Sie ist aber durchaus auch noch finanziell schwierig. Herr Seidel, Sie haben von den Preisen gesprochen. Das ist ein Thema, das man sicherlich diskutieren muss. Aber
die Frage ist ja auch, ob diejenigen, die sich nach 1990, ob nun gleich in der ersten Hälfte der 90er-Jahre oder in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre, selbstständig gemacht haben, so viel erwirtschaften konnten, dass sie tatsächlich auch das Nötige angespart und angesammelt haben, um dann als Rentier, als Pensionär leben zu können. Oftmals, so kenne ich das, gestalten sich diese Übernahme- und Übergabeverhandlungen schwierig, weil der Abgebende, der Senior, gerne noch Anteile aus dem Unternehmen für seinen eigenen Lebensunterhalt beziehen möchte, gar nicht mal, weil er es möchte, sondern weil er es nötig hat, weil das, was er sich erarbeiten konnte in 15 oder in 10 Jahren, einfach nicht ausreicht.
Deswegen ist es richtig, es ist nicht nur das, was ich jetzt gerade beschrieben habe, sondern es gibt tatsächlich einen Strauß von Unterstützungsmöglichkeiten. Wichtig ist aber, und da sehe ich unsere Verantwortung als Politik, tatsächlich Lust aufs Loslassen zu machen, dass die Senioren tatsächlich bereit sind, auch abzugeben, und natürlich den Jüngeren Lust auf Übernahme zu machen. Normalerweise ist es ja so, dass ein Unternehmer an seinen Sohn oder an seine Tochter übergibt, möglicherweise auch schon an das Enkelkind, aber das ist jetzt zweitrangig, aber oftmals sind die Kinder nicht bereit, den väterlichen oder den mütterlichen Betrieb zu übernehmen.
Das heißt – und deswegen ist die Koordinierungsstelle vollkommen in Ordnung –, wir brauchen also Instrumente und Möglichkeiten, um anderen den Zugang zu einem solchen Familienbetrieb zu ermöglichen, und dann spielt wieder der Preis eine Rolle. Aber auch diesen Menschen müssen wir Lust auf die unternehmerische Selbstständigkeit machen, denn sie sehen ja, ob sie nun aus der Familie kommen oder von außen kommen, mit welchen Problemen sie ganz konkret konfrontiert sind. Und hier ist meines Erachtens gemeinschaftliches, gemeinsames Handeln notwendig. Und da schließe ich ausdrücklich die Banken mit ein. Nach dem Konjunkturrat in der vergangenen Woche hatte ich mit Mitgliedern des Rates gerade ein Gespräch dazu, dass die Banken Bedingungen formulieren, die es dem Junior unmöglich machen, einen solchen Schritt für eine Unternehmensübernahme tatsächlich zu realisieren.
Unternehmensübernahme halte ich für wichtig und von Bedeutung, weil es was mit Bestandspflege und Bestandssicherung vorhandener Unternehmen zu tun hat. Die Unternehmen haben in der Regel eine – wenn es um gewerbliche Unternehmen geht oder um landwirtschaftliche Unternehmen, aber auch andere Unternehmen, das können auch Rechtsanwaltskanzleien sein, was auch immer, die breite Palette – eingefahrene, eine ausprobierte Technologie. Es gibt in der Regel ein gutes Team. Sie haben die Zahlen vorgerechnet, Herr Seidel. Betriebswirtschaftlich sind die Unternehmen in der Regel gut aufgestellt. Sie haben ihre Partner und sie haben natürlich mit ihrem Produkt auch ihren Markt. Und das ist etwas anderes, als wenn ich mit einer neuen Idee, einer neuen Existenzgründung versuche, in den Markt hineinzukommen. Deswegen halten ich und meine
Fraktion dieses Thema der Unternehmensnachfolge für äußerst, äußerst wichtig, nicht nur wegen der Bestandspflege und -sicherung, sondern tatsächlich auch der Sicherung der Arbeitsplätze. Da gibt es vollkommene Übereinstimmung.
