Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

„Schwerin hat eine Pyramide versenkt“ – „Nordkurier“ vom 14. März 2009.

„Für den ‚Sensationsfund‘ gab es keinen Platz … es habe nach dem Fund 2002 aber einen langen Briefwechsel über Lagerungs- und Konservierungsmöglichkeiten gegeben, der wegen seiner Wichtigkeit auch dem Landes-Finanz- und Kulturministerium in Kopie übersandt worden sei. Die Ministerien seien ‚umfassend informiert‘ gewesen … Die Details, die bisher kursie

ren, sind um so haarsträubender. … Es sei auch eigens eine Gefriertrocknungsanlage zur weiteren Bearbeitung des sensiblen Fundes besorgt worden – doch habe man keinen Platz gehabt, diese aufzustellen. Den dafür eigentlich anvisierten Raum habe nämlich das Finanzamt Schwerin beansprucht – als Lager für Büromöbel.“

(Michael Andrejewski, NPD: Das war natürlich wichtiger.)

„Inzwischen … habe man die Anlage dem Nachbarland Brandenburg ausgeliehen.“ – „Neues Deutschland“ vom 19.03.2009.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

„Welterbebeirat ist erschüttert … Das, was von den historischen Booten noch erhalten wäre, glich nicht mehr als ‚Asche, die man aus dem Ofen holt. Wir sind zutiefst erschüttert und erschrocken‘, resümierte der Beiratschef.“ – „Ostsee-Zeitung Stralsunder Zeitung“ von heute.

Meine Damen und Herren, diese Überschriften aus regionalen Tageszeitungen und entsprechende Textpassagen muss ich nicht weiter kommentieren. Eines möchte ich jedoch ergänzen. Ich habe den Eindruck, dass – obwohl alle Experten wussten, welch einen historisch wertvollen Schatz sie da vor sich hatten – der Verfall der Stralsunder Einbäume durch Vernachlässigung verursacht wurde. Sanierung und Konservierung der Bootsteile sind nicht wegen mangelnden Geldes gescheitert, so meine Informationen. Wer wann und warum geschlampt hat, muss ermittelt werden. Ebenso muss ermittelt werden, wer mit welcher Aufgabe überfordert oder vielleicht auch allein gelassen wurde. Wir wissen auch nicht, wer möglicherweise half, das Versagen anderer möglichst lange unter dem Deckel zu halten. Und eben, weil wir dies nicht wissen, ist es wichtig und war es richtig, dass die Landesregierung die Einsetzung einer unabhängigen Expertengruppe zur Untersuchung der Vorgänge um die Stralsunder Einbäume und die Landesregierung so schnell realisiert hat.

Ich denke, eine schnelle und umfassende Aufklärung ist angesichts des entstandenen kulturhistorischen Schadens unumgänglich. Ich gehe davon aus, dass die Expertengruppe nicht nur ermittelt, wie es nun zu diesem offensichtlichen Versagen mehrerer Verwaltungsebenen kommen konnte, sondern auch einen Hinweis darauf gibt, wie sich derartige Vorkommnisse in Zukunft vermeiden lassen. Insofern ist das schnelle Handeln der Landesregierung zu begrüßen, die mit dem Einsatz der Expertengruppe zur zeitnahen, lückenlosen Aufklärung des Vorgangs beitragen wird.

Gespräche mit Archäologen und Konservatoren und Bedenken von Fachleuten in den Medien wie zum Beispiel erst gestern vom ehemaligen Leiter des Museums für Unterwasserarchäologie in Sassnitz veranlassen mich, konkrete Forderungen aufzumachen und den Fokus nicht allein auf Stralsund zu richten, auch wenn ich als Regionaler diesbezüglich besonders betroffen, besonders schockiert bin. Aber es ist eben auch deshalb zu untersuchen, wie es anderen bedeutenden maritimen nassholzkonservierten Funden geht. Ich denke da insbesondere an die Gellenkogge, an die Poeler Kogge und an die Ralswieker Fischerboote. Ich erwarte Handlungsempfehlungen, wie alle, und ich betone, alle Bodenfunde sicherer bewahrt werden können, und auch dazu, wie die Rahmenbedingungen für die Arbeit in den verantwortlichen Fachbehörden verbessert werden können.

