(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir bringen heute als Landesregierung wirklich ein wichtiges Gesetz ein,
nämlich dass wir auch in der Zukunft die Möglichkeit eröffnen, die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin“ beziehungsweise „Staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker“ handhaben zu können.
Ich will an dieser Stelle sagen, neben der Diskussion, die zur Aktuellen Stunde stattgefunden hat, ich glaube, wenn man sich die Land- und Ernährungswirtschaft anschaut, wer auf der MeLa gewesen ist, und wer dann auch noch zur Kenntnis nimmt unsere Lebensmittelkontrollen und vor allem die Behörden in den Landkreisen in Zusammenarbeit mit dem LALLF in Rostock, dann muss man immer wieder von Anerkennung unserer lebensmittelverarbeitenden Unternehmen sprechen. Und zum anderen, was in der Lebensmittelkontrolle und -überwachung in unserem Land geleistet wird, ist wirklich hervorragend. Ich glaube, das darf man auch mal sagen.
Nun wird sich der eine oder andere wundern, wir haben doch ein Gesetz. Und auf der anderen Seite: Warum bringt man jetzt ein Gesetz wieder ein? Für diejenigen, die sich mit dem Thema nicht jeden Tag auseinandersetzen: Wir haben in der Landesregierung entschieden, dass das Verfallsdatum eines Gesetzes fünf Jahre beträgt, das heißt unterm Strich, dass nach fünf Jahren geprüft wird, ob und inwieweit ein solches Gesetz weiter Bestand haben soll. Aus diesem Grunde bitten wir dieses Hohe Haus darum, ab dem 1. Januar 2010, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern folglich diese Berufsbezeichnung weiter tragen können und damit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wichtige Grundlage schaffen.
Im Übrigen ist in Deutschland die Lebensmittelkontrolle und -überwachung und damit der Beruf eines „Geprüften Lebensmittelchemikers oder -chemikerin“ eine Tradition von über 100 Jahren. Nicht umsonst haben wir zum Glück Krisen entweder schnell gemeistert oder sie vor allen Dingen verhindert, und das nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern auch bei den Bedarfsgegenständen, die wir alle nutzen, jeden Tag mehrfach, oder beim Tabak oder im Übrigen auch bei anderen Genussmitteln.
Der Lebensmittelchemiker ist insofern für uns unverzichtbar bei der Lebensmittelkontrolle und -überwachung. Wenn wir uns die Zahlen mal anschauen, was in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren, allein im Jahr 2008 im Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelüberwachung und Fischerei an Kontrollen und Überwachungen nur im Lebensmittelbereich und bei den Bedarfsgegenständen vorgenommen worden ist, dann bestechen die Zahlen aus meiner Sicht, nämlich 7.752 Lebensmittelproben und 643 Proben von Bedarfsgegenständen sind untersucht worden.
Auf der anderen Seite haben unsere Lebensmittelchemikerinnen und -chemiker dabei klar herausgefunden, dass immerhin 970 Lebensmittelproben oder 99 Bedarfsgegenstandsproben nicht die rechtlichen Anforderungen erfüllten. Das heißt also, Kontrolle ist nach wie vor wich
tig. Dies entspricht immerhin einer Beanstandungsquote von 12,5 Prozent bei den Lebensmittelproben oder – noch schlimmer – 15,4 Prozent bei den Bedarfsgegenständen.
Ich kann Sie an dieser Stelle aber auch und möchte Sie beruhigen, das bedeutet natürlich nicht, dass über 12 Prozent unserer Lebensmittel gesundheitsgefährdend sind. Nein, wir haben hier in diesen und mit diesen Produkten Kontrollen durchgeführt und damit natürlich auch optimalen Nutzen für die Verbraucherinnen und der Verbraucher dargestellt. Dadurch ergibt sich erwartungsgemäß auch eine hohe Beanstandungsquote bei optimaler Nutzung unserer Untersuchungskapazitäten, die unter Überwachungstätigkeit natürlich auch auf kritische Bereiche fokussiert werden, die nicht direkt Einfluss auf die Qualität der Gegenstände in sich trägt.
In diesem Sinne glaube ich deutlich machen zu können, dass wir auch dieses Gesetz einbringen, um zum anderen zusätzlich an das EU-Recht anzupassen. Auch hier sind wir sehr stark an das EU-Recht gebunden und die Benennung der Rechtsgrundlagen wird hier auf Vordermann gebracht, wenn Sie es so wollen. Zum anderen wird auch deutlich gemacht, dass wir im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens andere Anpassungen, die unter anderem das Ministerium angehen, aktualisieren.
Insofern wünsche ich mir eine schnelle Möglichkeit der Beratung, damit auch zum 01.01.2010 die Berufsbezeichnung weiter vorgenommen werden kann. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 5/2751 zur Beratung an den Agrarausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/2764.
