Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Naheliegenderweise denkt man an bereits in der Schublade liegende Projekte, Projekte, für die bereits Baurecht besteht und für die schon Ausführungsplanungen vorliegen. Für andere Projekte fehlt der Planungsvorlauf. So kann man Unterlagen für die Vergabe von Bauaufträgen nur zusammenstellen, wenn detaillierte Zeichnungen vorliegen, auf deren Basis Mengen errechnet und Leistungsverzeichnisse erstellt werden können. Der Run auf das Geld hat längst begonnen. Ministerien haben ihren Bedarf bei der Staatskanzlei angemeldet. Städte und Kreise sind dabei, ihre Wunschlisten der Landesregierung auf den Tisch zu legen. Und diese werden weit umfangreicher sein als die Mittel, die bereitgestellt werden können. Hoffen wir mal, dass nach der Zustimmung des Bundesrates ab Mitte Februar mit der sofortigen Umsetzung des Investitionspaketes begonnen werden kann. Ich gebe zu, ich bin skeptisch, wie jetzt auf die Schnelle sachkundig entschieden werden soll, wer die Mittel bekommt, für welche Projekte sie eingesetzt werden und wie das Geld die Adressaten erreicht.

Kolleginnen und Kollegen, Hauptanliegen meines Antrages ist, dass wir hier im Parlament die Situation der Bauwirtschaft in unserem Land thematisieren und zusehen, wie wir helfen können. Das können die Bauleute von uns erwarten. Wir müssen ihnen Mut machen, weiter durchzuhalten. Fest steht: Bis die Baufirmen wirklich Geld auf dem Konto haben, werden weitere Firmen in Insolvenz gehen und weiterhin Facharbeiter in die skandinavischen Länder oder nach Holland und Belgien abwandern.

Am vergangenen Freitag traf sich erstmals der Konjunkturrat. In diesem Rahmen wurde angekündigt, dass die Landesregierung das Verfahren bei der Vergabe öffent

licher Aufträge weiter vereinfachen will, um öffentliche Investitionen zu beschleunigen. Sie, meine Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, werden mir deshalb entgegenhalten, dass am Punkt 1 meines Antrages schon längst gearbeitet wird. Schließlich waren es die Länder selbst, die gegenüber der Bundeskanzlerin darauf gedrungen haben, dass Änderungen im Vergaberecht vorgenommen werden.

(Ute Schildt, SPD: Genau.)

Und Sie werden mir entgegenhalten, dass Punkt 1 meines Antrages nicht weit genug geht, denn Inhalt meines Antrages ist nur die Anhebung der Wertgrenzen bei freihändiger Vergabe von Bauaufträgen. Ich weiß durchaus, dass der Bund auch die Wertgrenze für beschränkte Ausschreibungen auf 1 Million Euro erhöht hat. Und mir ist auch bekannt, dass die Landesregierung der Aufforderung des Bundes nachkommen will, dem zu folgen. Auch Städte- und Gemeindebund, der Bauverband und die Handwerkskammern fordern die Lockerung des Vergaberechts. Es ist der Landesregierung auch unbenommen, diese Forderungen in den Wertgrenzenerlass mit einzuarbeiten. Nur handeln Sie endlich! Ankündigungen reichen nicht. Wie lange soll denn Ihr Erlass abgestimmt werden? Ich bin der Meinung, da ist Eile geboten. Ohne diesen Antrag würden wir heute nicht über die kritische Situation der Bauwirtschaft in unserem Land reden, denn sowohl der Wertgrenzenerlass als auch die Städtebauförderungsrichtlinien sind untergesetzliche Regelungen. Dafür braucht man das Votum des Landtages nicht, das kann die Landesregierung auch allein bestimmen. Und so verstehe ich den Antrag meiner Fraktion als Signal des Landtages an die Bauleute.

