Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/2792 bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD, CDU und FDP sowie Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE und der NPD angenommen.
Meine Damen und Herren, bevor wir mit der Tagesordnung fortfahren, gestatten Sie mir noch einen Hinweis. Wir werden morgen am Ende der Landtagssitzung als Zusatztagesordnungspunkt den Einspruch des Abgeordneten Stefan Köster gegen den Ausschluss von der 75. Sitzung des Landtages aufrufen. Dies ist aufgrund der Regelung des Paragrafen 100 unserer Geschäftsordnung erforderlich. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 30: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Konsequenzen aus der Entschließung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente zu den Auswirkungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon ziehen – Integrationsverantwortung der Landtage durch Stärkung ihrer Mitsprachemöglichkeiten gerecht werden, Drucksache 5/2785.
Antrag der Fraktion DIE LINKE: Konsequenzen aus der Entschließung der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente zu den Auswirkungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon ziehen – Integrationsverantwortung der Landtage durch Stärkung ihrer Mitsprachemöglichkeiten gerecht werden – Drucksache 5/2785 –
Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir gestern über den Beschluss der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente aus 2008 zur Europafähigkeit der Landtage und Mitwirkung an Vorhaben der Europäischen Union diskutiert haben, wenden wir uns heute der aktuellen Entschließung zu, die sich mit den Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon befasst. Zu diesem Urteil gab es bereits hinreichende Stellungnahmen und Kritiken sowohl aus Politik als auch aus der Rechtslehre, zum Teil in scharfer Form. Insofern möchte ich aus Sicht meiner Fraktion nur kurz unseren Standpunkt skizzieren.
Unstreitig unter allen Demokraten dürfte sein, dass das Urteil im besonderen Maße die Demokratie gestärkt hat. Es ist bekannt, dass DIE LINKE im Bundestag, aber auch andere, den Vertrag von Lissabon neben inhaltlichen Kritiken auch aus Gründen der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz ablehnten. Karlsruhe hat nun aber entschieden, dass dem nicht so ist. Aber, das muss an dieser Stelle klargestellt werden, die Verfassungsrichter haben den Vertrag von Lissabon in weiten Teilen neu interpretiert und verfassungskonform ausgelegt. Besonders deutlich wird dies in der Kostenentscheidung des Urteils. Dort wird kurz und unmissverständlich formuliert, dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon, ich zitiere, „nur nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung mit dem Grundgesetz vereinbar … ist“.
Insofern kann aus Sicht der LINKEN die Klage gegen das Zustimmungsgesetz auch im Nachhinein als notwendig und am Ende als erfolgreich bezeichnet werden.
Meine Damen und Herren, es ist ferner bekannt, dass die Begleitgesetzgebung teilweise für verfassungswidrig erklärt wurde, da Bundestag und Bundesrat nach Auffassung der Karlsruher Richter keine hinreichenden Beteiligungsrechte im europäischen Rechtsetzungs- und Vertragsänderungsverfahren eingeräumt wurden. Die Bundesregierung darf daher zukünftig nicht allein im Rat über Änderungen im Vertragstext entscheiden, vielmehr muss das Parlament stärker einbezogen werden. Auch der Bundesrat bekommt mehr Mitwirkungsmöglichkeiten. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von der viel zitierten Integrationsverantwortung.
Die Begleitgesetze wurden in der Folge überarbeitet und von Bundestag und Bundesrat mittlerweile verabschiedet. Inwiefern die neuen Regelungen den Anforderungen des Urteils entsprechen oder noch weitreichender hätten formuliert werden müssen, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Entscheidend ist aus unserer Sicht Folgendes: Wir müssen eine Antwort darauf finden, was das Urteil zum Vertrag von Lissabon und infolgedessen auch die neuen Gesetze für die Landtage konkret bedeuten.
In der Urteilsbegründung werden die Landtage nicht mit einem Wort erwähnt. Das ist auch insoweit nachvollziehbar, als dass im Bundesrat allein die jeweiligen Landesregierungen vertreten sind. Die Entschließung der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten betont, wie wir meinen, allerdings zu Recht, dass die Landtage Integrationsverantwortung tragen, sind es doch die Landtage, die europäische Vorgaben umzusetzen haben und in Kernbereichen wie Bildung oder Kultur originär zuständig sind.
