Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Antrag der Fraktion der NPD: Volksaufstand vom 17. Juni 1953, insbesondere im Schulunterricht angemessen berücksichtigen – Drucksache 5/2618 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Worte der Parlamentspräsidentin zum 17. Juni 1953 zu Beginn der heutigen Sitzung sind für unsere Fraktion ein weiterer eindeutiger Beleg für die Haltung der Altparteien zum Volksaufstand im Juni 1953. Nach Ansicht unserer Fraktion las Frau Bretschneider eher gelangweilt den Text zum Gedenken an die Frauen und Männer des 17. Juni 1953 vor.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gelangweilt sind Sie jetzt.)

Die Abgeordneten …

Herr Abgeordneter!

… der Systemparteien …

Herr Abgeordneter Köster, das weise ich hier als unparlamentarisch zurück.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Abgeordneten der Systemparteien blieben diesem Gedenken in großer Anzahl fern. Und Aufstehen zum Gedenken ist in diesem Hause offensichtlich nur besonderen Opfern vorbehalten. So gehen Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, SPD, CDU und FDP, mit unserer Geschichte um. Schämen Sie sich!

„Ein Volk steht auf“ …

Herr Abgeordneter Köster, auch dies weise ich als unparlamentarisch zurück und bitte Sie, die Würde des Hohen Hauses zu beachten.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

„Ein Volk steht auf und kämpft sich frei – Zeit einen neuen Aufstand zu wagen!“ Unter diesem Motto führt die Jugendorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, die Jungen Nationaldemokraten, am heutigen Abend eine Gedenkveranstaltung in Halle an der Saale durch.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Dass ihr das missbraucht, das ist einfach ekelhaft. – Zurufe von Gabriele Měšťan, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Sie erinnern an den Volksaufstand vom Juni 1953 in der sowjetisch besetzten Zone, als sich die schaffende Bevölkerungsschicht entschloss, die von der eingesetzten DDR-Regierung stets und ständig erhöhten Arbeitsnormforderungen nicht länger hinzunehmen. Ich erinnere Sie gerne noch einmal an die Ereignisse jener Tage.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die sowjetischen Besatzer forderten Anfang der 50er-Jahre stetig steigende Produktionsserien, längere Arbeitszeiten und unmenschlichere Arbeitsbedingungen. Unser gepeinigtes Volk erhob sich innerhalb der sowjetisch besetzten Zone, forderte gerechte Arbeitsbedingungen und stellte sich folgerichtig gegen die sowjetischen Besatzer,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

welche einen kompletten Umbruch der Gesellschaft und der Volksgemeinschaft beabsichtigten.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Haben sie auch geschafft, ja.)

Teil dieser Sowjetisierungswelle war unter anderem, Selbstständige durch Erhöhung der Abgabemengen zur Aufgabe ihrer Unabhängigkeit zu zwingen.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Die Besatzer forderten zudem horrende Reparationsleistungen,

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

um zum Beispiel die ausufernden Militärausgaben auf Kosten der unterdrückten Völker bestreiten zu können. Dieser Aufstand gegen die Fremdbestimmung und für die Souveränität unserer Heimat wurde bekanntlich von den Besatzern blutig niedergeschlagen, ein Ereignis in unserer Geschichte, das Sie als bekennende Antideutsche gerne vergessen lassen wollen.

(Reinhard Dankert, SPD: Na, na, na! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was sind wir?)

In diesen Zusammenhang passt eine Aussage aus dem Jahr 2003, Zitat:

„Die deutsche Erinnerungskultur hat erhebliche Schlagseite. Der mutigste, entschlossenste und mit den meisten Opfern verbundene Aufstand gegen den Kommunismus in Deutschland ist uns seit über einem Jahrzehnt nicht einmal den offiziellen Feiertag wert. Der Freiheitswille der Revolutionäre vom 17. Juni 1953 passte vielen nicht mehr in die politisch korrekten Zeiten des Statusquo-Denkens mit seiner Ost-West-Blockkonfrontation.

Ich finde es bedauerlich, dass in den fast 13 Jahren seit Wiederherstellung der Deutschen Einheit der Trend des Vergessens nicht gestoppt wurde. Mehr als 100 Straßen sind im Osten nach führenden SED-Funktionären des Jahres 1953 benannt. Aber nur ganz wenige erinnern an den Aufstand und die Helden des 17. Juni. In diesem Jahr ist ein guter Anfang gemacht. Aber wir brauchen weitere Straßenumbenennungen, Ehrenbürgerschaften für die Kämpfer des 17. Juni.“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

„Wir brauchen Schulbücher, die den 17. Juni als Volksaufstand für Freiheit und Einheit würdigen. Und wir brauchen eine angemessene Ausstattung von Gedenkstätten, die wesentliche Daten aus der SED-Diktatur betreffen, allen voran den 17. Juni. Einem Land, das sich beständig auf den antitotalitären Konsens seiner Gründungsgeschichte beruft, darf es am politischen Willen nicht ermangeln, hier klar Farbe zu bekennen.“ Zitatende.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

So der CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Nooke zum 50. Jahrestag der Volkserhebung am 17. Juni 2003.