Kolleginnen und Kollegen, die Bauwirtschaft ist ein Konjunkturbarometer. Sie alle wissen: Mit der Bauwirtschaft in unserem Land geht es seit über einem Jahrzehnt stetig bergab. Vom sogenannten Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre konnte das Bauwesen in Mecklenburg-Vorpommern nicht profitieren. Das lässt sich anhand einiger Eckdaten eindeutig belegen: Im Jahre 2000 arbeiteten mit 54.300 exakt doppelt so viele Beschäftigte im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe als 2007. Allein 2008 sind mindestens 1.000 Arbeitsplätze im Bauhauptgewerbe weggefallen. Der Winter tat sein Übriges, schätzungsweise 2.000 Bauleute wurden nach Hause geschickt.

Herr Schnell, Hauptgeschäftsführer des Bauverbandes Mecklenburg-Vorpommern brachte es auf den Punkt, Zitat: „Die Baufirmen in Mecklenburg-Vorpommern verloren seit 1995 mehr als zwei Drittel ihrer Beschäftigten.“ Im November 2008 setzte sich das Präsidium des Bauverbandes Mecklenburg-Vorpommern mit der bauwirtschaftlichen Situation auseinander. Die ernüchternde Bilanz: weiterer Rückgang von Auftragseingängen, weitere Umsatzeinbußen und immer weniger Beschäftigte.

Die Bauwirtschaft in unserem Land koppelt sich damit zum wiederholten Male vom Bundestrend ab. Während alle anderen neuen Bundesländer ein Umsatzplus von über drei Prozent zum Vorjahr registrieren, schließen wir mit rund zehn Prozent negativer Umsatzentwicklung ab. Aber das ist noch nicht alles. Dieser Umsatz wird zu einem Viertel gar nicht in unserem Land erwirtschaftet. Nein, unsere Bauarbeiter bauen in Hamburg, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. Das bedeutet, dass hier im Land extrem wenig gebaut wird. Der Bauverband bezeichnet dies als Raubbau an der Zukunft.

Herr Schnell meint, dass das Rettungspaket eine Chance sei, die verbliebenen 15.000 Arbeitsplätze im Bauhauptgewerbe zu sichern. Wenn das Geld aber erst im Herbst bei den Betrieben ankomme, könne es dafür zu spät sein. Übrigens: Der Städte- und Gemeindetag rechnet im Idealfall für den Sommer mit den ersten Auftragsvergaben.

Jetzt komme ich zum konkreten Inhalt meines Antrages, zum Punkt 1: Unser Land verfügt – wie eine Reihe anderer Bundesländer auch – über einen sogenannten Wertgrenzenerlass. Dieser regelt die Vergabe öffentlicher Aufträge mit geringem Auftragswert. Es ist eine Verwaltungsvorschrift, die vom Wirtschaftsministerium erlassen wurde und für die das Finanzministerium das Einvernehmen gegeben hat.

Der aktuelle Erlass vom April 2007 lässt beispielsweise für Bauleistungen eine freihändige Vergabe bei einem voraussichtlichen Auftragswert bis 30.000 Euro sowie eine beschränkte Vergabe bei einem voraussichtlichen Auftragswert bis 300.000 Euro jeweils ohne Mehrwertsteuer zu. Unser Bundesland geht also bereits recht moderat mit der freihändigen und beschränkten Vergabe um. Dieser Erlass gilt für die öffentlichen Auftraggeber. Das sind die Dienststellen des Landes, die Verwaltungen der Landkreise, der kreisfreien Städte, der Ämter und amtsfreien Gemeinden sowie die Zweckverbände und sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ohne einen solchen Erlass müsste gemäß der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, der Landeshaushalts- beziehungsweise der Gemeindehaushaltsverordnung die öffentliche Ausschreibung Vorrang haben und damit der Regelfall sein. Bei der freihändigen Vergabe werden von mindestens drei Firmen Angebote eingeholt. Ein förmliches Verfahren mit einzuhaltenden Fristen und Formalien wie bei einer öffentlichen Vergabe ist nicht notwendig.

Wenn die Wertgrenze für die freihändige Vergabe auf 100.000 Euro angehoben wird, könnte so eine Vielzahl von Bauaufträgen unbürokratisch und damit schnell ausgelöst werden. Vor allem können sie an die ortsansässigen Firmen vergeben werden. Diese Lockerung sollte jedoch nur für 2009 und für 2010 erfolgen, da die Gefahr von Wettbewerbsverzerrung und Vetternwirtschaft nicht ganz ausgeschlossen werden kann.

