Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Setzen Sie sich zum Beispiel ein für Rentengerechtigkeit, für die Lohnangleichung und für die Abschaffung der Altschulden in der Land- und in der Wohnungswirtschaft.

(Reinhard Dankert, SPD: Dann stimmen Sie mal dem Abgeordneten- und Beamtengesetz nachher zu!)

Wir stimmen der Überweisung zu. Wir wollen aber eine Nullrunde für uns.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Für die, die es verdient haben, die sollen die Angleichung erfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Franz Müntefering, da waren ja viele von Ihnen dabei, hat in dem Oberbürgermeisterwahlkampf hier in Schwerin an die Anfänge der deutschen Sozialdemokratie erinnert. Recht hat er: Es ist höchste Zeit für linke Politik. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag und hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern haben zahlreiche Initiativen und Anträge in die Parlamente eingebracht, mit dem Ziel, Menschen aus der Armutsfalle, aus Hartz IV zu holen, mit dem Ziel, dass menschenwürdige Arbeit auch so bezahlt wird, dass die Beschäftigten und ihre Familien davon leben können, eben ein Leben in Würde führen können. Diese wurden von Ihnen abgelehnt, allerdings mit Krokodilstränen im Knopfloch.

Meine Damen und Herren, wer links blinkt, sage ich an die Kolleginnen und Kollegen der SPD, der muss auch links abbiegen, ansonsten gefährden Sie den Straßenverkehr und den sozialen Frieden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Ansonsten bleiben Ihre Worte nichts als Worte. Oder besser gesagt, in Anlehnung an eines Ihrer Europawahlplakate: Ihre Worte bleiben weniger als heiße Luft. An der, meine Damen und Herren, kann man sich wenigstens wärmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Holter.

Ums Wort gebeten hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Finanzkrise und ihre Folgen beschäftigen uns jetzt seit über einem halben Jahr. Mir waren dabei von Anfang an zwei Dinge wichtig, erstens selbstverständlich die Krise entschlossen zu bekämpfen und die Menschen in unserem Land, so gut es geht, vor den Folgen zu schützen, aber natürlich auch zweitens, über die Krise hinauszudenken und die Zukunft zu gestalten. Bisher ist die öffentliche Diskussion eher von der Krisenbewältigung dominiert. Ich denke deshalb, dass das Thema dieser Aktuellen Stunde gut gewählt ist, um den zweiten Aspekt in den Vordergrund zu rücken: Wie geht es zukünftig weiter?

Und daher, Herr Holter, wäre es natürlich gut, wenn es da um Gemeinsamkeiten in der Diskussion, um Gemeinsamkeiten bei der Bewältigung gehen könnte. Sie haben jetzt eine sehr engagierte Oppositionsrede gehalten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist auch seine Aufgabe als Oppositionsführer. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Ich verstehe auch, dass Sie unser Plakat geärgert hat, das mit der heißen Luft. Ich finde das ganz gut. Es ist sehr plakativ.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Entscheidend ist, wie die Wählerinnen und Wähler das sehen.)

Ja, das werden wir dann sehen.

Es ist ja nicht nur plakativ, sondern es macht eine Aussage. Es macht eine Aussage, dass die LINKE in einer Oppositionsrolle verharrt, in der sie Versprechungen macht auf der einen Seite,

(Vincent Kokert, CDU: Keine Konzepte auf den Tisch legen.)

die nicht einzuhalten sind, und im Grunde nicht wirklich etwas vorlegt, sondern vor allem,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Herr Sellering, was versprechen Sie denn? Mindestlohn. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

sehr vehement Kritik übt. Ich finde, Sie sollten mal Ihren internen Postaustausch lesen, was da in Berlin abgeht. Da sind schon interessante Anregungen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Den haben Sie auch?!)

Ich meine …

Ja, den lese ich auch. Interessiert mich sehr.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Wenn Müntefering davon redet, dass es Zeit für linke Politik ist, dann meint er Politik. Dann meint er

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann meint er nicht links.)

