Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN ist so formuliert, dass man auf den ersten Blick nur zustimmen kann.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aber Sie blicken sicherlich tiefer jetzt.)

„Die Landesregierung wird aufgefordert, das Konjunkturpaket II zu nutzen, um die Infrastruktur in MecklenburgVorpommern auch für Menschen mit Behinderungen, alte Menschen und Personen mit Kleinkindern zu verbessern.“ So weit, so gut. Wer könnte da Nein sagen? Eulen nach Athen tragen.

Frau Lück, Sie beklagten in Ihrem Beitrag, dass es Ausnahmebestimmungen gibt, dass es im Bereich der Beherbergung ganz bestimmte Bestimmungen gibt, die es zulassen, dass die Vorschriften, Paragraf 50/51 der Landesbauordnung, nicht konsequent umgesetzt werden brauchen. Das ist auch politisch so gewollt, denn in der neuen Bauordnung 2006 gibt es Bestimmungen, und wenn Sie die nachlesen, dann werden Sie dort finden, dass es aufgrund der sehr häufig auch privat zur Verfügung gestellten Beherbergungsmöglichkeiten aus wirtschaftlichen Gründen schlicht und ergreifend unmöglich ist, dass Leute, die zwei oder drei Zimmer anbieten in den Feriengebieten, natürlich nicht die Barrierefreiheit

sicherstellen können, weil ansonsten die ganze Sache unwirtschaftlich wird. Das zum einen.

Zum Zweiten.

(Irene Müller, DIE LINKE: Schon völlig falscher Gedankengang.)

Zum Zweiten.

Das ist kein falscher Gedankengang,

(Zurufe von Torsten Koplin, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

sondern das ist ganz einfach die normative Kraft des Wirtschaftlichen und des Wettbewerbs.

Zum Zweiten. Dann schreiben Sie: „Darüber hinaus ist entscheidend, dass die landesrechtlichen Bestimmungen bei der Realisierung von Investitionen eingehalten und nicht dem Umsetzungserfordernis“ – was immer Sie damit meinen – „und dem Umsetzungsdruck des Konjunkturpaketes geopfert werden.“ Ja, was soll man darunter verstehen?

(Irene Müller, DIE LINKE: Nachdenken!)

Wir haben ganz klare Vorschriften in der Landesbauordnung. Und wenn im Rahmen des Konjunkturpaketes II, Frau Lück, ganz bestimmte Dimensionen bei der Sanierung von Gebäuden im öffentlichen Bereich – da wird das hauptsächlich auch umgesetzt, dieses Konjunkturpaket – überschritten werden, dann greift die Bauordnung, indem sie zwingend vorschreibt, dass barrierefrei zu bauen ist.

(Irene Müller, DIE LINKE: Da wird nicht gebaut, da wird saniert. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

So einfach ist das doch geregelt. Das heißt natürlich nicht, dass alles in bester Ordnung ist im Land, sondern das heißt ganz konkret, dass Ihr Antrag zwar gut gemeint ist,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

aber zu wenig substantiiert ist. Dass Sie nicht ganz klar herausarbeiten, wo denn formalrechtlich unbedenklich im Rahmen des Konjunkturpaketes II das eine oder andere getan werden kann, das hätte hier, glaube ich, viel, viel mehr Eindruck gemacht als dieser Dreizeiler, wo Sie sich dazu bekennen, dass die Sache verbessert werden muss. Dennoch wird meine Fraktion diesen Antrag nicht ablehnen, aber da er so wenig Substanz enthält, so unkonkret ist,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

werden wir uns natürlich enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke schön, Herr Pastörs.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion DIE LINKE.

Werte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Grabow begann seine Rede mit den Worten: Barrieren gibt es sehr viele, vor allen Dingen Barrieren in den Köpfen. Und genau das habe ich heute hier wieder von Ihnen vernehmen müssen zum größten Teil.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das hatte ich eingeworfen mit den Barrieren in den Köpfen.)

Ich weiß überhaupt nicht, auf welche Art und Weise Sie aus diesem Antrag herauslesen, und auch nicht, Herr Minister Schlotmann, wie Sie herauslesen, dass ich beklage, dass unsere Fraktion beklagt, dass sie unterstellt, dass nichts gemacht wird, dass sie unterstellt, dass alles irgendwo hinten runterfällt und, und, und. Tun wir gar nicht.