Wir brauchen eine Anleitung, ein Handbuch für diejenigen, die abgeben wollen, und für diejenigen, die übernehmen wollen.
Und dann, glaube ich, wird da auch ein Schuh draus. In diesem Sinne, meine ich, ja, das Thema ist wichtig, wir sollten das auch hier diskutieren und wir sollten auch das Pro und Kontra und die Tücken und die Chancen in diesem Bereich gemeinsam diskutieren und – wie ich schon sagte – möglichst viele motivieren, abzugeben, wenn sie das entsprechende Alter erreicht haben, aber auch noch mehr motivieren, bereit zu sein zu übernehmen. Aber Ihren Bericht, Frau Schildt, tut mir leid, den brauchen wir nicht. Den lehnen wir ab, Ihren Antrag. – Danke schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Unternehmensnachfolge nimmt stark an Bedeutung zu und steht deshalb heute völlig zu Recht im Fokus einer Landtagsdebatte. Viele Unternehmen stehen vor dem ungelösten Problem, altersbedingt die Übergabe regeln zu müssen, aber in der Tat keinen geeigneten Nachfolger zu finden. Allein in Mecklenburg-Vorpommern betrifft dies, der Minister sagte es, man weiß es nicht genau, aber etwa 4.000 bis 5.000 Unternehmen.
Und dabei geht es ja nicht immer nur um den Unternehmer selbst, sondern es geht eben um die beachtliche Zahl von Arbeitsplätzen, die dahinterstehen. Aus diesen genannten Gründen steht die Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Sicherung des Unternehmensbestandes fest im Fokus der Landespolitik. Eine wichtige Aufgabe kommt dabei der Unterstützung der Unternehmen und natürlich den potenziellen Nachfolgern auf dem Gebiet der Unternehmensnachfolge zu.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit den Kammern des Landes sowie der Bürgschaftsbank mit dem Projekt „Koordinierungsstelle Unternehmensnachfolge“ gegangen. Diese Stelle ist sowohl Ansprechpartner für Menschen, die ein geeignetes Unternehmen suchen, wie auch für Unternehmen, die sich auf eine Übergabe langfristig vorbereiten. Der Prozess der Begleitung wird nach einheitlichen Qualitätsstandards organisiert und so wird den Unternehmen bei der Realisierung dieses Prozesses der Unternehmensnachfolge die notwendige Unterstützung gegeben. Ein wesentliches Kriterium der Arbeit ist unter anderem die qualifizierte Zusammenarbeit mit den dafür infrage kommenden fachkompetenten Beratern
Dennoch haben Ihnen die Koalitionsfraktionen mit dem heutigen Tag einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Ziel ist es vor allen Dingen, weitere notwendige Schritte zur Verbesserung dieser Rahmenbedingungen in dem Hohen Hause zu beraten und darüber hinaus natürlich alle landesweiten Förderprogramme, Initiativen und Maßnahmen ressortübergreifend besser zu koordinieren.
Die Landesregierung arbeitet natürlich nicht allein auf weiter Flur, das wissen wir. Ich hatte die Kooperation mit den Kammern erwähnt. Die Industrie- und Handelskammer Schwerin beispielsweise leistet mit ihrem Angebot zum Mentoring für Unternehmensnachfolger ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Unternehmen, die ein Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern übernommen haben, können sich in der entscheidenden Phase unmittelbar vor und nach der Übernahme des neuen Unternehmens in einem persönlichen Mentoring durch professionelle Berater begleiten lassen. Das kostenfreie Pro gramm ist Teil einer europaweiten, durch die EU geförderten Initiative der Europäischen Kammerorganisation EUROCHAMBRES und wurde erst kürzlich verlängert. In der ersten Phase des Projektes haben zehn Neuunternehmer das Projekt angenommen und wertvolle Erkenntnisse daraus gewonnen.
