Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

bei diesem ernsthaften Thema Ihre diskriminierenden Äußerungen zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die Menschen wissen eigentlich, warum man sich mit HIV infiziert, wie man sich dagegen schützt und wie schwerwiegend die Krankheit Aids ist. Dennoch halte ich es für unerlässlich, immer wieder und immer weiter aufzuklären. Aber, wie gesagt, mancher nimmt Aids inzwischen leider nicht mehr als tödliche Bedrohung, sondern als behandelbare, wenn auch chronische Krankheit wahr. Also müssen wir die zielgruppenspezifische Aufklärung ausbauen, und das haben wir getan.

Dabei darf es auch keine Tabus geben. Die Statistiken machen klar, dass wir vor allem Homosexuelle ansprechen müssen.

(Udo Pastörs, NPD: Da verbreitet sich das auch am meisten. Das ist etwas Widernatürliches.)

2004 haben wir damit begonnen, mit einem verbindlichen Rahmenplan das Thema HIV/Aids in die schulische Gesundheitserziehung einzubeziehen. Am 12. Dezem - ber 2007 hat der Landtag dann beschlossen, zielgruppenspezifische Leitlinien zu erarbeiten. Das Ziel ist klar: Die Prävention wird so gestärkt, dass die Zahl der Neuinfektionen in Mecklenburg-Vorpommern so weit wie möglich gedämpft wird.

Ich würde gerne einige der Akteure nennen, die sich mit großem Engagement um dieses wichtige Thema

kümmern. Der öffentliche Gesundheitsdienst berät die Bevölkerung, testet Männer und Frauen auf HIV, ohne an ihrer Anonymität zu rühren. Außerdem bietet er Erkrankten soziale oder psychologische Betreuung an. Die AIDS-Hilfen beraten die Bevölkerung in den Regionen. Sie haben außerdem traditionell einen guten Draht zu Homosexuellen, weil diese sie seit Jahren als wichtige Stütze anerkennen. Außerdem sind die AIDS-Hilfen oft aus szenenahen Vereinigungen hervorgegangen, in Westmecklenburg zum Beispiel aus dem Schwulen- und Lesbenzentrum. Homosexuelle stehen der staatlichen Institution Gesundheitsamt häufig reserviert gegenüber und deshalb ist es gut, dass wir auch andere Angebote haben.

Auch die AIDS-Hilfen kümmern sich um Erkrankte und deren Angehörige. Außerdem leisten sie wichtige Arbeit, was die Aufklärung betrifft, zum Beispiel an den Schulen. Das Mobile Aufklärungs-Team zu Sexualität und AIDS – kurz MAT – führt landesweit die Prävention und Sexual erziehung für die Allgemeinbevölkerung durch. MAT wendet sich vor allem an Kinder, Jugendliche, Behinderte und Häftlinge. Das Team schult Multiplikatoren, bildet die Mitarbeiter der Gesundheitsämter aus und koordiniert Projekte wie BORDERNET work. Es reicht bis in die polnische Woiwodschaft Westpommern hinein. MAT hilft, Prostituierte, Barbesitzer und Freier über das Virus aufzuklären. Aids macht schließlich nicht an der Grenze halt.

Abschließend sei mir gestattet, das Ministerium für Soziales und Gesundheit hier einzureihen. Wir versuchen zu helfen, indem wir strategische Ziele definieren. Zudem geben wir etwa 400.000 Euro für landesweite oder grenzüberschreitende Projekte aus, die vorrangig der Prävention dienen. Ich will an dieser Stelle auch nicht die Kommunen vergessen. Sie fördern neben den Aidsberatungsstellen, die an die Gesundheitsämter angedockt sind, auch Projekte freier Träger. Ich freue mich, dass sich das Angebot an Hilfe und Prävention so breit auffächert. Allein schon, weil die Leitlinien die Akteure aufzählen und benennen, helfen sie hier bei der Orientierung. Nur so ist es schließlich möglich, die verschiedenen Angebote sinnvoll miteinander zu vernetzen.

Sie alle hier im Plenum, auch alle im Zuschauerraum – ich freue mich besonders, dass auch junge Menschen dort sind –

(Toralf Schnur, FDP: Da freuen wir uns auch.)

und vor allem auch auf den Presseplätzen können dazu beitragen, dass sich der HI-Virus nicht ausbreitet. Dazu müssen wir vor allem eine ganz einfache Botschaft in die Welt tragen: „Kondome schützen gegen Aids!“ – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nicht verteufeln wie der Papst.)

Danke schön, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion DIE LINKE.

Werte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier im Parlament der Regierung den Auftrag übergeben, zeitgemäße Richtlinien zu erarbeiten für die Prävention und Aufklärung HIV und Aids. Wir haben festgestellt, dass es dringend

notwendig ist, dementsprechende Richtlinien zu erarbeiten, und demzufolge haben wir auch treu und brav gewartet, bis die Richtlinien uns vorliegen. Das heißt, sie sollten eigentlich schon Ende des letzten Jahres vorliegen. Es war 13 Monate Zeit, sie hier zu erarbeiten. Wir danken dafür, dass sie jetzt vorliegen, immer nach dem Motto: Gut Ding will Weile haben.

