Protokoll der Sitzung vom 23.09.2009

Wie gesagt, ich würde Sie bitten, ich würde Ihre Fraktion, Ihre Partei bitten, und ich glaube, den Diskussionen werden sich auch andere Parteien in diesem Land nicht entziehen wollen, dann erst mal das, worüber wir diskutieren wollen, zu definieren, damit wir nicht aneinander vorbeireden.

Ich will das an einem ganz einfachen Beispiel deutlich machen. Sie haben hier auch das Thema „Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik als Teil einer gemeinwohlorientierten Wirtschaftspolitik“ und darunter, so verstehe ich das jedenfalls, „öffentlicher Beschäftigungssektor gleichberechtigt neben Privatwirtschaft aufbauen“. Da gibt es nun offensichtlich eine Begrifflichkeit, die nicht identisch ist, wenn ich den Herrn Minister Seidel hier eben gehört habe, der „öffentlicher Beschäftigungssektor“, ich verkürze das jetzt mal, auf die Begrifflichkeit „Kommunal-Kombi und ähnliche Modelle“ reduziert. Das kann man so verstehen. Man kann das natürlich auch anders verstehen. Man kann öffentlichen Beschäftigungssektor auch als gesellschaftlich wertvolle und sinnvolle Arbeit definieren,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

die von der Allgemeinheit bezahlt werden muss. Nur dann ist natürlich die Frage: Wie weit ist denn überhaupt noch eine Abgrenzung zum Beispiel zur Privatwirtschaft möglich?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das sind doch spannende Themen.)

Das sind doch dann Bereiche, wo es heute schon privatwirtschaftlich tätige Unternehmen gibt, die damit durchaus Gewinn machen, und es gibt andere Bereiche, wo dieser Gewinn möglicherweise nicht gemacht werden kann.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Mit Steuerzuschüssen.)

Und das sind die Fragen, über die man sich erst mal verständigen muss, worüber diskutieren wir überhaupt.

Herr Kollege Holter, ich hoffe, Sie haben das aus meinen Worten entnehmen können, sofern das Diskussionsangebot von Ihnen hier unterbreitet worden ist – ich bedauere gleichfalls diese Uhrzeit,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nicht meine Schuld.)

aber das ist weder Ihnen noch mir, noch dem Präsidium geschuldet –, dass man tatsächlich diese Diskussion führt. Dann sollte man sich allerdings auch die Zeit nehmen. Ich glaube, dann kommen wir vielleicht gemeinsam auch zu parteipolitisch unabhängigen Ergebnissen, die der weiteren Entwicklung dieses Landes tatsächlich Genüge tun werden.

(Unruhe bei Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Helmut Holter, DIE LINKE)

Unter diesem Gesichtspunkt, Herr Kollege Nieszery und Herr Kollege Holter, nehmen Sie es mir persönlich, nehmen Sie es aber auch meiner Fraktion nicht übel, und wenn Sie es tun, kann ich es auch nicht ändern, das ist die Härte des Lebens, dass heute Abend diesem Antrag nicht gefolgt wird. Es ist einfach, und ich sage das in aller Deutlichkeit, Frau Kollegin Lück: Bevor man über ein so komplexes Thema diskutiert, sollte man sich wirklich darüber verständigen, worüber man diskutiert. Dann macht das Sinn und dann muss man das auch nicht unbedingt in Anwesenheit von irgendwelchen – wie haben Sie sich heute selber bezeichnet – Karnevalsjecken tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Schulte.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Fraktionsvorsitzende Herr Roolf. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN beginnt für uns schon in der Überschrift, sehr problematisch zu werden. Und das, Herr Kollege Holter, was Sie hier vorgetragen haben zu dem Antrag, und das, was der Antrag in seiner Formulierung hergibt, unterscheidet sich doch sehr deutlich. Wenn ich Ihnen die Überschrift noch einmal vortragen darf: „Sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern ermöglichen“. Das suggeriert, dass es im Augenblick nicht möglich ist, in Mecklenburg-Vorpommern eine selbsttragende Wirtschaft zu entwickeln.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Seien Sie doch nicht immer so kleingeistig! Mein Gott noch mal!)