Eine weitere Initiative ist die sogenannte nexxt-change, eine Gemeinschaftsinitiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und der Kreditanstalt für Wiederaufbau, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zur Unterstützung des Generationenwechsels in kleinen und mittleren Unternehmen. Die Initiative verknüpft lokale und regionale Vermittlungs- und Informationsangebote zum Thema Unternehmensnachfolge und entwickelt sie weiter. Sie hilft Existenzgründern, ein geeignetes Unternehmen zu finden, Unternehmen, einen geeigneten Nachfolger zu suchen und zu finden, und informiert bei der Vorbereitung und Gestaltung von Unternehmensübergabe und Unternehmensübernahme.
Um die Begleitung und Vermittlung im Bereich der Unternehmensnachfolge weiter zu verbessern, haben Ihnen die Koalitionsfraktionen diesen Antrag hier heute vorgelegt. Auch wenn man das Gefühl haben kann, wir seien hier in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt schon auf einem sehr guten Weg, bleibt bei diesem Thema noch sehr viel zu tun. Ich denke, mein Kollege Holter hat es sehr gut gesagt: Lust auf Abgeben ist das eine, aber ich glaube, Lust auf Übernahme ist wesentlich wichtiger, denn viele erleben es im Privaten, dass, wenn sie Kinder haben und sie mit Werten erziehen und auch mit Arbeit groß geworden sind, sie sich doch scheuen, diese Risiken eines Unternehmers einzugehen und zu übernehmen. Ich bitte Sie um Zustimmung zum vorgelegten Antrag. Nicken aus dem Bereich der LINKEN habe ich gerade erfahren. Das freut mich, dass wir wenigstens diese Stimme bekommen. –
Präsidium des Landtags! Abgeordnete der Regierungsfraktionen! Wie stellen Sie sich eine Unternehmensnachfolge vor? Kernaussage, Zitat: „Sowohl für den Übergeber als auch für den Nachfolger bietet die Unternehmensnachfolge große Zukunftschancen.“
Bürger des Landes! Dies ist die Sprache von Leuten, die Gesetze machen, aber nicht in der Welt leben, für die diese Gesetze bestimmt sind. Wie sieht denn das Unternehmerdasein in den meisten Fällen aus? Wer nicht gerade zu den Superreichen gehört, für den sich das Geld ohne eigenes Zutun vermehrt, oder zur Unterschicht zählt, die von Hartz IV oder von bescheidenen Löhnen leben muss, der ist möglicherweise ein sogenannter Mittelständler.
Schon zu Beginn einer eigenen wirtschaftlichen Existenz tun sich Abgründe auf. Kaum hat jemand sein Gewerbe angemeldet, dann kommen IHK und Berufsgenossenschaft und zwingen per Gesetz Abgaben, Versicherungen, Statistiken und jede Menge überflüssiger Bürokratie auf. Dann der Kniefall vor den Banken mit ihren unsäglichen Kreditbedingungen und ständigen Forderungen. Die meisten Unternehmer haben ein zu geringes Eigenvermögen, sie brauchen in Mecklenburg-Vorpommern oft mehr als 80 Prozent der Bilanzsumme Fremdvermögen in Form von Darlehen, ein Lehen, das abhängig und scheinselbstständig macht, wie einst den Bauern von seinem Lehnsherrn.
Diese moderne Form des Feudalismus ist eine noch raffiniertere Art der Ausbeutung als die kapitalistische Lohnsklaverei, denn während der Angestellte per Arbeitsvertrag seine Arbeitskraft, seine Subjektivität an den Dienstherrn zu vertraglich bestimmten Bedingungen verkauft und das ausführt, was dieser bestimmt, sind beliehene Unternehmer Menschen, die noch aus eigenem Antrieb handeln wollen. Sie kennen keine tarifliche Arbeitszeit, beuten sich freiwillig selbst aus, ohne sich von der Ausbeutung durch die Geldgeber, jenen modernen Lehnsherren unserer Tage, befreien zu können. Immer wenn ein bisschen Geld angespart ist, kommt die nächste Innovation, die nächste Absatzkrise oder die nächste gesetzliche Regelung, die einen Unternehmer um Jahre zurückwirft.