Meine Damen und Herren, die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Bundestag und Bundesrat haben sich verbessert, die der Landtage nicht, noch nicht. DIE LINKE ist genau daran interessiert und will den Status quo ändern, offensichtlich auch die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente. Ich gehe davon aus, dass alle anderen demokratischen Fraktionen genau dasselbe wollen.
Ich nenne nur ein Beispiel: Der Entwurf meiner Fraktion für ein Parlamentsinformationsgesetz wurde in dieser Legislatur abgelehnt. Das war vor der Karlsruher Entscheidung. Die Frage ist nun, ob im Lichte dieser Entscheidung erneut darüber nachgedacht werden sollte. Im Allgemeinen wird es darüber hinaus darum gehen, zu prüfen, ob und inwieweit durch Ausgestaltungen im Landesrecht – ich zitiere nun erneut aus der Entschließung – „die notwendigen Mitsprachemöglichkeiten des Landesparlaments gegenüber der Landesregierung zur Wahrnehmung der Integrationsverantwortung gesichert“ werden können. Im Kern muss unserer Auffassung nach Folgendes erreicht werden:
Erstens. Die Teilhabe- und Kontrollrechte des Landtages gegenüber der Landesregierung müssen gestärkt werden.
Zweitens. Die Landesregierung muss Stellungnahmen der Landesregierung gegebenenfalls auch maßgeblich berücksichtigen. Im Hinblick auf Subsidiaritätsverfahren wird der Europa- und Rechtsausschuss als zuständiger Fachausschuss gestärkt werden müssen, damit er
etwa in Eilfällen auch Stellungnahmen für den Landtag abgeben und hier seine koordinierende Funktion stärker wahrnehmen kann.
Meine Damen und Herren, über welche Maßnahmen wir ganz konkret sprechen, das werden wir, denke ich, gemeinsam im Ausschuss diskutieren können.
Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Vorstellungen der Landesregierung, die dem Parlament hoffentlich bald vorgestellt werden. Ich habe vernommen, dass die Koalition den Antrag in den Europa- und Rechtsausschuss überweisen möchte.
Ziel soll die Erarbeitung einer gemeinsamen Beschlussempfehlung sein. Das findet unsere Unterstützung, allerdings verbinden wir das mit den Erwartungen konkreter Maßnahmen zur Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. – Danke schön.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dankert. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs betonen: Der nationalstaatliche Souveränitätsgedanke darf nicht gegen die Idee der Einigung Europas ausgespielt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Lissabon-Entscheidung bestätigt und auch den Auftrag des Grundgesetzes zur Verwirklichung des vereinten Europas betont.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 30. Juni 2009 den Weg für die Ratifikation des Vertrages von Lissabon freigemacht. Das ist ein wichtiger Schritt für Europa. Das Bundesverfassungsgericht hat am 30. Juni 2009 entschieden, die Bundesregierung darf nur mit Zustimmung des Bundestages akzeptieren, dass EU-Abstimmungsregeln geändert oder auch neue europäische Kompetenzen geschaffen werden. Den Lissabon-Vertrag und diesbezügliche Grundgesetzänderungen hat Karlsruhe nicht beanstandet.
Meine Damen und Herren, die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente haben dazu am 20. August 2009 die Entschließung „Beteiligung der Landesparlamente bei der Wahrnehmung der Integrationsverantwortung unserer Länder“ verabschiedet. Laut dieser Entschließung obliegt es den Ländern, die jeweiligen Regeln im Landesrecht so auszugestalten, dass die notwendige Mitsprachemöglichkeit des Landesparlaments gegenüber der Landesregierung zur Wahrnehmung der Integrationsverantwortung gesichert wird.
In der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtages „Europafähigkeit der Landtage“, ich kürze das mal ab, welche ebenfalls in dieser Landtagssitzung beraten wurde, ist diese Entschließung bereits
aufgegriffen worden. So heißt es in Ziffer 2 unter anderem, dass die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung dort, wo es um die Befugnisse der Gesetzgebung geht, den Parlamenten obliegt. Perspektivisch gilt es, auch in Mecklenburg-Vorpommern sicherzustellen, dass der Landtag dort, wo es um die Gesetzgebungszuständigkeiten des Landes geht, Teil hat an dem Zugewinn parlamentarischer Mitwirkungsmöglichkeiten.