Entschuldigung, das steht hier, ermöglichen, ermöglichen.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ich denke, wir sind in der sozialen Marktwirtschaft. Und dass sich eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das liegt an Ihrem niedrigen Steuersystem. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

in Mecklenburg-Vorpommern gestalten kann, das haben wir 1989 in Gang gebracht, als wir uns von der sozialistischen Planwirtschaft,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh!)

die uns einen Scherbenhaufen hinterlassen hat, in die Marktwirtschaft begeben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Wir haben jetzt die Möglichkeit, hier in diesem Land eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und wenn Sie dann sagen, der Aufbau Ost sei ein Nachbau West, ist das auch nicht unsere Auffassung. Der Aufbau Ost ist eine enorme Leistung aller Bundesbürger. Der Aufbau Ost ist für uns kein Nachbau West, sondern er ist für uns etwas völlig Besonderes, etwas Eigenständiges

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so!)

und eine gesamte Leistung aller Bundesbürger, die wir hier erreicht haben. Und er ist es nicht und er kann es auch gar nicht sein, weil er mit 40-jähriger Verzögerung unter ganz anderen Rahmenbedingungen hier stattfindet. Er ist eben nicht ein Nachbau West.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da habe ich aber andere Erfahrungen.)

Und wenn Sie sich 20 Jahre zurückerinnern, wir beide sind ja nun ehemalige DDR-Bürger, wenn uns vor 20 Jahren einer gesagt hätte, wir sind in 20 Jahren mit unserer Lebensqualität, mit dem, was wir erreicht haben, deutlich über den Standard von Ungarn hinweg, deutlich über den Standard von Tschechien hinweg, dann wären wir beide die glücklichsten Menschen der Welt gewesen und hätten gesagt, das ist für uns etwas, was wir uns wünschen, was wir erreichen können. Heute sind Ungarn und Tschechen deutlich hinter dem, was wir in Mecklenburg-Vorpommern, in den neuen Bundesländern und in der gesamten Bundesrepublik Deutschland erreicht haben. Und wir sollten bei allen Betrachtungen, die wir machen, real bleiben und fragen: Was für eine Hypothek haben wir aus 40 Jahren Sozialismus gehabt und was haben wir geleistet in dieser sozialen Marktwirtschaft? Die soziale Marktwirtschaft ist das einzige Gesellschaftsmodell, was uns diese Entwicklung überhaupt ermöglicht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und da, meine Damen und Herren, sind wir dann am entscheidenden Punkt dieses Antrages. Wir sollten ganz oft und ganz viel darüber diskutieren, was wir für Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam gestalten können. Aber wir sollten den Menschen auch klar sagen, mit welchen Gesellschaftsmodellen wir da rangehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Sie sagen den Menschen ganz klar und ganz deutlich, wir wollen, dass der Staat mehr eingreift, wir wollen mehr öffentliche Beschäftigung, wir wollen mehr Einfluss des Staates,

(Regine Lück, DIE LINKE: Da, wo es notwendig ist, muss man regulieren.)

wir wollen nicht die freie Entwicklung der einzelnen Unternehmensbereiche. Das ist Ihr Gesellschaftsmodell. Das will ich Ihnen ja gar nicht ausreden. Aber wenn wir mit Ihrem Gesellschaftsmodell und unserem Gesellschaftsmodell gemeinsam eine Wirtschaftspolitik machen wollen, Herr Kollege Holter, funktioniert das nicht, weil wir die Auffassung haben, dass sich in diesem Land in einer freiheitlichen Demokratie eine sich selbst tragende Wirtschaft entwickeln kann. Genau das stellen Sie mit Ihrer grundsätzlichen Auffassung zu unserer Gesellschaft infrage.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Deswegen fordern Sie auch noch mal einen Nachschlag für die Förderung im Tourismus.)

Und aus dem Grund ist es für uns schwierig, zu so einem Antrag hier mit Ihnen in die Diskussion zu gehen. Ich lade Sie gerne ein, dass wir einzelne inhaltliche Punkte im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Sie können das gern in Selbstbefassung einbringen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: So eine Diskussion führen wir doch nicht.)

Die Art und Weise, wie Sie heute mit der Überschrift hier in die Diskussion reingehen, bringt uns an keiner Stelle weiter.

Eines will ich zum Abschluss deutlich sagen: Wir können diskutieren und können uns darüber unterhalten, aber mit uns Liberalen wird es keine Verwischung von Positionen geben. Wir sagen klar, wofür wir stehen, und Sie sagen bitte auch weiter klar, wofür Sie stehen, und der Bürger soll draußen entscheiden, was für ihn das Vernünftigste ist. – Vielen Dank.

(allgemeine Unruhe – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war aber eine inhaltsschwere Rede.)

Danke schön, Herr Roolf.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Rede vorbereitet, habe sie auch hier liegen, aber ich möchte sie jetzt nicht mehr halten.

Herr Holter, entgegen meiner Erwartung forderten Sie zu Sachlichkeit und Diskussion auf und das möchte ich dann auch so tun. Ich dachte, es kommt anders rüber. Es fällt mir auch schwer, nach den Ausführungen vom Wirtschaftsminister und von...

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die nicht sachlich waren.)