger Schritt für das Land, die kostenfreie Schülerbeförderung bis zum Abitur in den Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns. Diese beiden Punkte gehören zusammen. Selbstständige Schule mit Profil, mit Schulprogramm setzt voraus, dass Eltern und Schüler am Ende entscheiden können, wenn die einzelnen Schulen jeweilige Profile entwickeln, welches Angebot sie in Anspruch nehmen möchten.

Dieses Konzept, wie gesagt, unter Rot-Rot bereits entwickelt und erprobt in einem Modellvorhaben, findet im Land breite Unterstützung. Auch in der Anhörung war nicht erkennbar, von ganz, ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, dass dies kritisch gesehen wird. Alle Beteiligten halten das für den richtigen Weg, und zwar aus einem ganz einfachen Grund, weil über den Erfolg oder Misserfolg pädagogischer Prozesse weder hier im Landtag noch in einem Büro und Ministerium entschieden wird oder in den Schulämtern, sondern ausschließlich in der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrern, Schülern und Eltern vor Ort. Die Probleme sind vor Ort vielgestaltig. Und deswegen ist es auch richtig, den handelnden Akteuren den notwendigen Handlungsspielraum zu geben, aber auch von ihnen zu verlangen, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen.

Ich möchte aber, das ist mir wichtig, darauf hinweisen, dass diese Selbstständige Schule nicht nur für die Schulen selber eine deutliche Veränderung bedeutet, sondern auch für die sogenannte Schulaufsicht. Wir werden in Zukunft mit der Situation konfrontiert sein, dass Schulämter, auch das Ministerium, sich stärker als bisher als Dienstleister und Qualitätsmanager verstehen müssen, als Dienstleister für Schulen, die besondere Anliegen und Probleme haben oder die ihre Bildungsstandards einzuhalten haben. Auch das setzt einen erheblichen Mentalitätswechsel bei allen Beteiligten voraus, sich auf partnerschaftlicher und gleicher Augenhöhe zu begegnen, ohne die Gesamtverantwortung des Ministeriums in diesem Zusammenhang infrage zu stellen.

Ich denke, es gehört zu einem runden Bild, auch darauf hinzuweisen, dass die Idee der Selbstständigen Schule durchaus für viele Schulen in freier Trägerschaft Pate gestanden hat. Die Idee einer Selbstständigen Schule hat durchaus von freien Schulen insgesamt profitiert. Nach meiner Wahrnehmung ist dies der am meisten umstrittene Punkt, das Verhältnis der Schulen in freier und öffentlicher Trägerschaft, in diesem Gesetz. Deswegen möchte ich etwas dazu sagen. Die Schulen in freier Trägerschaft haben immer wieder geltend gemacht, dass sie Anspruch darauf haben, gleichgestellt zu werden mit den Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Damit meinen sie, dass sie bei einer schülerbezogenen Mittelzuweisung auch den Anspruch erheben auf hundert Prozent der Förderung.

Ich möchte darauf hinweisen, dass für Förderschulen in freier Trägerschaft dies ohnehin umgesetzt wird, dass auch bei Förderbedarfen, ich nenne es jetzt mal eine Benachteiligtenförderung, dies ohnehin umgesetzt wird – auch hier gibt es hundert Prozent Zuweisung durch das Land –, dass aber eine völlige Gleichstellung bei der finanziellen Ausstattung in der heutigen Situation aus unserer Sicht nicht ernsthaft möglich ist, weil durch diese vermeintliche Gleichstellung eben eine Ungleichbehandlung eintreten würde, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Die öffentlichen Schulen unterliegen Schülermindestzahlen, die Schulen in freier Trägerschaft nicht, die öffentlichen Schulen unterliegen der Schulentwicklungsplanung

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

und sind in ihrem Bestand von diesen Vorgaben abhängig. Und die Schulen in öffentlicher Trägerschaft müssen, und das ist schwer genug, das weiß jeder, der sich mit Schulen beschäftigt, mit den Konsequenzen des Lehrerpersonalkonzepts leben.

(Hans Kreher, FDP: Ja.)

Das sind drei Bedingungen oder Herausforderungen, unter denen Schulen in freier Trägerschaft nicht arbeiten. Ihnen jetzt also hundert Prozent der Finanzzuweisungen öffentlicher Schulen zu geben, bedeutet, einem System, das handlungsfähiger ist, weil es unter diesen Reflexionen nicht arbeiten muss, einen Vorteil zu verschaffen. Und das, meine Damen und Herren, können wir uns nicht leisten, dass wir in eine Situation geraten, wo öffentliche Schulen und Schulen in freier Trägerschaft sich gegenseitig in einen ruinösen Wettbewerb begeben, denn wir brauchen am Ende beide. Das sage ich ausdrücklich. Es gibt keinen Grund aus meiner Sicht, mit ideologischen Scheuklappen auf Schulen in freier Trägerschaft zuzugehen. Aber wir haben die Gesamtverantwortung, ein System auszubalancieren, in dem es nicht zu Verwerfungen und ruinösem Wettbewerb kommt.

Wir haben nach vielen Diskussionen insgesamt fünf aus meiner Sicht entscheidende Veränderungen am Gesetz vorgenommen mit Blick auf Schulen in freier Trägerschaft:

Es wurde erstens eingeführt eine Mindestförderung von 50 Prozent für berufliche Schulen in freier Trägerschaft. Das war vorher im Gesetz nicht enthalten.

Wir haben als Berechnungsgrundlage nicht das vorvergangene Haushaltsjahr, sondern das vergangene Haushaltsjahr herangezogen. Auch dies bedeutet ein Stück mehr finanzielle Verlässlichkeit.

