Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

unbestritten existierende Armut bekämpft werden kann, erschließt sich weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick. Aber ich hoffe, dazu noch Ausführungen zu hören.

Dann fordert DIE LINKE das Verbot spekulativer Anlagegeschäfte. Im Kontext mit Punkt 2, „die Einführung einer Börsenumsatzsteuer“, die sicherlich zur Finanzierung von Unterstützungsleistungen gedacht ist, wird es interessant. Spekulative Anlagegeschäfte definiert man bezogen auf Börsentransaktionen als, ich zitiere, „den Kauf von Wertpapieren oder Rechten nicht zum Zwecke der Anlage, sondern des Wiederverkaufs mit Gewinn nach einem Anstieg des Preises für diese Werte“. Zitatende. Sie wollen also Erträge aus einer Börsenumsatzsteuer zur Finanzierung zum Beispiel von Sozialleistungen heranziehen, nachdem Sie mit vorgenanntem Verbot die meisten umsatzsteuerrelevanten Börsentransaktionen untersagt haben. Das nenne ich mal solide finanziert.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das stimmt doch überhaupt nicht.)

Das erinnert mich auch gleich an die im Wahlkampf kursierenden Plakate der LINKEN: „Reichtum für alle“ und „Reichtum besteuern“!

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig.)

Na wie denn nun?

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Zuerst werden alle Reichen besteuert, damit wir alle reich werden, und wenn wir dann alle reich sind, werden wir alle besteuert, damit wir alle reich bleiben?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie nehmen Reichtum und Armut nur finanziell, nur finanziell bewerten Sie das.)

Wer soll Ihnen das denn glauben?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ach, Sie wollen also auch geistigen Reichtum besteuern?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Zum Beispiel, aber das habe ich nicht gesagt. – Irene Müller, DIE LINKE: Reichtum ist mehr als Geld.)

Wenn Sie zwei verschiedene Sachverhalte mit ein und demselben Begriff definieren, nennt man das in der Werbung „irreführende Werbung“,

(Egbert Liskow, CDU: Genau. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so?)

und das ist meiner Meinung nach untersagt. Vielleicht sollte man auch bei Wahlwerbung mal darüber nachdenken.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dann haben wir Sie jetzt irregeführt. – Irene Müller, DIE LINKE: Ja, wir haben die Kraft.)

Aber ich will auch auf die geforderte Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Millionärsabgabe eingehen.

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Sicherlich, derartige Steuern und Abgaben würden viel Geld in die öffentlichen Kassen spülen, vorausgesetzt, alle Steuerpflichtigen würden auch zukünftig ihre Steuern in Deutschland zahlen. Die Erfahrungen zeigen etwas anderes. Gerade Hochqualifizierte und Gutverdiener verlassen Deutschland, nicht nur, aber auch wegen der hohen Abgabenlast.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist aber nicht in Ordnung. Das ist nicht in Ordnung.)

Ob wir uns das leisten können und wollen, scheint in Anbetracht der demografischen Herausforderungen in der Zukunft mehr als fraglich.

Und auch das Thema Mindestlohn will ich nicht aussparen.

(Gino Leonhard, FDP: Nein.)

Ich bin mir bewusst, dass es hierzu auch mit unserem Koalitionspartner unterschiedliche Auffassungen gibt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach!)

Mindestlohn bedeutet vordergründig mehr Geld für bisher schlecht bezahlte Arbeitnehmer.

(Irene Müller, DIE LINKE: Frau Schwesig sagt, Sie sind sich einig.)

Dagegen kann doch eigentlich niemand sein? Aber es ist nur die eine Seite der Medaille. Lohnkosten werden regelmäßig auf den Preis von Produkten und Dienstleistungen umgelegt. Höhere Lohnkosten bedeuten also regelmäßig höhere Preise, wenn der Verbraucher sie denn akzeptiert. Können erhöhte Lohnkosten nicht umgelegt werden, dann verkraften das einige Unternehmen, andere dagegen nicht, mit allen damit verbundenen Konsequenzen auch für die Arbeitnehmer.

Ein flächendeckender Mindestlohn brächte also eine nicht genau zu beziffernde Erhöhung der Lebenshaltungskosten mit sich. Daraus würde sich das Erfordernis einer Erhöhung der Regelsätze nach SGB II und SGB XII ergeben, die zu finanzieren wären.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das ergibt sich aus dem Tarifabschluss.)

