Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das macht doch der FDP nichts aus.)

dann, glaube ich, ist das eine liberalere Einstellung als Ihre Forderung, sozusagen da massiv von oben ordnungspolitisch reinzugrätschen und zu sagen, wir ziehen das an uns. Das kann es mit uns nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Danke, Herr Minister.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2363 zur federführenden Beratung an den Verkehrsausschuss sowie zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, FDP und NPD sowie Ablehnung der Fraktionen der SPD und CDU abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung, nein Verzeihung, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22 …

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da geht es um die Überweisung zunächst, Herr Präsident.)

Ach so, dann war es doch richtig.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2363 in der Sache. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP auf

Drucksache 5/2363 bei Zustimmung der Fraktion der FDP sowie Ablehnung der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Lückenlose Aufklärung zum Verfall von archäologischen Kulturschätzen, Drucksache 5/2370.

Antrag der Fraktion der NPD: Lückenlose Aufklärung zum Verfall von archäologischen Kulturschätzen – Drucksache 5/2370 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Abgeordnete des Landtags! Bürger des Landes! Im Jahre 2009 begeht Stralsund sein 775-jähriges Stadtrecht. Dr. Grüger, Leiter des Kulturhistorischen Museums der Stadt, beabsichtigte eine Ausstellung zur Bronzezeit. Die drei in der Stadt gefundenen Einbäume, die zu den ältesten ihrer Art in Europa zählen, sollten im Zentrum dieser Exposition stehen und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.

Mitte März dieses Jahres erfuhr dann die völlig überraschte Öffentlichkeit, dass sie jahrelang über den Zustand dieser historisch einmaligen Kostbarkeiten getäuscht worden war und die über 7.000 Jahre alten Zeugen aus der Vorgeschichte unrettbar verloren sein könnten. Wir Nationaldemokraten sagen offen: Eine Regierung,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

eine Regierung, die das Verrotten der drei Einbäume, den Verfall dieser archäologischen Kulturschätze zu verantworten hat, muss das Volk in die Wüste schicken.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ah ja!)

Wir meinen dies nicht im übertragenen Sinne, sondern wörtlich. Das ganze Kabinett gehört in einen Flieger gesetzt und in der Sahara ausgesetzt zu einem Fußmarsch zur nächsten Oase.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Schon bald, Bürger des Landes, würden dem Minister und ihrem Präsidenten nur noch ein Wort über die Lippen kommen: Wasser! Wie unsere Regierung in der Wüste, so haben auch die bei Stralsund gefundenen drei Einbäume seit Jahren nur einen Schrei ausgerufen: Wasser! Doch niemand in dieser verantwortungslosen Landesregierung hörte sie.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Jetzt sind sie verstorben, die Wüstenei dieses Systems hat sie verdorren und verderben lassen. Was soll man auch von dem zuständigen Minister Tesch halten, der in der Fragestunde dieses Parlaments trotz einwöchiger Vorbereitung noch nicht einmal sagen kann, in wessen Eigentum sich die Urzeitboote oder das, was von ihnen übrig ist, befindet und wer im Fall ihres Untergangs die finanzielle, strafrechtliche und politische Verantwortung übernimmt. Minister Tesch erklärte kürzlich, er habe entschieden, Zitat, „dass Schluss damit ist, dass das unter den Teppich gekehrt wird“. Heißt das, dass im Hause Tesch bis Anfang März 2009 die Teppichkehrer das Kommando hatten? Der Minister sagte: „Kein Mensch freut sich, wenn er so ein Erbe antreten muss.“ Immerhin haben Sie, Herr Tesch, zweieinhalb Jahre ganz

gut mit diesem Erbe gelebt, ohne je gemerkt zu haben, was für ein Schutt sich unter Ihrem Ministerteppich befindet.

Die „Ostsee-Zeitung“ behauptet in ihrer Ausgabe vom 19. März 2009, das „Landesamt wusste alles“. Schon wenige Monate nach dem Fund schreibt der amtierende Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, Professor Friedrich Lüth, in einem Brief vom 5. Juni 2002 an das Kultusministerium, Zitat: „Abschließend darf ich Sie an die Dringlichkeit der Angelegenheit erinnern. Die Einbäume beginnen zu zerfallen!“ Schon fünf Wochen später heißt es am 16. Juli 2002 bei Lüth: „Die sensationellen Funde (…) sind allmählich in einen erbärmlichen Zustand geraten. Wenn nicht bald Abhilfe geschaffen wird, werden diese Funde nicht mehr zu konservieren sein.“ Zitatende.