Wir haben festgestellt, und deshalb auch die Dringlichkeit dieser neuen Richtlinien, dass die Zahl der Neuinfektionen steigt. Wir hatten gleichzeitig festgestellt, dass die Zahl der Todesfälle sinkt und demzufolge die Festlegung getroffen wurde, Richtlinien müssen her, um neue Herangehensweisen, neue Ideen zu finden, um diesem Paradoxum entgegenzuarbeiten. Wie gesagt, 13 Monate war Zeit. Gut Ding will Weile haben. Allerdings müssen wir feststellen, dass die Weile zwar da war, aber ob es nun eine gute Qualität ist, in der die Richtlinien hier vor uns liegen, das muss noch betrachtet werden.

Ich will hinterfragen. Diese Hinterfragungen basieren auf vier ganz konkreten Punkten, nach denen ich die Richtlinie durchforstet habe, und demzufolge will ich anhand dieser vier Punkte hier auch meine Feststellungen machen.

Erstens frage ich, ob die Struktur des jetzigen hier vorliegenden Papiers unseren Wünschen für die Richtlinien entspricht. Im November des Jahres 2007 wurde der Auftrag erteilt für diese Landesrichtlinien, mit den dementsprechenden Unterpunkten. Frau Schwesig sagte schon, in welcher Art und Weise wir hier im Land mit HIV und Aids umzugehen haben und was wir zu akzeptieren haben. Wir haben also in diesem Papier erwartet Handlungshinweise und Empfehlungen, auch Zuordnungen, wer zu welchen Zielgruppen welche Kontakte hat und demzufolge auf welche Art und Weise arbeiten kann. Im vorliegenden Papier finden wir von diesen Strategien, Handlungshinweisen und Empfehlungen leider nur einige Dinge in Ansätzen. Wenn wir darauf gewartet haben, dass neue Ideen gebracht werden, warteten wir vergebens.

Außerdem ist die Einlaufkurve in diesem Papier sowieso recht lang. Uns liegt ein Papier vor von 21 Seiten. Und von diesen 21 Seiten beschäftigen sich nur 8 Seiten damit, was alles getan werden könnte, also nicht mal die Hälfte der Seiten. Daraus ziehe ich die Schlussfolgerung: Die Einlaufkurve ist viel zu lang. Die Dinge, die wir wirklich wissen wollen, wer, wann, wo, was macht, sind nicht konkret genug gefasst und als Handlungshinweis für die meist ehrenamtlich Agierenden in Vereinen und Verbänden fallen sie sehr dürftig aus.

Die zweite Frage: Sind die Zuständigkeiten eindeutig geregelt? Frau Schwesig hat schon darauf hingewiesen, dass es verschiedene Gremien gibt, die Zuständigkeiten haben. Aber gucken wir uns mal an, was für Zuständigkeiten sie haben. Da haben wir zuallererst das Gesundheitsamt. Wir lesen sehr eindeutig, dass das Gesundheitsamt dafür verantwortlich ist, Menschen, die sich mit HIV- und Aidsaufklärung beschäftigen, zu koordinieren. Insbesondere ist gesagt worden, dass diese Koordinierungen landesweit zu machen sind, dass vor allen Dingen die Vernetzungen einen großen Stellenwert haben. Wichtig wäre gewesen, auch zu verankern, wer denn kontrolliert, dass das Ziel der Aidsprävention, der HIV-Aufklärung auch erreicht wird. Davon lesen wir nichts.

Als Nächstes haben wir die Mobilen Aufklärungsteams. Auch bei den Mobilen Aufklärungsteams lesen wir, dass

sie koordinieren sollen, und zwar sollen sie koordinieren Projekte, Maßnahmen, die im Zusammenhang mit Aufklärungsstrategien Aids/HIV gewährleistet werden sollen, damit diese Aufgaben sich auch nicht überschneiden. Als Nächstes haben wir den von Frau Schwesig schon benannten Koordinierungskreis, der mithilfe des Sozialministeriums aus der Taufe gehoben wurde. Es wird auch noch ganz klar und deutlich erklärt, auf welche Weise und mit wem vor allen Dingen der Landeskoordinierungsrat arbeitet. Und was lesen wir? Er soll koordinieren und vernetzen.

Eine Gefahr besteht. Wenn wir allein drei Gremien haben, die koordinieren sollen und vernetzen, fragen wir uns: Wer koordiniert denn letztendlich was? Wer kontrolliert, wo, wie und was koordiniert wird? Und wer macht denn eigentlich noch die Arbeit vor Ort? Uns ist völlig klar, dass selbstverständlich Koordinierungen und Vernetzungen gemacht werden müssen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Uns ist gleichzeitig klar, dass Koordinierungen durch Personal besetzt werden müssen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Uns ist auch klar, dass dazu Personal gebraucht wird. Aber auf diese Art und Weise schwammig darzustellen, wer alles rumkoordiniert und wer dann für welche Arbeiten noch zu gebrauchen ist, das, denke ich, ist nicht effektiv. Das ist nicht nach vorn weisend und das ist auf gar keinen Fall das, was wir haben wollten, nämlich Handlungshinweise.