Auch eine Rentenerhöhung im Zuge der allgemeinen Lohnentwicklung würde zusätzliche Finanzmittel erfordern. Die Bereitstellung dieser Mittel erfolgt in der Regel über eine Erhöhung von Steuern und Beiträgen. Diese wiederum wären auch durch die in den Genuss von Mindestlohn kommenden Arbeitnehmer zu entrichten. Wenn man dann noch Punkt 7 des Antrags der LINKEN hinzunimmt, „die Wiederherstellung der Lebensstandardsicherung im Rahmen der gesetzlichen Rente“, was nur über eine erhebliche Steigerung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu finanzieren wäre, steht schon die Frage im Raum: Was bleibt an zusätzlicher Kaufkraft bei den Arbeitnehmern durch die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns? Denn letztendlich interessiert es die Arbeitnehmer weniger, wie viel

mehr brutto sie erhalten, sondern wie viel mehr sie sich davon kaufen können.

(Egbert Liskow, CDU: Jawohl.)

Und auch Punkt 5, die Forderung eines dauerhaften öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, wirft mehr Fragen auf, als er Lösungen anbietet. Ein solcher öffentlich geförderter Beschäftigungssektor birgt immer die Gefahr von Verdrängung zulasten des ersten Arbeitsmarktes. Dass dieses nicht gewollt sein kann, unterstelle ich auch der Fraktion DIE LINKE.

Sicherlich gibt es auch Tätigkeiten, die nicht zur Verdrängung führen. Entsprechende Erfahrung konnte DIE LINKE während ihrer Regierungszeit auch sammeln. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Große Anfrage meiner Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode zum Operationellen Programm, das bekanntermaßen von Herrn Holter verwaltet wurde. Aber ich frage mich und vor allem Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der LINKEN: Wie viel originalgetreue Nachbauten der Raumstation ASS, wie viele Chroniken über das Genossenschaftswesen und öffentlich geförderte Kräuterhexen kann und will sich dieses Land leisten?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Der Punkt 6, die Forderung einer altersspezifischen bedarfsdeckenden Ermittlung und Anhebung der Regelsätze nach SGB II und SGB XII, wurde in Landtagsdebatten schon so oft diskutiert, dass ich nur auf meine vorangegangenen Aussagen zur Finanzierbarkeit verweisen möchte.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wir werden Ihre Rede kopieren und weitergeben.)

Aber Punkt 7, „die Wiederherstellung der Lebensstandardsicherung im Rahmen der gesetzlichen Rente“, den ich ebenfalls schon angesprochen habe, verdient eine weitergehende Befassung,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Reden Sie doch mal über die Menschen, Frau Schlupp!)

ein Thema, das auf Bundesebene beraten werden müsste

(Helmut Holter, DIE LINKE: Müsste, müsste!)

und dort auch schon beraten wurde.

Um uns allen einen Einblick in die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags zu geben, möchte ich aus einer Rede anlässlich der Bundestagsdebatte zum Antrag der LINKEN „Wiedereinführung der Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente“ vom 6. Juli 2007 zitieren, denn für einen solchen Antrag braucht man Mehrheiten. Von daher zitiere ich weder die Äußerungen der CDU oder der FDP zu diesem Antrag und auch nicht die der SPD. Nein, ich zitiere aus einer Rede von Frau Irmingard Schewe-Gerigk von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diesem Antrag. Sie sagt: „Es ist antiquiert, zur Rentenformel aus dem Jahr 1992 zurückkehren zu wollen. Mir wäre es peinlich …, wenn ich einen solchen Vorschlag gemacht hätte.“ Weiterhin führt sie aus: „Mit uns ist eine solche Rattenfängerpolitik nicht zu machen.“ Und ihr Schlussresümee lautet: „Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, Ihre Konzepte sind rückwärtsgewandt, nicht finanzierbar und unseriös. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Zukunftsperspektiven der jungen Generation.“

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach ja?!)

„Die Jungen müssen durch steigende Sozialabgaben die Zeche zahlen, ohne die Sicherheit zu haben,“

(Gino Leonhard, FDP: Genauso ist es.)

„selbst später einmal eine auskömmliche Rente zu erhalten. Eine solche Politik ist billiger Populismus und rückwärtsgewandt.“

(Michael Roolf, FDP: Jawohl.)

„Das werden wir nicht akzeptieren.“