Politik, die man verantworten kann, die verantwortbar für die Menschen ist, und nicht nur, dass Sie vehement kritisieren können. Sie haben am Ende, nachdem Sie die Oppositionsrede so ausgestaltet haben, wie ich das im Moment eher von der LINKEN im Bund erwartet hätte als hier von Ihnen, konkrete Vorschläge gemacht. Aber all diese Vorschläge sind nichts anderes, als das Auflisten von Geldausgeben, ohne zu sagen, wo es herkommen soll.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau das alte Klischee. – Vincent Kokert, CDU: Genau. – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Und ich fand ganz interessant Ihren Satz, zu sagen …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann kommen Sie endlich zu Ihren Vorschlägen!)

Ich fand ganz interessant, den Satz zu sagen, wir würden Politik nach Kassenlage machen. Ja, um Gottes willen, was sollen wir denn sonst tun?

(Vincent Kokert, CDU: Ja, das frage ich mich auch.)

Können wir denn Politik machen, ohne uns an dem zu orientieren, was wir im Moment haben und was wir in Zukunft haben werden?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das unterscheidet uns.)

Das ist doch die Grundlage jeder Verantwortung vor den Bürgerinnen und Bürgern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat entschlossen und verantwortungsvoll gehandelt. Wir haben die Unternehmen unter den Schutzschirm des Bundes gebracht und die Werften vor allen Dingen,

(Udo Pastörs, NPD: Wen denn sonst noch? Die kleinen auch?)

wobei alle wissen, wir sind noch nicht über den Berg, da gibt es noch große Schwierigkeiten. Überall auf der Welt haben Werften große Schwierigkeiten. Das wird auch bei uns noch so sein. Wir haben die Konjunkturpakete zügig umgesetzt. Wir waren mit die Ersten, die im Konjunkturpaket II die Verteilung der Gelder geregelt haben, die über die Kommunen gehen. Wir haben die 49 Projekte beschlossen und festgelegt, die beim Konjunkturpaket I an die Kommunen gehen, und dabei – ich denke, vorbildlich für Deutschland – die Chance gegeben, dass auch Kommunen, die finanzschwach sind, zu schwach sind, um den Eigenanteil aufzubringen, dass auch bei denen wichtige Investitionen möglich sind. Da, das muss ich ganz klar sagen, bedanke ich mich auch bei der LINKEN für die Unterstützung, dass es hier eine konkrete und vernünftige Zusammenarbeit gegeben hat.

Meine Damen und Herren, in der Krise verantwortlich handeln, heißt auch, dass man nicht Strohfeuer abbrennt, sondern die Mittel so einsetzt, dass unser Land langfristig davon profitiert. Das haben wir getan. Investitionen in Bildung und in Bildungsinfrastruktur eröffnen unseren Kindern mehr Chancengleichheit von Anfang an. Das schafft Werte, von denen M-V auch nach der Krise noch etwas hat. Damit gestalten wir auch schon in der Krise ein Stück Zukunft. Es gibt jetzt schon Forderungen nach dem dritten Konjunkturpaket. Das ist, meine ich, Unsinn, das ist fehl am Platze. Jetzt bitte erst mal abwarten, wie die Maßnahmen wirken. Im Moment klagt unsere Bauwirtschaft noch darüber, dass sie wenig Aufträge hat, einfach weil wir noch nicht begonnen haben. Die Aufträge sind noch nicht ausgelöst. Also abwarten, nur das ist wirtschaftspolitisch seriös und auch finanzpolitisch verantwortungsvoll.

Ich will hier in diesem Hause noch einmal, und da greife ich das noch mal mit der Kassenlage auf, ganz deutlich sagen: Das Ziel der Landesregierung ist nach wie vor, ohne neue Schulden auszukommen. Mir ist sehr bewusst, dass das ein schwieriges und ehrgeiziges Ziel ist, dass sich vielleicht schon heute Nachmittag oder Morgen ganz große Herausforderungen ergeben, wenn die Steuerschätzung vorliegt. Aber unser Ziel muss sein, daran festzuhalten. Das ist Politik auch für unsere Kinder. Das ist Politik mit Blick auf die Zukunft.