Einzelprüfungen, Gesamtschau und Schlussfolgerungen überlasse ich selbstverständlich der unabhängigen Expertengruppe. Dazu ist sie schließlich eingerichtet worden.

Ihr Antrag ist überflüssig. Wir lehnen ihn ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Vierkant.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Abgeordnete des Landtags! Was soll man von einer Expertenkommission halten, bei der ein Mitglied bereits wieder zurückgetreten ist und die Landesregierung noch nicht einmal einen Fachexperten für diese Kommission benannt hat, was Restauration betrifft, sondern lediglich Verwaltungsjuristen?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das kommt alles noch, Herr Borrmann. Das kommt alles noch.)

Seinen Anfang, denken wir, nahm das Unheil bereits ein Jahrzehnt, bevor die eiszeitlichen Bäume gehoben wurden. Und es nahm genau da seinen Anfang, wo es heute einem Bumerang gleich wieder eingeschlagen hat: im herzoglichen Residenzschloss zu Schwerin. Um das Jahr 1992 musste das Museum für Vor- und Frühgeschichte dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern weichen. Es wurde faktisch aufgelöst. Zwar sind die Bestände noch vorhanden oder ausgelagert, aber ohne Präsenzausstellung war es für die Öffentlichkeit nicht mehr existent. Die Mitarbeiterstellen, insbesondere Restauratoren, wurden nach Pensionierung oder Weggang nicht mehr besetzt und abgebaut, die arbeitsfähigen Strukturen wurden in den Organismus des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege überführt.

Die Arbeits- und Funktionsweise dieses Landesamtes ist mit der eines Museums überhaupt nicht zu vergleichen. Es hat überwiegend Verwaltungs- und Kontrollfunktionen, ist also mit einer auf Öffentlichkeit hin orientierten Ausstellung als Endzweck seines Wirkens und der sich daraus ergebenden Sammlung, Klassifizierung, Konservierung, Eingruppierung in Präsentationen, Veröffentlichungen, Dokumentationen und so weiter gar nicht befasst.

Dieses strukturelle Problem eines nur virtuell vorhandenen Museums ist auch den drei Einbäumen zum Verhängnis geworden. Dies ist nur die Spitze eines riesigen Eisbergs von archäologischen Fundstücken, die vom Landesamt aufgesogen werden und darin versinken wie in einem schwarzen Loch des Universums. Jeder, der mit der Konservierung von Nasshölzern befasst ist,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie Sie, Herr Borrmann.)

weiß, dass Hölzer, die über lange Zeit in feuchten Medien wie Meerwasser, Schlick oder Süßwasser lagern, quasi konserviert werden. Das heißt nicht, dass bestimmte Abbauvorgänge nicht weiter voranschreiten. Im Gegensatz zum Holzbestandteil Lignin wird die Zellulose weiter abgebaut, allerdings sehr viel langsamer. Die Holzstruktur wird so verändert, dass eine luftgetrocknete Konservierung nach der Bergung meist ausgeschlossen ist. Bei der Lufttrocknung dieser Hölzer kommt es durch die große Oberflächenspannung des verdunstenden Wassers und der bereits abgebauten Zellulose zum Zerdrücken

der fragilen Zellwände, etwa so, als wenn man eine PEKunststoffflasche in einem Atemzug leer trinken würde. Wenn Millionen von Zellen zerquetscht werden, beginnt das Material zu zerfallen und zerbröselt bei der kleinsten Berührung. Zum Zweiten wird damit eine Konservierung mit Polyäthylenglykol oder Zucker beziehungsweise 80-prozentigem Zuckersirup verhindert, weil die Lufteinschlüsse eine Diffusion im Holz vereiteln.

Die plötzliche Veränderung von Umweltbedingungen wie etwa nach Bergung kann also diesen natürlichen Erhaltungsprozess jäh abbrechen und ein rascher, unumkehrbarer Zerfallsprozess setzt ein, genauso, wie es bei diesen Booten geschehen ist. Deshalb muss nach der Bergung rasch gehandelt werden. Die Lagerungsbedingungen sind möglichst so zu gestalten, dass sie den bisherigen gleichkommen und eine abschließende Endkonservierung möglich bleibt.