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in MecklenburgVorpommern (Untersuchungshaft- vollzugsgesetz Mecklenburg- Vorpommern – UVollzG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/2764 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 55 Jahre Übergangskonstruktion sollen nun ein Ende haben, denn mit der Föderalismusreform 2006 ist in die Gesetzgebung zum Straf- und Untersuchungshaftvollzug endlich Bewegung gekommen.
Die Erarbeitung des Jugendstrafvollzugsgesetzes stand noch unter den inhaltlichen wie zeitlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Bei dem jetzt vorliegenden Entwurf des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes ist dies nicht so. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht die derzeit noch geltende Untersuchungshaftvollzugsordnung als rechtsstaatlich ausreichend hingenommen. Aber ich meine, „rechtsstaatlich ausreichend“, mit dieser Note dürfen und wollen wir uns nicht zufrieden geben. Deshalb sollen die bisher geltenden Verwaltungsvorschriften durch den vorliegenden Entwurf des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern nun endgültig abgelöst werden.
Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf machen wir nach dem Jugendstrafvollzugsgesetz den zweiten wichtigen Schritt zur umfassenden gesetzlichen Regelung des Strafvollzuges. Der dritte und letzte Schritt wird sich daran – lassen Sie mich das bereits hier anmerken – unmittelbar anschließen. Bereits in Kürze beginnen wir mit der Erarbeitung eines Entwurfs für ein Landesstrafvollzugsgesetz.
Die Erarbeitung des Landesuntersuchungshaftvollzugsgesetzes war ein weitaus schwierigeres Unterfangen als beim Jugendstrafvollzugsgesetz. Das hängt mit der besonderen Aufgabe der Untersuchungshaft zusammen. Der Vollzug der Untersuchungshaft hat nämlich nur eine dem Strafverfahren dienende Funktion. Die Untersuchungshaft soll vor allem ein geordnetes Strafverfahren ermöglichen. Die Gesetzgebungskompetenz für das Strafverfahrensrecht verblieb aber – zu Recht – auch nach der Föderalismusreform beim Bund.
Die besondere Herausforderung bei der Erarbeitung des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes lag darin, dass der Entwurf passgenau mit den durch den Bund vorgesehenen notwendigen Neuregelungen der Strafprozessordnung zur Untersuchungshaft abzustimmen war. Anders als bei der Strafhaft muss bei der Untersuchungshaft sichergestellt sein, dass der Vollzug die zur Sicherung des Strafverfahrens durch das Gericht getroffenen Anordnungen beachtet. Insoweit war es notwendig, die Kompetenzen des Haftrichters von denen der Vollzugseinrichtung trennscharf voneinander abzugrenzen.
Der Entwurf des Bundes zur Änderung der Strafprozessordnung hat im Juli dieses Jahres den Bundesrat passiert. Ich gehe davon aus, dass die Neufassung zum 1. Januar 2010 in Kraft tritt. Dieses Ziel haben wir uns ebenfalls gesetzt. In Mecklenburg-Vorpommern wird es dann eine lückenlose gesetzliche Regelung des gesamten Rechtsbereichs der Untersuchungshaft geben.
Einer der Leitgedanken des Entwurfs ist die zugunsten des Untersuchungsgefangenen geltende Unschuldsvermutung. Diese besteht solange, bis die Schuld durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt ist. Die gesamte Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft muss von ihr geprägt sein. Das bedeutet, über den Freiheitsentzug hinausgehende Beschränkungen müssen so gering wie möglich gehalten werden.
Vielleicht muss man sich in diesem Zusammenhang noch einmal verdeutlichen, was die Anordnung und der Vollzug der Untersuchungshaft für den Einzelnen konkret bedeuten. Sämtliche Kontakte zur Außenwelt werden
abrupt abgebrochen. Arbeits- und Ausbildungsplätze können nicht mehr aufgesucht werden. Die finanzielle Absicherung des Lebensunterhalts ist gefährdet und ohne Zustimmung der Vollbezugsbehörde können selbst die einfachsten Dinge des Lebens nicht mehr eigenständig bewältigt werden. Diesen Belastungen, die durch die Auseinandersetzung mit dem gegen den Betroffenen erhobenen Tatvorwurf noch verstärkt werden, will das neue Untersuchungshaftvollzugsgesetz im Rahmen der Möglichkeiten einer Freiheitsentziehung entgegenwirken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen heute nicht den gesamten materiellen Inhalt des Gesetzentwurfes in allen Einzelheiten vorstellen. Lassen Sie mich aber einige Kernpunkte nennen:
Es ist festgeschrieben, dass die Untersuchungsgefangenen von Gefangenen anderer Haftarten zu trennen sind. Sie sollen während der Ruhezeit grundsätzlich einzeln untergebracht sein. Zur Arbeit eingesetzte Untersuchungsgefangene erhalten zukünftig den gleichen Lohn wie Strafgefangene. Bedürftigen Untersuchungsgefangenen kann ein Taschengeld gewährt werden.
