Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

Deshalb haben wir im Ministerium eine Arbeitsgruppe „Gesundheit für Mutter und Kind“ gegründet. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Schwangere zu begleiten und zu unterstützen. Dabei greifen wir auf das Know-how von Frauenärzten, Hebammen und Beratungsstellen zurück. Bisher standen in diesen Gesprächen die Themen „Alkohol und Rauchen“ im Mittelpunkt. Ich nehme die Anregungen der Regierungsfraktionen gern auf, auch die Ernährung stärker in das Blickfeld zu rücken. – Insofern, Frau Borchardt, sehen Sie, der Antrag kann auch mal zusätzlichen Schwung in unsere Bemühungen bringen. – Dafür gibt es auch gute Argumente. Das Essverhalten wird in der frühen Kindheit geprägt. Wissenschaftler sagen, dass dies möglicherweise sogar schon vor der Geburt passiert. Ausgewogene, vielseitige Ernährung in der Schwangerschaft und langes Stillen schaffen also eine gute Grundlage für die Entwicklung des Kindes. Später erreichen wir die Kinder und ihre Eltern in den Kitas und in den Schulen.

Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist besonders der Bereich Kita. Bei zahlreichen Besuchen in Kitas habe ich erfahren, dass das Engagement der Erzieherinnen und Erzieher außerordentlich groß ist, gerade wenn es um das Thema „Ernährung und Bewegung“ geht. Und dieses Engagement wollen wir mit der Novellierung des Kindertagesstättenförderungsgesetzes untermauern, indem wir den Rahmen verbessern, in dem Erzieherinnen arbeiten. Erzieherinnen sollen mehr Zeit für Elternarbeit erhalten, weil es insbesondere wichtig ist, die Kinder über die Eltern zu erreichen.

Wir haben außerdem zum Beispiel gemeinsam mit dem Innenministerium – oder der Innenminister selber hat dieses Projekt gestartet – zum Beispiel „Sporttüte“, wo Kitas noch mal mit tollen und auch witzigen Sportgeräten ausgestattet worden sind, sodass einfach die Bewegung von Kindern gefördert werden kann, und wir haben das Projekt „Bewegte Kinder“.

Frau Borchardt, ich hatte es heute schon bei dem anderen Punkt gesagt: Mir ist das Thema „Familienberatung andocken an Kitas“, sehr wichtig, um auch Eltern, die vielleicht noch nicht so fit sind in der Frage „Gesundheit und Bewegung für Kinder mit Kindern“ zu unterstützen. Ich habe mich hier insbesondere mit Erzieherinnen von Kitas sozialer Brennpunkte unterhalten, dass es sehr wichtig ist.

Ich hatte heute auch schon erwähnt, dass es gelungen ist, im Doppelhaushalt zusätzliche Gelder für den Kinderschutz einzustellen. Diese sollen zum Beispiel genutzt werden für den Ausbau der Familienhebammen, also der Arbeiterfamilienhebammen. Hier hoffe ich, dass es uns gelingt, so, wie es Gesundheitsminister und Familienminister einstimmig 16:0 beschlossen haben, Hebammen dauerhaft besser zu finanzieren, damit wir mit den Familienhebammen frühzeitig die Familien erreichen, die es auch wirklich brauchen.

Ich hatte eingangs schon berichtet, wie wir uns das vorstellen. Wir haben zum Beispiel ein Projekt in Rheinland-Pfalz, wo Familienhebammen schon in Krankenhäusern da sind, wenn ein Kind zur Welt kommt, und Familien beraten, alle Familien, sodass es keine Stigmatisierung gibt. Solche Projekte kann ich mir eben auch gut für Mecklenburg-Vorpommern vorstellen. Frühzeitig bei Eltern sein, frühzeitig Eltern helfen, auch beim gesunden Aufwachsen.

Insofern sehen Sie, Frau Borchardt, wenn Ihre Frage vorhin ernst gemeint war, würden Sie vielleicht auch die Antwort gerne hören, dass wir im Haushalt auch dafür Gelder eingestellt haben. Natürlich sollen auch die zusätzlichen Millionen für die Kita-Förderung gerade das Ziel Gesundheitsförderung, was schon im ursprünglichen KiföG eingestellt worden ist, untermauern. Wir wollen an der Stelle insbesondere für sozial benachteiligte Kinder auch in Bezug auf Gesundheitsvorsorge mehr erreichen.