Meine Damen und Herren, zu einer nach vorn gerichteten Politik für unser Land gehört aber auch, alles daran zu setzen, dass die Krise nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir die vorhandenen Arbeitsplätze sichern. Ich wiederhole das noch mal: Die Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu sichern, ist wichtiger als jene Arbeitsmarktmodelle, die auf dem zweiten oder dritten Arbeitsmarkt helfen können. Das ist das Wichtigste. Deshalb will ich hier ausdrücklich noch einmal die kluge Strategie von Arbeitsminister Olaf Scholz hervorheben. Ein großes Projekt: Viel Kurzarbeitsmöglichkeiten für kleinste Betriebe, verlängert auf lange Zeit, qualifizieren, statt entlassen – die beiden Sachen, das ist das, was wir brauchen, damit wir auch nach der Krise die Fachkräfte in den Betrieben haben.

Trotzdem wächst natürlich bei vielen Menschen die Sorge um ihren Arbeitsplatz. Und da muss man ganz klar sagen: Das darf von den Arbeitgebern nicht missbraucht werden. Das darf nicht missbraucht werden, um Rechte abzubauen, um den Lohn zu drücken. Es darf nicht dazu führen, dass Kündigungsschutz oder Mitbestimmung infrage gestellt werden. Das wäre das falsche Signal. Das wäre die falsche Schlussfolgerung aus der Krise. Im Gegenteil, wir brauchen mehr Gemeinsamkeit, auch mehr gemeinsame Verantwortung in den Betrieben, bei den Tarifpartnern. Es wäre genauso falsch, wenn wir die Krise als einen Betriebsunfall abtun würden, wie das manche in Berlin tun, und möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen würden.

Es geht jetzt darum, dass wir die Verursacher der Krise daran hindern, so weiterzumachen, als wäre nichts geschehen. Dazu muss man die Ursachen analysieren. Mahnende Appelle helfen da nicht. Wir brauchen klare Regeln. Und ich möchte auch nicht nur Regeln, die bei Managern zur Verantwortung führen, die sich in Geld ausdrückt, sondern es muss auch möglich sein zu bestrafen. Wir brauchen eine Regulierung der internationalen Finanzmärkte und die Begrenzung der Managergehälter. Spekulanten und Wirtschaftskapitäne müssen für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie verantwortungslos leichtfertig ganze Volkswirtschaften gefährden, Milliardenbeträge verbrennen, Tausende von Arbeitsplätzen.

(Udo Pastörs, NPD: Politiker müssen auch zur Verantwortung gezogen werden.)

Auch.

Aber es geht nicht nur darum, dass wir in diesen Fällen Bestrafung ermöglichen, sondern wir müssen auch vieles tun, damit wir die Ursachen der Krise in den Griff bekommen. Und dazu brauchen wir einen Wertewandel in unserer Gesellschaft. Wir müssen weg von dem ungezügelten Gewinnstreben des Einzelnen hin zu mehr sozialer Verantwortung, auch hin zu mehr gerechter Verteilung. Und das bedeutet, wir brauchen nicht nur Regeln für Finanzmärkte, wir brauchen auch Regeln, was unseren Arbeitsmarkt angeht. Gerechter Lohn für gute Arbeit ist eine ganz wichtige Voraussetzung.

Wir haben mit der stufenweisen Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes wichtige erste Schritte getan. Das hat unser Land im Bundesrat unterstützt. Insgesamt betrifft es jetzt neun Branchen, vom Baugewerbe bis zur Pflegebranche 3,7 Millionen Arbeitnehmer. Es werden weitere Wirtschaftszweige demnächst folgen. Klar ist aber, das reicht nicht. Wir brauchen flächendeckend eine Vorgabe für auskömmliche Löhne. Wir brauchen den flächendeckenden Mindestlohn. Das ist gerade im Osten wichtig, gerade in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Mehrzahl der Menschen außerhalb von festen Tarifen arbeitet. Ich sage ganz klar: Niedriglohnland kann nicht eine Perspektive sein für Mecklenburg-Vorpommern.