Hier in diesem Antrag steht ganz deutlich drin, dass man die Chancen nutzen sollte bei diesem vielen Geld, was wir zusätzlich, und ich betone, zusätzlich bekommen, dass die Barrierefreiheit Grundlage ist. Das tun wir nicht deshalb, dass wir sagen wollen, dass das nicht gemacht wird, sondern das tun wir deshalb, weil wir wissen, dass es Barrieren in den Köpfen gibt und dass genau dieses Wort „Barrierefreiheit“ immer wieder Anstoß sein muss, um wirklich darüber nachzudenken, und weil wir es an einigen Stellen auch wirklich leid sind, immer hinterherlaufen zu müssen und zu sagen: Ihr habt die Barrierefreiheit vergessen, und zwar vor Ort.

Und deswegen wäre es überhaupt nicht schädlich, in keiner Art und Weise schädlich, als Landesregierung bei der Vergabe der Gelder aus dem Konjunkturpaket, diesem Zukunftsprogramm, was nachhaltig wirken soll, darauf aufmerksam zu machen, dass die Regierung hier auf Barrierefreiheit besteht.

Womit begründe ich Barrierefreiheit in den Köpfen hier im Haus? Schon allein die Verwunderung, dass ich diesen Antrag nicht eingebracht habe, ist ein Stück Barriere im Kopf. Wieso bin ich hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern und ist Herr Grabow für Barrierefreiheit zuständig?

(Beate Schlupp, CDU: Wer hat sich denn gewundert?)

Wir haben schon mehrmals hier erklärt, dass Barrierefreiheit bedeutet: Zugang für alle Menschen zu allen Dingen, die uns umgeben. Und da braucht man nicht ausschließlich auf die Rampen hinzuweisen und festzustellen, dass ein Lärmschutz nichts damit zu tun hätte, Herr Stein. Sehr wohl hat es was damit zu tun. Denn gerade hörgeschädigte Menschen brauchen intensivst Lärmschutz. Was glauben Sie, wie die unter Krach leiden, körperlich leiden, oder hörgeschädigte Menschen, die noch ein Resthören haben, gar nichts mehr verstehen können, weil der insgesamt schlechte Lärmschutz eines Raumes alles verschwimmen lässt?

Es gibt so viele Dinge, die zu beachten sind, für alle Menschen: Zum-Nutzen-für-alle-Prinzip. Zugegeben, uns Menschen mit Behinderungen fallen Barrieren zuerst auf. Aber ärgern tun wir uns letztendlich alle darüber. Und dann darf es hier eben nicht nur Lippenbekenntnisse geben – wir wollen, dass alle Menschen zukunftsorientiert und nachhaltig und so weiter und so fort –, dann sollten wir das Wort „Barrierefreiheit“ bei diesen Dingen in den Mund nehmen und darstellen, was wir wollen, eben nicht nur die Durchsetzung der Landesbauordnung, in keiner Art und Weise.

Die UN-Konvention für die Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ratifiziert von Deutschland. Sie ist mit dem 26. März jetzt auch gültig. Also die vier Wochen, die so ein ratifiziertes Papier erst mal

liegen muss, sind um. Und mit der Anerkennung dieser Menschenrechtskonvention hat Deutschland anerkannt, dass Barrierefreiheit Grundlage für alles Tun und Handeln ist, meine Damen und Herren, für alles Tun und Handeln.

Und damit die Bemerkung aus dem Parlament gleich zurückgehalten werden kann, dass das unterschrieben wurde vom Bund und wir schließlich eine Landesbauordnung haben und demzufolge bei bestimmten Dingen das alles nicht gilt, das stimmt nicht. Es gibt einen Lindauer Vertrag, diesen Lindauer Vertrag gibt es seit dem 14. November 1957. Da wird ganz genau dargestellt, welche Regelungen miteinander, untereinander, also Bund und Länder so sind. Und in dem Moment, wo die Länder befragt worden sind, also der Bundesrat befragt worden ist zu einer Gesetzlichkeit, auch zu dieser Ratifizierung, sind die Länder mit drin. Also gilt es auch für uns.

Wir haben viele Dinge hier immer wieder bemerkt und angemerkt, wo wir gesagt haben, das ist nicht in Ordnung, das ist vergessen worden. Ich weiß auch, auf welche Art und Weise es damit immer wieder abgewendet wird: Wir tun ja ganz viel. Richtig, wir tun ganz viel, aber wir sind auch selber in der Lage, zu gestalten und von vornherein zu sagen, was wir wollen, wir als Land Mecklenburg-Vorpommern. Und dann kann man das Wort „Barrierefreiheit“ auch ohne Probleme in die Vergabe der Gelder mit einbauen. Man hat eine Sicherheit, eine Rückenstütze, dass man sich innerhalb der Gesetzlichkeit befindet.

Und, Herr Pastörs, so systemkonform, wie Sie heute hier die Landesbauordnung verteidigt haben und damit verteidigt haben, dass wir den Antrag eigentlich nicht brauchen, habe ich Sie überhaupt noch nicht erlebt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.)