(Michael Andrejewski, NPD: Nicht ganz, ist gut.)

Jetzt zum Punkt 2 unseres Antrages. Seit einem Jahr kann der Abruf von Zuwendungen im Rahmen der Städtebauförderung erst dann beim Landesförderinstitut erfolgen, wenn vorgeprüfte Rechnungen oder bestätigte Zahlungsverpflichtungen vorliegen. Darüber hinaus wurde der Mindestabrufwert auf 20.000 Euro festgesetzt. So bestimmt es eine Verwaltungsvorschrift des Verkehrsministeriums: die zweite Änderung der Städtebauförderrichtlinien. Bis Ende 2007 durften Zuwendungen bereits abgerufen werden, wenn damit innerhalb von drei Monaten Rechnungen bezahlt werden sollten, mit anderen Worten, wenn die Bauarbeiten liefen und eine Rechnung in Aussicht stand. Im Interesse der Baufirmen fordere ich, dass diese Neuregelung umgehend zurückgenommen wird, denn Sie führte zu erheblichen Zeitverzögerungen in der Rechnungsbegleichung mit der Folge, dass die Liquidität der Handwerker weiter geschwächt wird.

Es liegt an Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, ob die Bauarbeiter heute das Signal erhalten: Die Politik hat verstanden. Solange kein neuer Wertgrenzenerlass veröf

fentlicht ist, ist der Punkt 1 unseres Antrages also auch nicht erledigt. – Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Lück.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schildt von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einige unserer Kollegen liegen heute im Bett. Sie haben es sich bequem gemacht, weil sie krank sind.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Deswegen werden wir auch namentliche Abstimmung beantragen. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ja, ja, das wird Ihnen auch nichts nutzen dabei. Ich werde sie also versuchen zu vertreten an dieser Stelle.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Der Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, Frau Lück, Ihr Antrag, wie Sie ja betonen, ich denke, das ist der Antrag Ihrer Fraktion,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist der Antrag von Frau Lück, den die Fraktion unterstützt.)

ist natürlich interessant, wenn man ihn separat betrachtet. Aber, meine Damen und Herren, wir haben gerade über einen Antrag der Koalitionsfraktionen diskutiert.

(Michael Roolf, FDP: Das war viel interessanter.)

Der war sehr interessant, Herr Roolf,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

und ich hätte mich gefreut, wenn wir da die Demokraten voll hinter uns hätten,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das hätte mich auch gefreut, genau das. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

dass wir wirklich abholen, was es an Vorschlägen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Demokratie ist keine Einbahnstraße, liebe Kollegin.)

an Ergänzungen gibt, und dann sagen: Ja, das tragen wir gemeinsam.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das hätte ich auch im Stimmverhalten so erwartet, sowohl bei Ihnen, Herr Roolf, als auch bei Ihnen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir sind kein Anhängsel der Koalition.)

Nicht alle konnten dem zustimmen, der eine oder andere hat sich enthalten, habe ich jedenfalls so gesehen.

(Michael Roolf, FDP: Sprechen Sie doch mal zum Antrag!)

Nun zu Ihrem Antrag. Er betrachtet Details dessen, was wir im vorhergehenden Antrag sicherlich nicht so fein formuliert, aber sinngemäß beschlossen haben, und das …

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau das wird kommen. – Helmut Holter, DIE LINKE: Da steht gar nichts davon! Da steht gar nichts davon! – Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht mal sinngemäß steht da was von Wert- grenzen drin. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Aber, Herr Holter, das ist nicht wahr. Sie haben ihn ja gar nicht gelesen,

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich, wir können Ihnen das mal vorlesen. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE – Glocke der Vizepräsidentin)

weil Sie es vom Grundsatz her nicht wollten. Haben Sie den Minister gehört in den Ausführungen? Haben Sie den Wirtschaftsminister gehört, haben Sie den Ministerpräsidenten gehört?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir reden über den Antrag, der vorliegt, und nicht über die Reden, die hier gehalten werden.)

Wir haben über dieses Thema gesprochen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da steht nichts drin im Antrag.)

Herr Ritter, wir haben darüber gesprochen,