(Udo Pastörs, NPD: Brauchen Sie auch nicht. Hauptsache, es hört sich gut an.)

Das zu der Problematik.

Die dritte Frage: Sind die Richtlinien für die Zielgruppen wirklich so erfasst beziehungsweise die Zielgruppen so erfasst, wie sie sich bei uns im Land MecklenburgVorpommern darstellen? In der Regel werden Auflistungen von Zielgruppen vorgenommen entweder nach bestimmten Merkmalen und dann die Reihenfolge festgelegt oder ganz simpel nach dem Alphabet. Wenn wir uns hier die Auflistung der Zielgruppen ansehen, stellen wir fest, beide wissenschaftlich untermauerten Arten und Weisen sind nicht gemacht worden. Nun könnte es ja durchaus sein, dass das Sozialministerium beziehungsweise die Bearbeitenden eine bessere Variante gefunden haben. Ich konnte allerdings den Punkt der besseren Variante nicht finden.

Als Allererstes wird genannt die Zielgruppe der Allgemeinbevölkerung. Ich gebe zu, diese Zielgruppe kannte ich bisher nicht, und ich fand mich da mit dem Duden auch in Einheit. Der findet diese Zielgruppe auch nicht. Und wenn ich den ganzen Punkt 4 durchsehe und recherchiere, wer von den neben der Allgemeinbevölkerung Genannten noch übrig bleibt, stelle ich fest, die Allgemeinbevölkerung sind dann die Sextouristen und die jungen Alten über 50. Alle anderen Gruppen Menschen in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise in Deutschland haben nämlich eine danebenstehende Extrabezeichnung ihrer Zielgruppe, sprich Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, dann sogar Prostituierte, Freier. Dann haben wir die Zielgruppe der, wie gesagt, Allgemeinbevölkerung, Sextouristen und junge Alte. Und dann haben wir noch die Zielgruppe der homosexuellen Männer, hier dargestellt mit Männern, die Sex mit Männern haben, MSM. Ich hoffe, niemand verspricht sich dabei. Anders haben wir es aber nicht.

Und nun gucken wir uns doch mal an, wie statistisch erklärt ist, wo am meisten Aufklärung gebraucht wird. Wenn ich von der Allgemeinbevölkerung ausgehe, wo da die Sextouristen übrig bleiben und die jungen Alten, muss ich feststellen, Sextourismus ist ein bisschen hin und her dargestellt. In einem Satz finden wir, dass Sextourismus das Risiko der Erkrankungen erhöht und deswegen wirklich ein Risiko ist. Im nächsten Satz finden wir, dass Sextourismus auch die Sensibilität erhöhen kann und demzufolge wir das alles dann auf eine Art und Weise sehen müssen, anders nicht.

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist Multikulti.)

Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Minute.

Wenn es um die jungen Alten geht, wird es ganz merkwürdig. Auf der einen Seite könnten wir jungen Alten, also die Menschen über 50, ich gehe mal davon aus, sehr viele hier im Saal, uns ja echt gelobt fühlen, wenn uns Sexualität in hohem Maße zugestanden wird.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dass uns auch noch Sextourismus zugestanden wird, ist ja auch in Ordnung.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber dass die Menschen über 50 diejenigen sind, die vermehrt wechselnden Sex haben, das, glaube ich, ist aus keiner Statistik zu erfinden und rauszulesen, und demzufolge glaube ich nicht, dass diese Gruppe Menschen an den Anfang der zielgruppenorientierten Maßnahmen gehört. Das ist für mich verfehlt.

Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine knappe Minute Redezeit.

So ziehen sich leider die Darstellungen kreuz und quer durch das 21-seitige Papier, sodass ich im Endeffekt sagen muss als Fazit: Die Aufgabe, die wir als Landtag der Landesregierung, sprich dem Sozialministerium, gegeben hatten, ist nicht erfüllt. Wir wollten Handlungshinweise, Maßnahmen und so weiter und so fort, um der Ausbreitung von HIV und Aids hier im Land Mecklenburg-Vorpommern Einhalt zu gebieten. Neue Ideen, ganz wichtig in Hinsicht von homosexuellen Männern als meist aufgeklärte Menschen und Zielgruppe, haben wir hier im Papier gar nicht, denn die Dinge, die im Moment gemacht werden, scheinen ja nicht zu funktionieren.

Und wir müssen als Fazit feststellen als Fraktion DIE LINKE: Wir weisen das Papier zurück. Es besagt nicht das, was es eigentlich besagen sollte. Unterstützt wird unsere Meinung noch von der uns allen zugegangenen Stellungnahme der Ärztekammer, die darauf hinweist, dass ihre zahlreichen Hinweise und Handlungsrahmen nicht beachtet worden sind, von der medizinischen Seite nichts dargestellt wurde. Wir finden, vielleicht eine Grundlage kann das Papier sein, aber nicht das, was wir wollten.

Ihre Redezeit ist ausgeschöpft, Frau Abgeordnete.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Müller.