Als schönen Fortschritt werte ich auch die Vernetzungsstelle für Schulverpflegung, die im Frühjahr ihre Arbeit aufgenommen hat. Sie wurde mithilfe des bundesweiten Programms „In Form“ eingerichtet. Die Vernetzung bietet allen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern Unterstützung bei der Umsetzung der Qualitätsstandards für die Schulverpflegung, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung entwickelt hat. Hier darf ich Ihnen auch sagen, wir haben vor, als Standard im KiföG die Empfehlung auszugeben, dass beim Essen zukünftig auch die entwickelten Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Kitas angewandt werden. Das ist in vielen Kitas der Fall. Wenn wir diese Empfehlung im KiföG haben, dann würde das auch noch mal die anderen Kitas bestärken, an der Stelle auch nachzuziehen.

Wir alle wollen starke Kinder, die so gesund und unbeschwert wie möglich ins Leben starten. Mit dem Landesaktionsplan für Gesundheitsförderung und Prävention sind wir zweifellos auf einem guten gemeinsamen Weg. Dies bestätigte schon der erwähnte Professor Rosenbrock. Frau Präsidentin, gestatten Sie bitte, dass ich Professor Rosenbrock, der einer der renommiertesten Gesundheitswissenschaftler Deutschlands ist, kurz

zitiere. Zitat: „Im vorliegenden Vergleich staatlicher Dokumente verdient der Landesaktionsplan Mecklenburg-Vorpommern im Sinne der Gesundheitswissenschaften als fortschrittlichstes Programm gewürdigt zu werden.“ Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! „Der Bericht zur Lebenssituation von Haushalten mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern“, der zu Beginn der Woche der Öffentlichkeit übergeben wurde, ist hier schon mehrfach erwähnt worden. Ich habe ihn gestern Abend mit Interesse gelesen. Es ist tatsächlich so, er enthält nichts Neues, aber als Kompendium liest es sich doch gut. Das darf ich mal so sagen. In diesem Bericht finden wir auf Seite 78 fortfolgende Ausführungen zum Übergewicht von Kindern bei Einschulungsuntersuchungen im Land. Wir erfahren dabei, dass in Mecklenburg-Vorpommern dieser Anteil übergewichtiger Kinder tatsächlich bundesweit relativ hoch, aber eben in den Jahren 2003 bis 2007 der Anteil übergewichtiger Kinder auch relativ gleich geblieben ist, also immer noch bei 13,6 Prozent liegt, wobei interessant ist, die Abgeordneten mögen zuhören, dass der in der Hansestadt Stralsund und auf Rügen signifikante Anteil der adipösen Kinder in dem genannten Zeitraum rückläufig ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das liegt an deinem Wahlkreis.)

Ja genau, deshalb sage ich es doch, und keiner sagt was. Gut, danke, Professor Methling.

Das ist einerseits interessant, provoziert aber die Fragen: Wie kann dieser Anteil gemindert werden? Kann er überhaupt gemindert werden und, wenn ja, auf welche Weise?

Wir wissen, dass neben genetischen Komponenten beim Übergewicht von Kindern wie eben auch bei Erwachsenen die Lebensweise in ihren Familien und den anderen Lebenswelten eine entscheidende Rolle spielt. Meine Fraktion plädiert deshalb dafür, den Ansatz des vorliegenden Antrages wesentlich breiter zu fassen und von einem positiven präventiven Ansatz her zu formulieren.

Es ist doch so, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, und das wissen Sie auch, Frau Ministerin, wir wissen doch nicht erst seit PISA, dass es in der Bundesrepublik einen nicht wegzudiskutierenden Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und ihrem Bildungsstand, aber auch ihrem Gesundheitszustand gibt.

