Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Des Weiteren wollte Andrejewski wissen, ob die polnische Seite Kontakt mit Stellen des Landes Mecklenburg-Vorpommern aufgenommen hätte und ob die Stellen des Landes Mecklenburg-Vorpommern Kontakt zu Seiten der Polen aufgenommen hätten.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Lapidar heißt es dazu in der Antwort, dass der Landesregierung keine Erkenntnisse vorliegen würden. Das ist bezeichnend für die innere Haltung einer Regierung, die in ihrer Verachtung zum eigenen Volk gegenüber deutschen Kriegsopfern nur beschämende Ignoranz und blanken Hohn übrig hat. Sie, meine Damen und Herren, interessiert es einfach nicht, welche Umstände zum Massengrab in Swinemünde beitrugen. Dabei müssen Ihnen doch die Zeitzeugenberichte zu den Swinemünder Nachkriegsgräueltaten bekannt gewesen sein, die im Januar 2008 in der polnischen Gazeta Wyborcza unter dem Titel „Sie erschlugen die Deutschen aus Rache“ erstmals veröffentlicht wurde. In einem Aufruf – ebenfalls auf Polskaweb – heißt es:

(Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

„Wir hoffen, dass durch unseren Artikel sich irgendjemand in Deutschland regt und den wahrscheinlich unschuldigen Opfern eine würdigere Begräbnisstätte vermitteln kann.“ Irgendjemand hat sich diesem Unrecht angenommen, und zwar einzig und allein die NPD-Fraktion.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Dieses Unrechts! Dieses Unrechts! – Dr. Margret Seemann, SPD: Sie müssen mal Grammatik lernen, deutsche Grammatik!)

Ebenso heißt es in der Antwort zur erwähnten Kleinen Anfrage, dass für die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft im Ausland im Auftrag der Bundesregierung der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfür sorge e.V. zuständig ist.

(Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Verantwortliche Verbände, deutsche Kriegsopfer- und Vertriebenenorganisationen, unter anderem auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, wurden schon vor einem Jahr kontaktiert und über die Geschehnisse um das Swinemünder Massengrab informiert, doch ist bis zum heutigen Tage nichts passiert,

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

um den verscharrten Deutschen eine würdevolle Umbettung zu ermöglichen. Es unterblieb eine angemessene Reaktion. Das dramatische Schicksal um möglicherweise ermordete Deutsche in Swinemünde zur Nachkriegszeit rief bis zum heutigen Tage seitens der BRDOffiziellen überhaupt kein Echo hervor.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Damit verlieren sie nicht nur an Glaubwürdigkeit gegenüber den Hinterbliebenen, sondern beweisen einmal mehr, dass ihre Völkerverständigung aus bloßem Totschweigen besteht, zumal wenn es sich nur um deutsche Opfer handelt.

Die Enthüllung zum Swinemünder Massengrab begann mit einem Geständnis eines Täters. Ein heute 85-jähriger Pole und ehemaliger Angehöriger der polnischen Volksmiliz wurde 63 Jahre nach den Vorgängen in Swinemünde vom schlechten Gewissen geplagt

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

und kam in der bereits erwähnten polnischen Tageszeitung frei zu Wort. Seine Zeitzeugenberichte ließen mir den Atem stocken. Im Winter 45/46 kam es in Swinemünde vermehrt zu bestialischen Übergriffen polnischer Volksmilizen auf die dort ansässige deutsche Bevölkerung. Raubmord und Habgier waren an der Tagesordnung. Einige Deutsche wurden unter falschen Angaben von Gründen festgenommen und in dem lokalen Gefängniskomplex interniert, wo viele infolge von Unterernährung und ohne Aussicht auf ärztliche Hilfe einem langsamen, qualvollen Tod erlagen. Wiederum andere wurden auf offener Straße von entmenschten Milizen erschlagen oder so lange mit Hieben, Kolbenstößen und Tritten übersät, bis kein Funken Leben mehr in ihnen steckte. Als einfacher Grund reichte es aus, deutsch zu sein. Ein Entkommen war unmöglich.

Der harte Winter von 1945/46 ließ die Insel Wollin vom Festland her durch sich meterhoch auftürmende Eisplatten unzugänglich werden. Die sich noch im Gang befindliche Vertreibung der in Swinemünde zwischenstationierten Trecks zigtausender Deutscher musste unterbrochen werden. Es konnte während der Wintermonate kein Kontakt über die Swine und die Dwina zum Festland hergestellt werden. Der Terror der polnischen Miliz begann und steigerte sich zu einem entmenschten Hass auf alles Deutsche. Polnische Milizen schwangen sich zu Herren über Leben und Tod auf. Nach Kriegsende, nach dem Tag der sogenannten Befreiung, sprach der Tod polnisch.

Ich zitiere nun aus dem Zeitungsbericht, Zitat: „Der Deutsche Fritz Wergin wurde erst ausgeraubt, dann festgenommen und später heimlich auf dem Posten der Volksmiliz … ermordet“. „Er liess mich den Deutschen die Finger mit den Ringen abschneiden. … Man tötete Deutsche auf der Stelle, die man einfach unter irgend einem Vorwand angehalten hatte, danach wurden sie ausgeraubt und ihre Wohnungen und Häuser wurden bei der

,offiziellen‘ Hausdurchsuchung geplündert. Andere wurden einfach ins Gefängnis geworfen, meist junge Mädchen und Frauen auf das grausamste vergewaltigt, die man dann an Hunger und Krankheiten dahinsiechen liess.“ Allein am 5. Januar 1946 starben fünf Deutsche im Milizenarrest, „unter diesen ein 16-jähriges Mädchen, von … Milizmitgliedern vergewaltigt und dabei mit Syphilis angesteckt... Man tötete sie, da man keine Arzneimittel hatte. Ein anderer Deutscher hatte sich mit einer Polin gezankt und wurde dafür getötet, ein weiterer einfach an die Außengitter seiner Zelle aufgehängt.“ Zitatende.