Dr. Arnswald vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt am Main veröffentlichte vor wenigen Jahren eine Arbeit zur Behandlung des 17. Juni in den Schullehrplänen. Kurz zusammengefasst wurde festgestellt, dass zwar die Behandlung des 17. Juni 1953 in der Mehrheit der Lehrpläne des Faches Geschichte in der Sekundarstufe I, also Klassen 9 und 10, und Sekundarstufe II, vor allem Klassenstufen 12 und 13, durch entsprechende Hinweise angeregt wird, in den Lehrplänen der Fächer Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Politik, Religion, Deutsch und Erdkunde, die das Thema in verschiedener Weise aufgreifen, findet jedoch der 17. Juni 1953 überhaupt keine Erwähnung.

Und es wurde in der Untersuchung festgestellt, dass die Einordnung des 17. Juni in den Lehrstoff in der Regel nicht über die Nennung des Datums als Eckpunkt in dem zu behandelndem Zeitabschnitt hinausgeht. Deshalb darf die Wertung, wonach die Platzierung des Themas 17. Juni 1953 in den Lehrplänen der bundesdeutschen Länder der historischen Bedeutung des Ereignisses für die gesamtdeutsche Geschichte nicht gerecht wird, nicht verwundern. Schüler in Mecklenburg-Vorpommern, und dies ist ja auch in der Gegenwart noch so, erhalten in der Regel bis zur 6. Schulklasse keine Informationen über den 17. Juni 1953, zumindest wenn man nach den verwendeten Schulbüchern geht. In Schulbüchern der höheren Klassen sind den Ereignissen in den Junitagen 1953 häufig maximal zwei Seiten gewidmet.

Dabei löste der 50. Jahrestag des 17. Juni im Jahr 2003 eine Welle von Beschwörungen bei Politikern und Medienleuten aus, sich künftig diesem Erbe stärker verpflichtet zu fühlen. Doch zwischen Wort und Tat müssen bei den Systemvertretern wohl Jahrzehnte

vergehen, und dies, obwohl durch das Projekt die DDR im Schulunterricht des ehemaligen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Jörn Mothes durchaus wichtige Aufklärungsarbeit bei Jugendlichen geleistet wurde.

Diese Aufklärungsarbeit war aber wohl schon des Guten zu viel. Im Rahmenplan für die Vorstufe des Fachgymnasiums Geschichte und politische Bildung Mecklenburg-Vorpommerns aus dem Jahr 2007 kommt dem 17. Juni 1953 in der Geschichte des geteilten Deutschland keine ausdrückliche Bedeutung zu. Auch im Kernlehrplan für die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe findet sich über den 17. Juni 1953 nichts. Es ist daher Auslegungssache der Lehrkräfte, ob und in welcher Art und Weise den Schülerinnen und Schülern die Ereignisse der Junitage 1953 vermittelt werden, wobei ich sicherlich nicht außer Acht gelassen habe, dass im Rahmenplan für die Regionalen Schulen, verbundene Haupt- und Realschule, Hauptschule, Realschule und Integrierte Gesamtschule aus dem Jahr 2002 die Rolle des 17. Juni 1953 in der DDR-Geschichte, zu bewerten im Themenbereich „Das geteilte Deutschland“, Berücksichtigung fand. Gleiches gilt auch für den Rahmenplan für Gymnasien aus dem Jahr 2002. Gespräche in Kameradenkreisen ergaben aber, dass eine Vermittlung in mehreren Schulstunden nur selten erfolgte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da haben Sie wohl nicht zugehört. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oder er hat es nicht begriffen.)

Angesichts des immer geringer werdenden Zuspruches bei der politischen Mitwirkungsmöglichkeit in der BRD, vor allem bei Wahlen, ist es an der Zeit, gerade den Schülerinnen und Schülern unseres Landes deutlich zu machen, dass man sich gegen unhaltbare Zustände in seinem persönlichen Umfeld und auch auf politischer Ebene zur Wehr setzen kann und muss. Hierfür ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler die Bedeutung des 17. Juni 1953 für die damalige Zeit, aber auch für die Gegenwart und Zukunft erfahren können. Die Schülerinnen und Schüler sollen demzufolge den Wert des Widerstandes gegen Ungerechtigkeiten und Fremdbestimmung sowie die Notwendigkeit des Einsatzes für die Freiheit und Gerechtigkeit beurteilen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das haben wir ja Gott sei Dank nicht mehr nötig.)

„Ein Volk steht auf und kämpft sich frei“ – damals und hoffentlich bald in Zukunft.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nicht unter Ihrer Führung. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Danke, Herr Köster.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Vizepräsident und Abgeordnete der Fraktion der FDP Herr Kreher.

(Udo Pastörs, NPD: Nicht weinen, Herr Kreher! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nicht weghören, Herr Pastörs!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 17. Juni 1953 war der erste Schritt einer Volksbewegung in Europa. Diesem ersten Schritt dieser mutigen Männer und Frauen 1953 folgte dann der Volksaufstand in Ungarn 1956. Es folgte nach dem Mauerbau 1968 der Prager Frühling, der ebenfalls eine Bewegung von unten war, der demokratische Verhältnisse anstrebte, freiheitliche Verhältnisse anstrebte. Ich habe das damals hautnah miterlebt.

(Udo Pastörs, NPD: Ich auch.)