Die rot-rote Landesregierung hat gerade unter Beachtung dieses Zusammenhangs bereits im Mai 2003 die 1. Kindergesundheitskonferenz abgehalten. Hier wurden – und das ist ja das, was Sie mit Ihrem Antrag fordern – alle Partner des Gesundheitswesens, der Kinder- und Jugendhilfe und des Bildungswesens zusammengeführt. Diese Konferenz verabschiedete unter dem Titel „Chancengleich gesund aufwachsen in Mecklenburg-Vorpommern“ Kindergesundheitsziele für die Kinder des Landes. Gesunde Ernährung, Stressfreiheit, Konfliktbewältigungsstrategien, Bewegung, all das gehörte dazu.

Im Kindertagesförderungsgesetz 2004 wurde unter anderem ein Anspruch der Kinder auf eine gesunde Lebensführung verankert und durch eine Verordnung über die Anleitung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege zur gesunden Lebensführung gemäß Paragraf 24 Absatz 5 des Kindertagesförderungsgesetzes untersetzt. Auf der Zweiten Kindergesundheitskonferenz im Jahr 2005 konnte dann eine erste Zwischenbilanz gezogen werden. Und im Jahr 2006 hat MecklenburgVorpommern als erstes Land der Bundesrepublik damals einen Kindergesundheitsbericht mit entsprechenden Handlungsempfehlungen vorgelegt, der – einem Auftrag des Landtages folgend – um einen Landesaktionsplan zur Suchtprävention in den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen ergänzt wurde.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete der Koalitionsfraktionen, Herr Ministerpräsident, Frau Ministerin, Sie haben es seit 2007 schlicht versäumt, konsequent an diesen Vorarbeiten anzuknüpfen, und lassen das Thema nun als Antrag von den Koalitionsfraktionen aufrufen?

(Reinhard Dankert, SPD: Das war schon unsere eigene Initiative.)

Nein, Sie lassen es erneut aufrufen.

Wie ist es zu verstehen, dass SPD und CDU einen Antrag wiederholen,

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

den Sie mit einer ähnlichen Zielstellung im Februar 2008 schon einmal hier vorgetragen haben?

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das können wir gar nicht oft genug machen.)

Im Antrag mit der Drucksache 5/1288 ging es Ihnen ebenfalls um die Stärkung der Kindergesundheit und die Weiterentwicklung der individuellen Förderung, um die Stärkung der Elternarbeit sowie um die Prüfung einer besseren Zusammenarbeit von Kita und Schule und so weiter und so weiter, also alles das, was im Antrag steht. Die dem hier heute vorliegenden Antrag beigefügte Begründung wirkt annähernd wie eine Kopie aus dem Jahre 2008.

Was – und jetzt frage ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen – ist denn nun aus Ihrem Antrag des vergangenen Jahres geworden? Was wurde veranlasst? Was wurde, was wird und wie und wo wird es umgesetzt?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Scheinbar nichts.)

Frau Ministerin hatte heute viel Konzeptionelles vorgetragen und auch sehr viel Unterstützenswertes. Ich würde sagen, es hat sich ja fast angehört wie eine Anti-Agenda2010-Rede. Nun, wir werden sehen, was daraus wird.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Das Thema ist zu ernst, um mich jetzt hier weiter mit der Rede zu befassen.

Mecklenburg-Vorpommern ist tatsächlich das Flächenland mit der kompliziertesten sozialen Situation in der Bundesrepublik. Das haben wir auch diesem heute schon mehrfach zitierten Bericht entnehmen können. Die Zahlen in diesem Bericht untersetzen es. Die äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommen liegen

mit 1.046 Euro um 17 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Ja, Kinderarmut ist Elternarmut. Der Gesundheitszustand der Kinder hat viel mit ihrer sozialen Situation zu tun. Armut findet ihren Niederschlag in ungesunder Lebensweise, aber auch in unzureichender Teilhabe an geistig-kulturellen und sportlichen Angeboten.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Deswegen: Reichtum für alle!)

Ich zitiere aus dem oben genannten Bericht, Seite 105 fortfolgende. Hier heißt es: „Der wesentliche Grund für die geringere Nutzung der Freizeitangebote durch ökonomisch schwache Familien ist in den Kosten der Angebote zu sehen. Aufgrund der eingeschränkten Auswahl günstiger Freizeitangebote sind die wirtschaftlich schwachen Familien auch mit der Vielfalt und der Erreichbarkeit der Freizeitangebote weniger zufrieden als Familien mit höherem Einkommen.“ Ende des Zitats. Abgefragt wurden Freizeitangebote wie Kino, Theater, Konzertbesuche ebenso wie die Mitwirkung in Sportvereinen und der Besuch von Schwimmhallen, also alles Möglichkeiten, sich geistig und körperlich fit zu halten. Diese Auskünfte korrespondieren mit der hohen Anzahl von Kindern, die in Familien leben, deren Eltern Hartz-IVLeistungen beziehungsweise einen Niedriglohn erhalten.

