Protokoll der Sitzung vom 16.07.2009

Wenn ich mir angucke, was hier heute von der Landesregierung auf den Tisch gelegt worden ist, dann geht es dabei erstens um Kreisgebietsreform, zweitens um Funktionalreform und drittens um Stärkung der Zentren.

(Toralf Schnur, FDP: Aber doch nicht mit dem FAG.)

Das heißt, hier werden genau die ersten drei Punkte unserer Empfehlung durch die Landesregierung aufgegriffen und es werden Vorschläge dazu gemacht. Und Sie gestatten mir, dass ich auf diese drei Bereiche jetzt einzeln kurz eingehe und dann noch etwas zu anderen Punkten sage.

Also, Kreisgebietsreform: Auf Einzelfragen dieses Gesetzes, und da sind in der Tat eine Reihe von Fragen zu diskutieren, wird meine Kollegin Martina Tegtmeier gleich noch ausführlicher eingehen. Lassen Sie mich nur Folgendes sagen: Hier wird teilweise so diskutiert, als sei die Frage der Bildung von sechs Kreisen eigentlich noch ein großes Problem gewesen oder als habe es dazu keinen Dialog gegeben, und was alles für Märchen hier aufgebaut werden.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, ich habe nicht nur in der Enquetekommission, sondern weit darüber hinaus viele Gespräche geführt. Ich glaube, die Bildung von sechs Kreisen – und da sollten wir einfach mal ehrlich zueinander sein –, die Bildung von sechs Kreisen war in der politischen Diskussion kein allzu großer Streitpunkt.

(Toralf Schnur, FDP: Spekulation!)

Dieses war kein allzu großer Streitpunkt, lieber Kollege Leonhard.

(Gino Leonhard, FDP: Wenn man es nur aus Schwerin sieht, ja.)

Es war auch vor dem Hintergrund des Urteils des Landesverfassungsgerichts sehr schnell sehr klar, dass es für eine solche Lösung deutliche Mehrheiten geben würde.

(Toralf Schnur, FDP: Sie müssen aber begründet sein, Herr Müller.)

Ich finde auch interessant, wenn Sie mir diese etwas spitze Bemerkung gestatten, ich finde es schon interessant, dass mindestens einer dieser sechs Kreise, so, wie er dort jetzt auf der Landkarte zu sehen ist und in der Textdefinition zu sehen ist, noch ein schönes Stück größer ist als einer der Monsterkreise – oder wie man das auch immer genannt hat – der vorigen Reform.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie groß ist der größte jetzt? 5.000, oder was? Top!)

Also auch dort gibt es eine interessante Entwicklung. Ich glaube, viel kritischer und viel kontroverser ist die Frage der Zukunft der kreisfreien Städte diskutiert worden. Hier sind ja Stichworte wie „Neubrandenburg“ oder „Schwerin“ bereits gefallen.

Ja, meine Damen und Herren, da haben wir uns auch in der Enquetekommission – das ist übrigens die nächste Empfehlung der Enquetekommission, Professor Methling, also es ist schon ein Plural –,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Lesen Sie mal die Stellungnahme vom Städte- und Gemeindetag!)

da haben wir uns auch in der Enquetekommission nicht leicht getan, uns in dieser Frage zu verständigen. Wir sind zu einer Variante gekommen, die in der Tat sagt, Rostock und Schwerin sollten kreisfrei bleiben, die vier kleineren werden eingekreist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ganze sechs Sozialdemokraten haben Interesse an der Reform.)

Meine Damen und Herren, ich habe großes Verständnis für die Probleme,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Unsere sind aber da.)

die dieser Vorschlag manchen in den kreisfreien Städten macht. Aber, ich denke, wir müssen alle Aspekte einer solchen Einkreisung zusammenführen, wir müssen alle Vorteile und alle Probleme natürlich gemeinsam sehen und wir müssen am Ende zu einer Endabwägung kommen. Ich glaube, gerade unter dem Aspekt einer vernünftigen Verteilung der finanziellen Lasten, all dessen, was im kommunalen Haushalt sich im Einzelplan 04 befindet, also des Bereiches Soziales und Jugend, ist eine solche Einkreisung für diese Städte ein wichtiger Vorteil, weil es zu einer solidarischen Lastentragung massiv beiträgt. Und ich glaube, wir alle, Städte und Umland, müssen begreifen, dass man Zukunft nicht gewinnt, indem man gegeneinander arbeitet, ob in der Schulnetzplanung oder bei den Volkshochschulen oder sonst wo, sondern indem man miteinander arbeitet, sich gemeinsam als Region begreift und sich gemeinsam als Region nach außen vermarktet. Das ist die Zukunft, auch für unsere heute kreisfreien Städte.

Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen, denn er scheint mir wichtig zu sein, es ist das Thema Stadtkreise. Natürlich ist es für eine Stadt und für die unmittelbar umliegenden Umlandgemeinden eine interessante Perspektive, eine gemeinsame Verwaltung in einem dann im Vergleich zum Landesdurchschnitt relativ prosperierenden Raum zu machen und dieses auch verwaltungsmäßig so abzubilden. Aber, meine Damen und Herren, stellen Sie sich bitte vor, wir würden für diese heute sechs kreisfreien Städte jeweils solche Stadtkreise bilden und wir müssten für die Räume, die dann dazwischen liegen, Landkreise konstituieren. Ich glaube, wenn Sie sich dies vor Augen halten und wenn Sie sich vor Augen halten, wie die Finanzsituation dieser verschiedenen Körperschaften dann wäre, werden Sie feststellen, dass das Modell der Stadtkreise ein sehr egoistisches Modell ist, das die eigenen Interessen nach vorne stellt, aber die Interessen der Gesamtheit hinten runterfallen lässt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Deswegen, meine Damen und Herren, können und dürfen wir als Landtag, die wir dem gesamten Land Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet sind, einen solchen Gedanken nicht verfolgen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich würde viel lieber den Fokus darauf lenken, dass wir uns noch einmal verstärkt Aspekten zuwenden, die hier ein Stückchen weit untergegangen sind, obwohl sie in der vorigen Reformdiskussion eine große Rolle gespielt haben. Mir geht es um die Interessen der Beschäftigten, die wir in der Reform ausreichend berücksichtigen müssen. Und wenn ich Peter Ritter sehe, ich glaube, dass gerade die Belegschaft des Kreises Demmin, der für eine Teilung vorgeschlagen wird, hier stärker mit ihren Belangen im Gesetz berücksichtigt werden muss.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wir müssen uns das Thema Bürgernähe noch einmal sehr genau anschauen,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Fernglas, mit dem Fernglas.)

wir müssen das Thema Stärkung der Selbstverwaltung auch bei diesem Gesetzentwurf als Leitlinie haben. Also, meine Damen und Herren, lassen Sie uns an das gehen, was ich Detailarbeit nenne an diesem Gesetz.

Ein paar Worte zum Thema Funktionalreform, Gesetz zwei und im Gesamtrahmen Nummer zwei.

Meine Damen und Herren, Sie können gerne noch mal die alten Diskussionen aus dem Anfang dieses Jahrzehnts hervorkramen und können noch mal gucken, wie dort argumentiert worden ist. Dort ist gerade von uns Sozialdemokraten immer wieder gesagt worden, Kommunalisierung macht Sinn

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und ist gut und richtig, wenn wir eine konsequente Kreisgebietsreform haben und wenn wir auf eine sehr kleine Zahl von Kreisen übertragen. Aber die Bildung dieser sehr kleinen Zahl von Kreisen hat uns das Landesverfassungsgericht untersagt.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: So ist es.)

Wir kommen also zu einer kreiskommunalen Struktur, die nach dem jetzigen Gesetzentwurf acht Körperschaften vorsieht, sechs Landkreise und zwei kreisfreie Städte. Und wenn es richtig war zu sagen, für eine großformatige Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene braucht man wenige Empfängerkörperschaften, dann ist es im Umkehrschluss genauso richtig zu sagen, wenn wir relativ viele Empfängerkörperschaften haben, dann ist eine solche Aufgabenübertragung etwas, was man sehr genau prüfen muss.

Dieses, meine Damen und Herren, hat die Enquetekommission – und der Landtag hat das übernommen – genauso gesehen, Herr Professor Methling, und hat deswegen einen sehr klaren Beschluss zu dieser Frage gefasst. Dieser Beschluss besagt, wir wollen nicht kommunalisieren auf Teufel komm raus, wir wollen nicht Dinge kommunalisieren, wo dies sachlich, fachlich nicht angemessen ist, sondern wir wollen – der Ministerpräsident hat es einfach, aber korrekt ausgedrückt – eine Regelung, wo jeder das macht, was er am besten kann. Und dieses „am besten“, ich kann Ihnen gern …

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, deshalb wollen Sie eine Pseudokommunalisierung machen.)

Nein, Herr Professor Methling,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ja, natürlich.)

nichts mit Pseudokommunalisierung,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das stimmt schon.)

sondern mit einer inhaltlichen Bestimmung, die Sie ja immer verlangen, wo eine Aufgabe erfüllt wird.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Und dieses Wort „am besten“, das der Ministerpräsident hier benutzt hat und das wir in der Enquetekommission benutzt haben, haben wir in der Enquetekommission untersetzt. Wir haben vier Kriterien entwickelt. Die heißen Rechtssicherheit, fachliche Qualität, Bürger- und Wirtschaftsnähe und Wirtschaftlichkeit.

(Zurufe von Toralf Schnur, FDP, und Udo Pastörs, NPD)

Das sind die Kriterien, an denen wir messen müssen, wo die Aufgabe zukünftig erfüllt wird. Und das, meine Damen und Herren, muss unsere Leitlinie sein und nicht das Hinterherhecheln hinter einem Fetisch, es müssen

soundso viele Stellen sein, damit das Ganze als Erfolg verkauft werden kann.

(Toralf Schnur, FDP: So wurde es auch gar nicht gesagt.)

Nein, ein Erfolg ist es dann, wenn wir nachher sagen, jetzt haben wir die Aufgaben vernünftig zugeordnet. Dann ist es ein Erfolg.

(Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, Toralf Schnur, FDP, und Udo Pastörs, NPD)

Dass wir, lieber Kollege Schnur,