Nach den Lüth-Briefen vom Juni und Juli 2002 an das Kultusministerium geschah nichts. Ein Blick auf den Kalender sagt auch, warum: 2002 wird ein neuer Landtag gewählt. Der zuständige Kultusminister Peter Kauffold, SPD, ein Experte auf dem Gebiet für Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere, sitzt bereits auf gepackten Koffern und freut sich auf den Ruhestand. Immerhin warnt Kauffold noch am 20. August 2002, quasi schon aus dem ministrablen Jenseits und mitten in der Urlaubszeit, vor – Zitat – einer „akuten Gefährdung der Substanz der Einbäume“. Sein Nachfolger, Professor Hans-Robert Metelmann, ist auch kein Freund von Einbäumen. Der Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

(Zuruf von Sebastian Ratjen, FDP)

sowie plastischen Operationen lehrte bereits als Visiting Professor an der University of Alabama in Birmingham, später an der Uni Greifswald. Als hoch dekorierter Zahnklempner war er für eine Rettung dieser und anderer archäologischer Kostbarkeiten eine komplette Fehlbesetzung.

(Zuruf von Sebastian Ratjen, FDP)

Herr Borrmann, ich weise Sie darauf hin, dass auch solche Verunglimpfungen hier gegen ganze Berufsstände nicht zulässig sind. Ich erlasse einen Ordnungsruf.

Das muss wohl auch Lüth nach zwei Jahren entnervt eingesehen haben, denn er stellte nach OZ-Angaben seine dramatisch verzweifelten Appelle an das Ministerium ein. Immerhin hatte Professor Lüth noch seine an der Wismarer Hochschule dozierende Kollegin, Professorin Claudia von Laar, ersucht zu „retten, was noch zu retten ist“. Aber leider scheiterte auch dieser Versuch – die angeblich fehlenden Finanzen, nun ja! Einbäume sind schließlich im Kampf gegen Rechts völlig ungeeignet, sollte man meinen, sonst hätte Ministerin Keler sicher ein paar Hunderttausend Euronen abgezwackt.

Vielleicht wäre es genauso zum Fenster hinausgeschmissen gewesen wie im Kampf gegen die NPD? Mitnichten. Das Land erwarb für 60.000 Euro eine Anlage zur Gefriertrocknung von Einbäumen. Erst eine Miete von 115 Euro pro Jahr brachte Prüfer des Landesrechnungshofs auf die Spur, doch für die Anlage fand sich kein Platz, behaupten die Verantwortlichen des Landesamtes. Bauminister Schlotmann – auch nicht da –, Bauminister Schlotmann wies diese Vorwürfe zurück und teilte mit, dass nie dazu ein Antrag gestellt worden sei.

Inzwischen soll die Anlage nach Brandenburg ausgeliehen worden sein und dort ihre Dienste tun. Dr. Michael Bednorz, heute Chef des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege, sagte – Zitat – bereits „2004 war der ursprüngliche Wert unrettbar verloren“. Zitatende. Diesen Schandfleck will Professor Dr. Lüth, bis 2006 Leiter des Landesamtes für Bodendenkmalpflege, nicht auf seiner weißen Weste belassen. Schließlich ist er heute Direktor des renommierten Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Frankfurt am Main. Er betont, die Einbäume seien „bis zur Einrichtung des neuen Landesamtes Ende 2005 … ungefährdet gewesen“. Ist Lüth nun ein Lügenbaron vom Schlage eines Münchhausen?

Die kostbaren, ja einzigartigen Boote lagerten in einer baufälligen Halle in der Schweriner Stelling-Straße, die auch noch dazu einstürzte und die Überreste weiter beschädigt haben oder gar in Stücke geschlagen haben soll. Dies bestreitet Professor Lüth vehement. Die Einbäume lagen unter Eisenwannen verpackt in Plastikfolie. Lüth meint sogar, die Einbäume sind möglicherweise sogar noch zu restaurieren, obwohl Minister Tesch nach Zeitungsmeldungen im Kabinett die gegenteilige Auffassung vertritt.

Nach dem Einsturz des baufälligen Depots am 28. April 2004 ist die Bewässerung der Einbäume eingestellt worden. Das Abschalten dieser Herz-LungenMaschine war das Todesurteil für die todkranken Patienten aus der Vorzeit. Vielleicht kann sich ein Münchhausen am eigenen Zopf aus dem Wasser ziehen, aber wie sollen die Überreste von Booten, die bereits durch Austrocknung um 25 Prozent geschrumpft sind und deren Transportfähigkeit ausgeschlossen ist, unter Anleitung von Professor Lüth zusammengeklebt werden?