Die Zuweisungen erfolgen nicht zum Haushaltsjahr, sondern zum Schuljahr, denn die Schüler sind ja nicht erst zum Haushaltsjahr in der Schule, sondern bereits wenn das Schuljahr beginnt. Auch das ist eine Verbesserung.

Es gibt für beide, für Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft, in Zukunft einen verbindlichen Katalog der Berechnung der Stundenzuweisung beziehungsweise Finanzhilfen.

Und es gibt fünftens zukünftig einen gleichberechtigten Dienstleistungsanspruch für Schulen in freier Trägerschaft gegenüber dem Institut für Qualitätsentwicklung. Das gab es so bisher nicht.

Auch das ist eine deutliche Veränderung des derzeitigen Gesetzentwurfes, sodass ich zum Abschluss sagen muss, ich kann völlig nachvollziehen, wenn sich Schulen in freier Trägerschaft zum Teil andere Dinge wünschen und sie mit dem Ergebnis immer noch nicht zufrieden sind. Aber bei einer Gesamtlage und bei Wahrnehmung einer Gesamtverantwortung für das Land erscheint mir dies als ein am Ende für alle Beteiligten tragfähiger Kompromiss. Und gerade weil wir, das ist jedenfalls meine Wahrnehmung, im Anhörungsverfahren und im gesamten Gesetzgebungsverfahren alle Stimmen ernst genommen haben, die sich gemeldet haben, und diese Bedenken, die vorgetragen wurden, uns wirklich haben zu Verstand und Herz gehen lassen, wenn ich das so sagen darf, sind in diesem Gesetz – Herr Bluhm hat selber darauf verwiesen – auch gewisse Sicherungsmaßnahmen eingeführt worden:

Wir haben die freie Schulwahl nicht zum nächsten Schuljahr in Kraft treten lassen, sondern erst zum übernächsten. Erstens können sich dann alle Schulen darauf vorbereiten und zweitens besteht bis dahin dann die Möglichkeit, den Schullastenausgleich neu zu regeln, denn die freie Schulwahl wird die Finanzbeziehungen der Schulträger noch einmal verändern.

Wir haben zweitens die freie Schulwahl auf zunächst drei Jahre begrenzt, weil niemand – auch das haben Sie angesprochen, die mangelnde Folgenabschätzung – genau weiß, welche Auswirkungen dieses Gesetz hat. Insofern, Herr Bluhm, würde ich Ihnen widersprechen, dass es eine mangelnde Folgenabschätzung gibt, denn die Folgen der freien Schulwahl im Detail kann heute von uns niemand, es sei denn, er ist Wahrsager, voraussehen. Deswegen würde ich behaupten, die Befristung der freien Schulwahl im Gesetz ist eigentlich schon die eingebaute Folgenabschätzung, weil sie uns damit als Gesetzgeber und auch den Ministerien auferlegt, nach zwei Jahren zu evaluieren, was passiert denn durch die freie Schulwahl, und uns selbst aufzuerlegen, dann noch erneut zu entscheiden, wird die freie Schulwahl fortgesetzt oder nicht. Dazu möchte ich ausdrücklich erklären, für mich persönlich gehört das systematisch zu der Idee der Selbstständigen Schule dazu. Ich möchte auch nach drei Jahren die freie Schulwahl fortsetzen. Und das ist für die SPD-Fraktion auch die Grundaussage.

Aber wir müssen uns auch die Möglichkeit erhalten, bei Fehlentwicklungen Korrekturen durchzuführen. Und deswegen gibt es einen letzten Sicherungsring in diesem Gesetz, wenn ich das so sagen darf, und der ist so konstruiert, dass bei Schulen, die heute aufgrund der freien Schulwahl, nicht aufgrund der demografischen Entwicklung, in Bestandsschwierigkeiten geraten, dass bei diesen Schulen eine gewisse Schonfrist besteht und sie nicht sofort den Schließungsmechanismen, wenn ich das so sagen darf, unterliegen, damit die Schulen erstens eine faire Chance erhalten, sich auch über mehrere Jahre im Wettbewerb untereinander zu behaupten, und zweitens, um vielleicht auch verheerende Löcher, die sonst in die Schullandschaft gerissen würden, verhindern zu können.

Deswegen finde ich, dass am Ende das Gesetz zwar unter großem Druck, auch mit kleineren Problemchen, aber von allen Beteiligten hoch engagiert und vor allem mit Augenmaß auf den Weg gebracht wurde. Ich denke, der heutige Tag ist für die Schullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern, wenn es auch erfolgreich umgesetzt wird, ein guter Tag. Und deswegen bitte ich Sie von der Linksfraktion, die, wie gesagt, selber einen gewissen Anteil am Zustandekommen der Selbstständigen Schulen in diesem Lande haben, um Zustimmung zum Gesetzentwurf. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Brodkorb.

Das Wort hat jetzt der Vizepräsident und Abgeordnete der Fraktion der FDP Herr Kreher.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich sagen, wir können diesem Schulgesetz nicht zustimmen,

(Jörg Heydorn, SPD, und Detlef Müller, SPD: Oh! – Egbert Liskow, CDU: Warum nicht?)

denn die Chance auf ein nachhaltiges Reformwerk wird für die nächsten Jahre gründlich verpasst.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Bei weit über 50 Änderungen der Koalitionsparteien zum eigenen Entwurf der Landesregierung, die teilweise

noch während der Schlussabstimmung mit heißer Nadel gestrickt wurden, kann kein zustimmungsfähiges Gesetz zustande kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Jörg Heydorn, SPD: Das stimmt doch nicht.)