Für diese in die Lehnsknechtschaft getriebenen Unternehmer ist das Leben ein Laufrad, aus dem es zu Lebzeiten kein Entrinnen gibt. Und wer nicht mehr genügend rackern kann oder sich bei immer schnelleren Umdrehungen verhaspelt oder stolpert, der steht oft vor dem Nichts. Wer sein Haus für einen dringend benötigten Unternehmenskredit besichern muss, wird es verlieren. Jeder Unternehmer kennt Schicksale von anderen Standesgenossen, die gleich bei Hartz IV gelandet sind. Ein Jahr ALG-Schonfrist kennen Selbstständige, die bis zu 18 Stunden für ihr Unternehmen arbeiten, nicht. Sie stehen oft vor der täglichen Frage: Alles oder nichts? Und oft lautet das bittere Resultat ihres Lebens: Wir gaben alles für nichts! Wenn das Schicksal dann noch etwas übrig gelassen hat und sich vielleicht sogar ein geeigneter Nachfolger findet, der das Unternehmen weiterführen will, dann kommt der Staat und winkt mit der Erbschaftssteuer.
Übernimmt ein Erbe das Unternehmen, kann er sich von der Steuer befreien lassen, die das Eigenvermögen schmälert und ihn in die Hände der Banklehnsherren treibt. Aber die Art der Befreiung macht ihn zum Hintersassen gegenüber dem Staat. Das Lehnsverhältnis zum Gesetzgeber ist ein hartes Brot, der Preis des eigenen Handelns ist hoch. Zehn Jahre ist er an das Unternehmen gekettet. Gibt er seine Treueverpflichtung früher auf, etwa weil das Unternehmen nicht mehr im Wettbewerb bestehen kann, dann fordert das System auch noch die Erbschaftssteuer. Oder zwingt ihn eine über Jahre anhaltende weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die Zahl seiner überschaubaren Mitarbeiter zu reduzieren, um wenigstens die Existenz eines Kernbestandes aufrechtzuerhalten, dann erscheint am Ende der zehnjährigen Laufzeit der oberste Lehnsherr, der Staat, und fordert die Erbschaftssteuer, weil die zehnfache Lohnsumme – bezogen auf das Basisjahr vor der Übernahme – unterschritten wurde. Es bleibt dann nur noch die Unternehmensaufgabe oder die Flucht in die Zinsknechtschaft der Banken.
Im Bundesrat wurde das entsprechende Gesetz zu den neuen Erbschaftssteuerregelungen mit den Stimmen Mecklenburg-Vorpommerns gebilligt. Erwin Sellering stimmte damit für die Feudalisierung der Unternehmensnachfolge. Aber alles halb so schlimm. Gleichzeitig mit dem Gesetz zur Erbschaftssteuer nahm die „Koordinierungsstelle Unternehmensnachfolge“ mit ihrem Sitz in Malchow ihre Arbeit auf. Und schon, Sellerie, Sellera, Sellering, es wird alles gut. Scheint die Sonne noch so schön, einmal muss sie untergehn.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unternehmensnachfolge ist in der Tat eine der großen Herausforderungen, die in den nächsten Wochen und Monaten, will ich mal sagen, vor uns stehen und die wir auch zwingend annehmen müssen. Aber ich bin schon ein Stück weit verwundert über den Antrag, wie er hier vorliegt.
Liebe Kollegin Schildt, Sie haben so wunderschön von einem Blumenstrauß von Möglichkeiten, die es im Land gibt, gesprochen. Diese Blumen sind nicht vom Himmel gefallen. Diese Blumen haben sozialdemokratische Wirtschaftsminister in den letzten zehn Jahren ins Land gestreut, haben nicht überlegt, wohin sie was gestreut haben, haben sich nicht mal aufgeschrieben, was sie gestreut haben.
Und das System sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik war hier in Mecklenburg-Vorpommern, dass es kein System gab.
Und jetzt? Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen und keiner hier im Land, keiner in der Regierung weiß in der Tat wirklich, was haben wir denn an Instrumenten, Maßnahmen und Möglichkeiten überhaupt da, um das
Thema Unternehmensnachfolge abzuarbeiten. Da will ich dann versuchen, Ihnen ein Stück weit zu helfen, wie wir uns dieses Themas annehmen könnten.