Was soll das denn? Ich denke, Sie wollen morgen kandidieren?!

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das war heute wie Koalitionäre. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat sich sehr genau angesehen, was alles durch das Konjunkturpaket möglich ist, und hat dabei auch sehr wohl bemerkt und zufrieden festgestellt, dass auch sehr, sehr viel in Sanierungssachen möglich ist. Gerade da haben wir das Problem, dass es eben nicht so viele Gesetzlichkeiten gibt, die Sanierungssachen unterstützen, auch nicht im Hotel- und Gaststättenwesen, auch nicht im Beherbergungswesen, und haben gedacht, wenn wir die Barrierefreiheit an das Konjunkturpaket knüpfen, ist das ein weiterer Punkt, um etwas ganz Wichtiges hier im Land Mecklenburg-Vorpommern voranzubringen, nämlich Einzellösungen nach hinten zu drängen und dafür zu sorgen, dass wir hier ein Rundumpaket der Barrierefreiheit bekommen, welches letztendlich bei weiteren Dingen uns auch Geld spart, ganz einfach Geld spart.

Wenn ich von vornherein überall mit Barrierefreiheit denke, und da sage ich, überall – da gehören auch Computer mit dazu, Internetseiten mit dazu, Kommunikationssysteme mit dazu, Kommunikationssysteme von allen möglichen Einrichtungen, von Ämtern, von Behörden, von Arge, Kommunikationseinrichtungen der Deutschen Bahn AG und so weiter und so fort, die barrierefrei

sein sollten –, dann ist im Endeffekt wirklich die Sache gegeben, dass wir aufbauen können und dann, meine Damen und Herren, und für Sie, Herr Stein, eben nicht mehr damit herumarbeiten müssen, dass wir unendlich viel Geld einsetzen müssen. Herr Schlotmann, das auch an Ihre Adresse. Wenn von vornherein geguckt wird, dass alles in Ordnung ist, brauchen wir eben nicht viel Geld einzusetzen. Da haben wir das Geld von vornherein eingesetzt auf eine Art und Weise,

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

die nicht die dreifache Finanzierung benötigt, um hinterher irgendetwas nachzutragen.

In diesem Zusammenhang muss ich dann sagen zum FDP-Änderungsantrag, ich halte es für ziemlich unglücklich formuliert, dass wir hier feststellen und beschließen sollen, dass es Lücken im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt. Ich denke, bei dem Investitionsprogramm, dem zukunftsorientierten nachhaltigen Investitionsprogramm, brauchen wir diese Feststellung hier wirklich nicht zu beschließen. Das ist das eine.

Und wenn es um dieses Investitionsprogramm geht, und wir haben gesagt, dass Zeitdruck, Investitionsdruck, Handlungsdruck bestimmte Gesetzlichkeiten nicht außer Kraft setzen dürfen oder vergessen lassen dürfen, dann ist die Landesbauordnung zwar eine richtige Angelegenheit und dass sie überarbeitet werden muss auch, aber im Zusammenhang mit dem Papier der Investitionen haben wir die Veranlassung, nun auf die Landesbauordnungsveränderung zu warten, nicht. Denn Sie wissen ja genau, und im Verkehrsausschuss ist es auch schon gesagt worden, die Landesbauordnung wird angefasst, da werden bestimmte Dinge aufgegriffen. Da, denke ich, ist es auch richtig aufgehoben, hier in dem Antrag nicht.

Herr Schlotmann, wenn die FDP einen Bericht haben wollte – zugegeben, Berichtswesen ist auch ein Unwesen –, aber wenn sie einen Bericht haben wollte, und Sie denken, dass Sie dann von hauptamtlicher Ministeriumssicht aus ein halbes Jahr brauchen und ganz viel Geld brauchen und einsetzen müssen, um da einen dementsprechenden Bericht darzustellen, sage ich Ihnen, das brauchen Sie nicht. Es gibt Verbände und Vereine, die beschäftigten sich seit 19, 18, 17 Jahren ganz intensiv mit der Analyse von touristischen Einrichtungen, von Beherbergungseinrichtungen, von Kommunikationseinrichtungen. Da müssen Sie einfach einmal nachfragen. Die haben das in ehrenamtlicher Tätigkeit in vielen Jahren alles zusammentragen. Dass Sie noch einmal drübergucken müssen und eine Person da hinstellen müssen, die alles koordiniert, ist mir klar, aber ein halbes Jahr, um hier alles aufzulisten, brauchen Sie ganz gewiss nicht.

Frau Abgeordnete, Sie haben noch eine Minute Redezeit.