Die Mindestbesuchszeit wird für Erwachsene auf zwei Stunden pro Monat verdoppelt und für junge Untersuchungsgefangene sogar auf vier Stunden erweitert. Für Kinder unter 14 Jahren besteht ein weitergehendes Besuchsrecht von bis zu zwei Stunden monatlich. Ebenso werden die Angebote an Bildung, Sport und Freizeitgestaltung verbessert.
Besonders hervorheben möchte ich, dass den besonderen Belangen des Vollzuges der Untersuchungshaft an jungen Gefangenen, das sind die zwischen 14 und 23 Jahren, in einem eigenen Abschnitt des Entwurfs Rechnung getragen wird. Dies deshalb, um insbesondere schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges effektiv entgegenzuwirken. Der Ihnen vorliegende Entwurf orientiert sich dabei an den Grundsätzen des Jugendstrafvollzugsgesetzes.
So steht auch hier die Erziehung im Vordergrund. Denn Untersuchungshaft darf nicht nur „tote Zeit“ sein, in der die jungen Untersuchungsgefangenen bis zu 23 Stunden täglich allein auf ihrem Haftraum verbringen. Gerade die jungen Gefangenen sollen die Zeit bis zur Gerichtsverhandlung nicht nur absitzen, sondern sinnvoll nutzen. Daher sollen künftig auch diesen jugendlichen Inhaftierten verstärkt Bildungs-, Sport- und Freizeitmöglichkeiten angeboten werden. Ferner soll die Zusammenarbeit der Jugendanstalt mit externen, staatlichen und privaten Institutionen wie Jugendämtern, Schulen oder beruflichen Bildungsträgern intensiviert werden. Bei minderjährigen Untersuchungsgefangenen sollen zudem möglichst auch die Eltern und andere Personensorgeberechtigte in die Vollzugsgestaltung einbezogen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf ist geprägt durch fachliche Erwägungen gepaart mit langjähriger Vollzugserfahrung der an der Erarbeitung Beteiligten. Er bietet alle Voraussetzungen dafür, einen zeitgemäßen, an den Grundrechten der Betroffenen orientierten Vollzug weiterzuentwickeln und zu verbessern. Ich freue mich auf die Diskussion von Einzelfragen in den Ausschüssen. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir über Gesetzgebung zur Gestaltung freiheitsentziehender Maßnahmen im Allgemeinen und wie heute über das Untersuchungshaftvollzugsgesetz im Besonderen reden, sollten wir zugleich auch immer die Föderalismusreform I in Erinnerung rufen.
Da ich für unsere Fraktion dieses Thema bearbeitet habe, kann ich mich noch sehr gut an die Debatten – auch hier im Parlament – erinnern. Rot-Rot hatte die Reform im Bundesrat abgelehnt, unter anderem auch und eben wegen der Neuordnung der Zuständigkeiten auf die Länder und der damit verbundenen Zersplitterung im Strafvollzug.
Und wer wie ich den Parlamentarischen Abend des Beamtenbundes erlebt hat, konnte noch einmal eindrucksvoll erleben, dass wir mit unserer Position nicht allein waren, mal ganz abgesehen von der Position des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, die ebenfalls aus fachlicher Sicht auf die zu befürchtenden Folgen verwiesen haben.
Und, meine Damen und Herren von der CDU, Sie behaupten ja immer, Ihre europapolitische Kompetenz sei so enorm, aber in diesem Bereich haben Sie alles ausgeblendet auf Bundesebene. Denn wenn Sie sich die Entwicklung in der Europäischen Union angesehen hätten oder mal ansehen würden, dann könnten Sie feststellen, welche Prioritäten insbesondere hier gesetzt werden. Hier läuft alles auf die Angleichung der rechtlichen Regelungen innerhalb der Mitgliedsstaaten hinaus. Und da muss mal die Frage, was den Bundesländern ihre neue Gesetzgebungszuständigkeit gebracht hat, einfach erlaubt sein.
Es ist für die Bürgerinnen und Bürger, die laufend von den regierungstragenden Parteien zu hören bekommen, dass endlich Deregulierung auf der Tagesordnung stehen muss, überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen, wenn man feststellt, dass zwölf Länder den nun vorliegenden Gesetzentwurf als Muster erarbeitet haben. Dann fällt einem wirklich nichts mehr ein. So war es beim Jugendstrafvollzugsgesetz und so ist es auch heute beim Untersuchungshaftvollzugsgesetz.
War dazu eine Übertragung der Gesetzgebungskompetenz wirklich nötig? Und inwiefern erschwert die deutsche Verfassungslage den Harmonisierungsprozess in der Europäischen Union?