Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lück für die Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Also ich bin immer wieder erstaunt, aber auch erschrocken, mit welcher Ignoranz und mit welcher Arroganz manche von Ihnen

(Jochen Schulte, SPD: Aber nicht alle.)

von diesem Pult aus mit dem Schicksal von circa 150.000 Menschen umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Es macht mich sprachlos.

Ich will noch mal auf die Diskussion eingehen, Herr Rühs.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Wir sind nicht für weniger ersten Arbeitsmarkt, das will ich hier noch mal so eindeutig sagen. Das haben wir auch überhaupt nicht in unseren Antrag geschrieben.

(Zurufe von Hans Kreher, FDP, und Toralf Schnur, FDP)

Und sehen Sie sich doch mal selbst Ihre Zahlen aus Ihrer Regierungszeit von 1990 bis 1998 zur Wirtschaftskraft des Landes an!

(Toralf Schnur, FDP: Aber Sie wissen, dass es eine Wende gab, ne? – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Das spricht Bände, sage ich Ihnen. Sie wissen so gut wie ich, dass die offizielle Zahl von Arbeitslosen geschönt ist und bei Weitem nicht der Realität entspricht.

(Toralf Schnur, FDP: Aber auch in Ihrer Zeit.)

Berücksichtigt werden nicht diejenigen Frauen und Männer, die in den Statistiken nicht auftauchen,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

berücksichtigt werden nicht die Menschen, die gerade mal einen Ein-Euro-Job haben, oder auch nicht die Menschen, die gerade mal kurzfristig in Bildungsmaßnahmen oder in anderen Maßnahmen stecken. Ganz vergessen werden oft die betroffenen Familienmitglieder.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es. Genau das. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ganz vergessen werden nämlich auch die Kinder der Familien.

(Toralf Schnur, FDP: Sie sind die Einzigen, die sich kümmern, ne? Das ist doch ’ne Lachnummer!)

Bei den Maßnahmen unter Punkt 2 unseres Antrages handelt es sich um die Finanzierung von Arbeitsplätzen im soziokulturellen Bereich mit unterschiedlichen Anforderungen an Qualifikation und Eignung. Das Land kann und muss hier etwas tun. Ich sage ganz klar, es geht nicht um einen sogenannten dritten Arbeitsmarkt, dessen Aufbau nach Ansicht des Ministerpräsidenten angesichts der Krise unverantwortlich sei. Was ist denn das, ein sogenannter dritter Arbeitsmarkt? Was ist denn ein zweiter Arbeitsmarkt? Diese Klassifizierung ist doch einfach lächerlich. Das sagt nichts anderes aus, als dass Arbeit, die in Vereinen und Verbänden, in Kultur, in Sport, im Sozial- und Umweltbereich geleistet wird, für Sie weniger wichtig und damit wohl auch weniger wert ist.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Diskriminierend ist das!)

Diese Haltung ist mir und meiner Fraktion fremd. Mit Schutzschirmen für systemrelevante Banken, wie Sie sagen, sind Sie eingesprungen.

(Ilka Lochner-Borst, CDU: Oh, Mann, Mann, Mann!)

Für große Konzerne engagieren Sie sich auch.

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Ilka Lochner-Borst, CDU)

Die Menschen, die vor Ort wichtige Arbeit leisten könnten, lassen Sie jedoch im Regen stehen.

(Ilka Lochner-Borst, CDU: Mann, Mann, Mann!)

Haben Sie nicht Angst, dass ein immer weitergehender Kahlschlag in Bereichen von erstrangigem öffentlichem Interesse auch systemrelevant werden könnte?

(Toralf Schnur, FDP: Den Kahlschlag haben Sie doch schon angefangen. Hören Sie doch auf! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

In der Krise leidet die Demokratie, meine ich. Lassen Sie nicht zu, dass der soziale Zusammenhalt, dass die Werte, von denen Sie doch in Sonntagsreden so gut und so viel erzählen, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, den Bach runtergehen! Ich erinnere Sie an meine Einbringungsrede.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Die Konjunkturprogramme sind Investitionen zur Stärkung der kommunalen Bauwirtschaft. Ich kritisiere das nicht, ich stelle das nur fest. Sie sind an durch den Bund vorgegebene Kriterien gebunden. Deshalb ist es nicht möglich, daraus Mittel für soziale Bereiche abzuzweigen. Und genau das ist der Punkt. Die Bundesagentur für Arbeit wird alle ihre Finanzreserven brauchen, um Kurzarbeit und Qualifizierungsmaßnahmen finanzieren zu können.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir sind uns doch einig darüber, dass Kurzarbeit in Größenordnungen auf das Land zukommt, wenn es zum Beispiel nicht gelingt, neue Aufträge für die Werften zu bekommen.

(Harry Glawe, CDU: Dann helfen Sie doch mit, dass welche kommen!)

Und, Herr Wirtschaftsminister Seidel, Herr Schlotmann hat ja hier den Standpunkt dargelegt für den Wirtschaftsminister, öffentlich finanzierte Beschäftigung einfach auf die Bundesagentur abzuschieben. Das wird unserer Meinung nach nicht funktionieren.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Einen so großen Binnenmarkt haben wir in MecklenburgVorpommern nicht, dass wir Exportausfälle für unsere Betriebe kompensieren können.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Toralf Schnur, FDP)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Geld ist knapp, und das liegt, das wissen Sie auch,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

an der drastisch gestiegenen Teilzeitarbeit und befristeten Beschäftigung, der Leiharbeit und der Ausweitung des Niedriglohnsektors. Viele Familien sind arm geworden, und das sogar in den Jahren der Konjunktur. Am Wochenende sind Zehntausende Menschen in Berlin und in Frankfurt unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ auf die Straße gegangen. Und ich sage Ihnen, das ist erst der Anfang.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Ich teile nicht den leichtfertigen Optimismus und die Meinung derer, die sagen, dass die Krise schnell vorbei sein wird. Die Frage ist, ob und wie die Politik die Folgen auffängt und die Menschen nicht im Regen stehen lässt. Wer wird die Lasten tragen und welche Lehren ziehen die Beteiligten? Soll es etwa so bleiben, dass auf der einen Seite zum Beispiel, so, wie wir es hier handhaben, das Landesblindengeld gekürzt wird, und auf der anderen Seite wir aber lesen, dass dicke Boni für Finanzmarkt- und Wirtschaftshasardeure eingestrichen werden?

(Jochen Schulte, SPD: Zumindest die werden nicht vom Land bezahlt.)

Bleibt es so, dass eine Verkäuferin wegen einer unterstellten Verfehlung im Wert von 1,50 Euro gekündigt wird,

Börsenzocker aber mit einem goldenen Handschlag in den Ruhestand verabschiedet werden? Also ich muss Ihnen ehrlich sagen, da stimmt doch etwas nicht. Es muss zur Selbstverständlichkeit eines Gemeinwesens gehören, öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Wir haben alle was davon. Das ist eine wichtige Aufgabe des Staates, meine ich. Bekennen Sie sich dazu und stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Toralf Schnur, FDP: Mit Sicherheit nicht.)