Hiermit fällt ein ganz anderes Licht auf die polnischen Verwaltungsorgane im Umgang mit der zwangsweisen, im Fachjargon als Aussiedlung bezeichneten Vertreibung Deutscher aus ihrer Heimat. Die von mir dargelegten Zeugnisse polnischen Terrors bringen Ihre Pauschalisierungsformel – Deutsche gleich Täter, Polen gleich Opfer – ins Wanken. Fürchten Sie sich etwa davor? Besteht bei Ihnen die Angst vor weiteren Enthüllungen von Einzelheiten, die in ihrer ganzen Dimension von jedem Deutschen schwer zu begreifen sind? Diese Fragen zu Ihrem skandalösen und desinteressierten Verhalten kann ich mir selbst beantworten,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

denn der hauptsächliche Grund dafür ist und bleibt Ihre krankhafte Verachtung der deutschen Geschichte und somit dem deutschen Volk gegenüber.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

(Michael Andrejewski, NPD: Liebe Rote Armee! – Stefan Köster, NPD: Jetzt kommt der Menschenretter.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich möchte mich zu Beginn meiner Rede schon entschuldigen, dass ich im Verlauf meiner Rede einiges an Nazischrott zitieren muss. Das erscheint mir aber notwendig, um das wirkliche Denken und Tun der Rechtsextremisten hier im Parlament darzustellen.

(Michael Andrejewski, NPD: Erzählen Sie doch ein bisschen linken Schrott! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Ich möchte auch zu Beginn meines Redebeitrages noch einmal die Debatte aufgreifen zum Antrag der Fraktion der NPD „Israelische Kriegspolitik verurteilen“, nein, halt, das war die Debatte „Keine Verjährung für Sexualstraftaten“. In dieser Debatte hat sich Herr Lüssow ziemlich ahnungslos gestellt, nun, ich gebe zu, das fällt ihm nicht besonders schwer.

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Das kann er.)

Er hat sich ahnungslos gestellt, was die Angriffe der NPD auf unsere Kollegin Frau Dr. Seemann angeht.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Um die Lücken bei Herrn Lüssow und bei Herrn Köster zu schließen, gestatten Sie mir folgendes Zitat aus einer NPD-Pressemitteilung.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich zitiere: „In den vergangenen Tagen wurden die Bürger Wittenburgs über ein Flugblatt eingeladen, die Nationalisten zur kommenden Landtagssitzung zu begleiten.“ Ich unterbreche das Zitat. Wenn wir nach hinten schauen, hat offensichtlich niemand Lust, die Nazis aus Wittenburg heute hier zu begleiten. Ich zitiere weiter: „Die Wittenburger Nationalisten werden auch nach Schwerin fahren, um Frau Dr. Seemann (SPD) auf die Finger zu schauen,“

(Stefan Köster, NPD: Ist doch in Ordnung.)

„welche für den Wahlkreis im Landtag sitzt. Es werde sich zeigen, wie sie abstimmt, ob sie Krieg gut finde, ob sie weiterhin perversen Sextätern durch Verjährung Schutz gewähren möchte und ob ihr die Verbrechen gegen unsere Mütter und Väter gleich sind“, heißt es. Zitatende.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Pfui Teufel!)

Nein, es heißt noch weiter, ich zitiere wieder: „Nur wer genau hinschaut, erkennt die wahren Volksvertreter.“ Zitatende.

(Stefan Köster, NPD: Was für Angriffe! Heideidei!)

Nein, meine Herren von der NPD, nur wer genau hinschaut, erkennt die Volksverdummer.

(Zurufe von Birgit Schwebs, DIE LINKE, und Michael Andrejewski, NPD)

Sie zeigen mit diesem Flugblatt und diesen Ausfällen gegenüber unserer Landtagskollegin, wes Geistes Kind Sie sind.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Und diese Verunglimpfungen gegenüber Frau Dr. Seemann weise ich namens der demokratischen Fraktionen auf das Entschiedenste zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will in meinem Redebeitrag auch etwas über die Wechselwirkung von Ursache und Wirkung sagen und zu diesem Zwecke zu Beginn meiner Rede an einen anderen Jahrestag erinnern.

(Stefan Köster, NPD: Fangen Sie mit 1919 Oberschlesien an?)

In einem Beitrag im „Freitag“ vom 23. Januar heißt es, ich zitiere: „Es muss für die Bevölkerung Leningrads ein kaum vorstellbares Gefühl der Erleichterung gewesen sein, als sowjetische Truppen nach 900 Tagen den deutschen Belagerungsring um die Stadt endlich gesprengt hatten. Vor 65 Jahren, am 27. Januar 1944, endete damit die wohl größte Katastrophe, die eine Stadt im Zweiten Weltkrieg erleiden musste.“

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)