Es ist bezeichnend, dass die Stadtvertreter von Stralsund sich öffentlich darüber beklagen, dass sie keine Kenntnisse darüber haben, was mit Abertausenden von Fundstücken aus ihrer Stadt geschehen ist. Es spricht für die chaotischen Zustände auf dem Gebiet der Kultur, dass die Regierung und ihre Behörden diese Klagen nicht kennen wollen. Das Landesamt ist eine Festung, deren Wirkung nicht auf, sondern gegen die Öffentlichkeit gerichtet ist. Schon die Geschichten über die Geschichte der Einbäume seit der Bergung im Jahre 2002 sprechen Bände für den antidemokratischen Charakter der zuständigen Landesverwaltung und der vorstehenden Regierung, die das Scheitern dieses Parteiensystems verschleiern wollen. Doch der Ruf des Landes ist durch das Versagen der Ringstorff-Sellering-Regierung bereits unwiderruflich zerstört.

Ernst Schliemann, ein Nachfahre des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann, gibt zur Kenntnis: „Mein Gott, in dem Depot ist der Teil der Decke eingestürzt. Spätestens da hätte der Landeskonservator doch hellhörig werden müssen.“ „Wir erzählen den Russen jetzt seit zwei Jahrzehnten, dass sie mit ihren Kunstschätzen nicht vernünftig umgehen können.“ Zitatende. Schliemann äußerte seine Zweifel an der Rückführung der russischen Beutekunst. Nun sei die wichtigste Argumentation weggefallen. Schliemann weiter: „Ich würde einen touristischen Wert angeben. In das Stockholmer WasaMuseum kommen jährlich 3,2 Millionen Besucher. Dort wird ein 500 Jahre altes Schiff ausgestellt. Nun können wir uns ausrechnen, was ein 7000 Jahre altes Schiff wert ist.“ Das ist etwa so, als hätten die Ägypter ihre eigenen Pyramiden gesprengt.

Haben Sie noch Zweifel, werte Landesregierung, dass Ihnen eines Tages der ganze Regierungsladen um die Ohren fliegt?

Wir beantragen namentliche Abstimmung unseres Antrages.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, es wurde soeben namentliche Abstimmung beantragt. Wir bereiten das kurz vor und werden dann gleich mit der namentlichen Abstimmung beginnen.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der NPD hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Tagesordnungspunkt 22, Antrag der NPD-Fraktion „Lückenlose Aufklärung zum Verfall von archäologischen Kulturschätzen“ auf der Drucksache 5/2370 eine namentliche Abstimmung beantragt.

Meine Damen und Herren, wir beginnen mit der Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Präsidium namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben.

Ich bitte den Schriftführer, die Namen aufzurufen.

(Die namentliche Abstimmung wird durchgeführt.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat?

(Die Abgeordneten Dr. Till Backhaus und Rudolf Borchert werden nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir unterbrechen die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 16.39 Uhr

Wiederbeginn: 16.40 Uhr

Meine Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich gebe das Ergebnis bekannt.

An der Abstimmung haben insgesamt 57 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 6 Abgeordnete, mit Nein stimmten 51 Abgeordnete, es enthielten sich keine Abgeordneten. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/2370 abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Frauengesundheit fördern – für eine geschlechtsspezifische Tabakprävention, Drucksache 5/2378. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2420 vor.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD: Frauengesundheit fördern – für eine geschlechtsspezifische Tabakprävention – Drucksache 5/2378 –

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/2420 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schlupp von der Fraktion der CDU.

(Michael Roolf, FDP: Toi, toi, toi! Wir sind bei Ihnen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während der Trend zum Rauchen bei Männern eher rückläufig ist, hält er beim weiblichen Geschlecht ungebrochen an.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Weltweit rauchen 12 Prozent aller Frauen. Betrachtet man ausschließlich die Frauen in den Industrieländern, erhöht sich die Anzahl der Raucherinnen auf 24 Prozent. Diese Zahl spiegelt auch in etwa die Situation in Deutschland wider. Seit 1991/92 beträgt die Zahl der Raucherinnen in den alten Bundesländern konstant 28 Prozent. Anders verlief die Entwicklung in den neuen Bundesländern, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern. Hier stieg die Zahl der Raucherinnen zwischen 1991/92 und

1999 von 21 auf 29 Prozent. Mit 47 Prozent ist der Anteil junger Raucherinnen, gemeint sind damit die 12- bis 25-Jährigen, in den neuen Bundesländern besonders hoch.