Noch andere Fragen dämmern dem Zweifler herauf: Warum werden trotz der großen Platznot archäologische Kostbarkeiten aus anderen Bundesländern konserviert? Stimmt es, dass hölzerne Überreste einer „mittelalterlichen Burganlage aus Hessen“ und „Reste eines 600 Jahre alten Einbaums aus Sachsen-Anhalt“ noch immer in den Schweriner Konservierungstanks lagern, während „gleich nebenan … in der maroden Halle die Stralsunder Steinzeit-Einbäume“ zerbröseln? Ist es richtig, dass noch vor drei Wochen die zerfallenen Holzreste mit der Folie von der Bergung umwickelt waren und ein Mitarbeiter wahrhaftig berichten konnte: „Die wurden einfach nur auf den Boden gelegt und liegen gelassen“, Zitatende?

Warum ist die Landespolitik dazu übergegangen, die im Laufe der Jahre eingesammelten archäologischen Funde überwiegend durch ABM-Kräfte pflegen zu lassen und nicht durch ausgebildete Restauratoren? Nach OZAngaben kritisieren frühere Mitarbeiter Professor Lüth als autoritär und diktatorisch. Er habe eine „akribische Buchführung“ für jeden Vorgang verlangt, aber andererseits eine fachgemäße Lagerung und Konservierung der Steinzeitboote unterlassen.

Hier stellt die NPD die Systemfrage: Warum hat in einem angeblich demokratischen Rechtsstaat mit demokratischen Parteien, demokratisch gewähltem Parlament, einer auf dem Boden der Demokratie stehenden Verwaltung ein vom Ehrgeiz zerfressener, despotischer Beamter ungehindert agieren können, ohne dass das aufgefallen ist? Warum gilt in diesem demokratischen Rechtsstaat, in seinen Landesbehörden und Landesämtern, nach unten treten und nach oben katzbuckeln und bloß alles verschweigen? Warum hat in diesem demo

kratischen System sieben Jahre lang weder ein Angestellter noch ein leitender Mitarbeiter, noch ein Professor aus der Wissenschaft die Öffentlichkeit informiert, als er in diesem Bürokratensystem keine Rettung fand? Warum hat niemand den Mut gehabt, die Wahrheit über die Boote an die Öffentlichkeit zu bringen? Die Antwort könnte bitter sein: Weil wir in keinem demokratischen System, sondern in einer von Ämterwillkür und Behördenchaos geprägten Ministerial- und Präsidialdiktatur leben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Herr Borrmann, ich weise Sie noch mal darauf hin, dass es auch gerade, wenn Sie über Menschen hier sprechen, die sich nicht wehren können, wenn Sie solche Dinge hier äußern, wie Sie das eben getan haben, dann verstößt das auch gegen die Ordnung des Hauses. Ich weise darauf hier noch einmal eindringlich hin. Ein Abgeordneter kann sich zur Not noch wehren, aber einer, der nicht hier ist, kann das eben nicht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Vierkant von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Beamte vernichten Schätze... Weil sich die Behörden nicht einigen können, verrotten in Schwerin drei wertvolle Einbäume aus der Steinzeit. … Dabei waren sich alle Experten einig, dass sie im März 2002 in einer Baugrube am Strelasund eine wissenschaftliche Sensation gefunden hatten. Erst gruben sie einen 6000 Jahre alten Einbaum aus, der mit einer Länge von zwölf Metern genauso in Europa einmalig war, wie die beiden 7000 Jahre alten, sieben Meter langen Exemplare aus Lindenholz, die einige Schichten tiefer zum Vorschein kamen.“ – „Nordkurier“ vom 12. März 2009.

„Auf dem Dienstweg langsam verrottet … Die ältesten Wasserfahrzeuge Europas – vertrocknet im Schweriner Depot. Immer noch ist unklar, wie es zu der wissenschaftlichen Blamage ersten Ranges kommen konnte.“ – „Schweriner Volkszeitung“ vom 17. März 2009.

„Skandal um verrottete Schiffswracks aus Stralsund weitet sich aus. … Wie viele Ostsee-Schätze vergammeln noch?“ – „Bild“-Zeitung vom 12. März 2009.

„Behörde lässt 7000 Jahre alte Kulturschätze verrotten“, „Steinzeitboote durch falsche Behandlung in Schwerin zerfallen – Lagerhalle eingestürzt – Amt gibt schwere Fehler zu“ –„Die Welt“ vom 12. März 2009.

„Schwerin hat eine Pyramide versenkt“ – „Nordkurier“ vom 14. März 2009.