Da die Unterrichtung der Präsidentin des Landtages über die Sonderkonferenzen der Präsidenten der deutschen Parlamente am 20. August 2009, auf die sich der Antrag der Fraktion DIE LINKE bezieht, dem Europa- und Rechtsausschuss überwiesen wird, ist es angezeigt, den vorliegenden Antrag ebenfalls zu überweisen. An dieser Stelle, vielleicht ist das nicht respektvoll gegenüber dem Thema, kann ich es mit dem Sport vergleichen: Die Fraktion DIE LINKE hat in dieser Angelegenheit einen Schnellstart hingelegt. Es kommt aber in diesem Fall darauf an – und so habe ich auch Ihre Diskussion verstanden –, dass man gemeinsam das Ziel erreicht. Lassen Sie uns das versuchen. Immerhin sind wir als Parlament gefordert und darüber müssen wir beraten! Ich beantrage auch namens der CDU-Fraktion die Überweisung des vorliegenden Antrages an den Europa- und Rechtsausschuss.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Präsidenten und Präsidentinnen der deutschen Landesparlamente erinnern mich mit ihrer Entschließung ein wenig an Herrn Althaus, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Thüringen. Der hatte ja zunächst seinen Rücktritt erklärt, aber dann, da er offenbar die Konsequenzen seiner Entscheidung nicht begriffen hatte, tauchte er eines Tages auf und wollte wieder die Kabinettssitzung leiten.
Die Landtagspräsidenten handeln so ähnlich. Sie gehören alle den etablierten Parteien an. Diese Parteien haben im Lauf der Jahrzehnte, wie schon oft hier gesagt, 84 Prozent aller staatlichen Befugnisse auf die EU übertragen. Bleiben also nach Adam Riese noch 16 Prozent der staatlichen Befugnisse für die deutschen Gemeinden, Länder und den Bund. Ich schätze mal grob, dass der Bund den Löwenanteil innehat. Was bleibt den Ländern da noch übrig? Vielleicht 5 Prozent. Dahin haben sich die Länder schon freiwillig eindampfen lassen. Und jetzt kommen Sie und verlangen Beteiligung an Entscheidungsabläufen. Aber Sie haben abgedankt, genau wie Althaus, dafür ist es zu spät.
In Brüssel bewohnt das Europabüro des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine Etage in einem kleinen Bürohaus. Der Ministerpräsident hingegen residiert in einer imposanten Staatskanzlei. Nach den realen Machtverhältnissen müsste es genau umgekehrt sein. Das heißt: in Brüssel ein großes Haus mit vielen Angestellten und der Ministerpräsident mit einer Sekretärin irgendwo in einem Kellerbüro. Verglichen mit Brüssel nämlich ist ein deutsches Bundesland das Gleiche wie die untere Baubehörde im Verhältnis zum Landesbauminister, etwas ganz Untergeordnetes. Daran ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag
gar nichts, denn in dem geht es ja nur um Mitspracherechte bei der Übertragung weiterer Befugnisse an Brüssel. Sie sind also als 5-Prozent-Werke gewillt, noch weiter zu schrumpfen. Und wie sie schrumpfen, dabei möchten Sie gerne mitreden. Das erinnert an ein Huhn, das gerne mitbestimmen will, wie es zubereitet werden soll, als Brathuhn, als Backhuhn mit Soße oder ohne.
Wir haben überhaupt keine Lust, uns vom EU-Monster verschlingen zu lassen, deswegen lehnen wir das ab.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Reinhard Dankert, SPD: Da kann ja nur Herr Pastörs drüber lachen, über seinen eigenen Abgeordneten.)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE noch einmal die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Meine Damen und Herren! Ich denke, dass wir in der Debatte das meiste inhaltlich gesagt haben. Ich habe nur eine Bitte, dass wir uns gemeinsam befleißigen, die Beschlussempfehlung zeitnah zu erarbeiten, die entsprechenden Maßnahmen zu diskutieren, Möglichkeiten, die zur Umsetzung beitragen, auch auf den Weg zu bringen und dann vielleicht auch die gesetzgeberischen Maßnahmen, die sich daraus ergeben, ebenfalls zeitnah umsetzen, weil sie auf alle Fälle davon ausgehen, dass die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon im nächsten Jahr zu hundert Prozent erfolgt ist. Ich denke, dass Mecklenburg-Vorpommern diesbezüglich gerüstet sein soll und wir dann auch entsprechend arbeiten können. – Danke schön.
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2785 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP sowie Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Flächendeckende medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern langfristig sicherstellen, Drucksache 5/2774. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2822 vor.
Antrag der Fraktion der FDP: Flächendeckende medizinische Versorgung in MecklenburgVorpommern langfristig sicherstellen – Drucksache 5/2774 –