Seit Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 beträgt in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der unter 15-jährigen Kinder, die in Armut leben, inzwischen circa 50 Prozent. Und ich mache Kinderarmut hier ganz klar an dem Hartz-IV-Bezug der Eltern fest.

„Chancengleich aufwachsen“ war also eine zeitgemäße Zielsetzung im Jahr 2003 und ist es zweifellos heute mehr denn je. Dieses Anliegen wird wohl kaum im Kampf gegen Übergewicht oder Fettleibigkeit erreicht werden, sondern vielmehr im Ringen um gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die gesundes Aufwachsen für alle Kinder möglich machen.

Der Bundesverband der AOK forderte in dieser Woche auf einer Fachtagung zur Gesundheitsförderung und -prävention in Berlin vollkommen zu Recht ein Gesamtkonzept für Kindergesundheit in eben diesem Sinne. Meine Fraktion unterstützt dieses Anliegen der AOK, denn, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, es macht keinen Sinn, jedes Jahr hier etwas auf die Tagesordnung zu setzen und zwischendurch die Mittel für die frühkindliche Bildung um 3 Millionen Euro zu kürzen, durch welche auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und -prävention finanziert werden sollen. Es macht keinen Sinn, einen Präventionsplan 2008 zu verabschieden, in welchem Kindergesundheitsziele als Zielstellung keinen Stellenwert mehr haben. Ich beziehe mich hier auf die Seiten 22 fortfolgende.

Es macht auch keinen Sinn, jedes Jahr hier etwas auf die Tagesordnung zu setzen und dabei die einschlägige „Verordnung über die Anleitung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege zur gesunden Lebensführung“ gemäß Paragraf 24 Absatz 5 des KiföG, die bis zum 01.08.2009 befristet und für die Kitas eine gute handlungsorientierte Anleitung war, nicht termingerecht fortzuschreiben.

Meine Fraktion plädiert mit dem vorliegenden Änderungsantrag dafür, diese Dinge zu beachten und den 2006 abgebrochenen Prozess der Umsetzung von Kindergesundheitszielen wieder aufzunehmen. Sie finden diese Dinge in dem Änderungsantrag begründet.

Wir finden es schön, dass Sie ein Präventionsgesetz für Kinder machen wollen. Wir wollen Sie dabei unterstützen und geben Ihnen mit der Fristsetzung in unserem Antrag, denke ich, eine gebotene Unterstützung. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Herr Rühs hat umfassend in die Thematik eingeführt und die Problemlagen aufgezeigt, die Ministerin für Soziales hat dargestellt, was landesseitig zurzeit in Arbeit ist und wie sie sich die Weiterarbeit an der Problematik vorstellt. Ich komme zum Ende meiner Ausführungen auch noch einmal dazu, den Fokus darauf zu legen, warum dieser Antrag von CDU- und SPD-Fraktion eben noch nicht genau so vorliegt und in Arbeit oder auch nicht ist, wie Sie ihn aus dem letzten Jahr kennen. Frau Lochner-Borst wird, da bin ich mir ganz sicher, auch Liegengebliebenes an dieser Stelle noch aufheben. Deswegen erlaube ich mir, auch mal ein paar andere Gesichtspunkte hier anzusprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich mich so umschaue im ganz normalen alltäglichen Leben, fällt mir doch schon ins Auge, wie viele Menschen bei uns in der Gesellschaft etwas zu füllig geraten sind. Ich will das mal so sagen.

(Michael Roolf, FDP: Na, na, na, na! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Oftmals sind auch junge Mütter besser ausgestattet, als es gesund sein kann. Ich erlaube mir daher, die Problematik ein bisschen in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen einzubetten. Eigentlich ist meine Betrachtungsweise letztendlich auch ein Appell an uns alle.