Protokoll der Sitzung vom 25.09.2009

Frau Schlupp, Ihnen muss ich sagen, eine Broschüre ersetzt noch lange nicht eine Debatte. Darum bin ich der Überzeugung, wenn es uns nicht gelingt, tatsächlich –

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

und da komme ich jetzt zu Herrn Schulte von Mittwochabend, das meine ich jetzt im Sinne Ihres Ansatzes – mal zu definieren, worüber wir sprechen, meinen wir denn, wenn wir die gleichen Begriffe nutzen, tatsächlich alle dasselbe? Das ist doch die entscheidende Frage. Ich habe den Eindruck, wir reden oftmals aneinander vorbei,

(Udo Pastörs, NPD: Machen Sie doch einen Arbeitskreis!)

weil wir in die verschiedenen Begrifflichkeiten unterschiedliche Bedeutungen hineinlegen. Die Chance dieses Antrages als auch anderer Anträge meiner Fraktion besteht doch darin, in den Ausschüssen, aber auch hier, und das würde ich mir wünschen, eine inhaltlich fundierte Debatte zu führen, und nicht: Weil der Antrag von der LINKEN kommt, brauchen wir das alles nicht, machen wir ja schon längst. Natürlich machen Sie viel, aber die Probleme im Land verschärfen sich. Wir haben eine Krise, wir haben eine EU-Agrarpolitik, die wir übrigens kritisieren, Herr Pastörs, wir haben globale Prozesse, die sich auswirken auf die landwirtschaftlichen Betriebe, auf die Lebenssituation der Menschen, wir haben es mit demografischen Prozessen zu tun, die wir hier mehrfach beschrieben haben, wo wir alle nach Lösungen suchen.

(Udo Pastörs, NPD: Wir suchen Lösungen für Kinder und Familien.)

Warum haben wir nicht die Kraft als Gesellschaft, gemeinsam Lösungen zu finden, die wir dann auch gemeinsam umsetzen?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich bin der Überzeugung, dass es nicht darum gehen kann, die sich entvölkernden Regionen tatsächlich dem Selbstlauf zu überlassen und diesem mehrfach geprägten Begriff des „Wolfserwartungslandes“ das Wort zu reden. Nein, und darüber haben Sie ja teilweise gesprochen, es geht um regionale und lokale Entwicklungskonzepte. Und hier will ich einen Zusammenhang herstellen – Herr Seidel ist jetzt nicht im Haus – zu unserem Ansatz vom öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Regionale und lokale Entwicklungskonzeptionen, ob nun als Modellprojekt oder als Strategie einer Region, das sei jetzt mal dahingestellt, haben doch nur dann eine Chance, wenn sie nicht nur zeitlich begrenzt finanziert und realisiert werden, sondern wenn sie tatsächlich mit Schlussfolgerungen auch verstetigt werden.

Und oftmals, Frau Schildt, Sie nicken, liegt es doch dann daran, dass ein Manager, auch ein Regionalmanager, nicht mehr zur Verfügung steht. Es geht darum, dass das Engagement von Menschen zur Entwicklung ihrer eigenen Region, zur Strukturentwicklung, tatsächlich unterstützt werden kann. Warum greifen wir dann nicht auf Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurück, verstetigen solche Projektansätze, um die Menschen in den Regionen zu aktivieren und zu motivieren, ihre Geschicke in die Hand zu nehmen? Wir geben ihnen mit den Fördergeldern aus den verschiedenen Ministerien bitte schön dann auch die Möglichkeit, diese Strategien umzusetzen.

Und wenn wir, so habe ich Sie, Herr Backhaus, ja auch verstanden, über die ländlichen Räume sprechen, da stimme ich Ihnen ja vollkommen zu, es ist ja müßig, über Mecklenburg-Vorpommern zu reden, ob ländlicher Raum oder nicht, wir sind ein ländlicher Raum. Er ist sehr differenziert, das wissen wir. Es ist ein großer Schatz, wir sollten diesen Schatz tatsächlich als Landtag und natürlich auch als Regierung als solchen begreifen und einen ganzheitlichen Ansatz finden. Ich bin es einfach leid und mir ist es auch über, diesen Wettbewerb, um nicht zu sagen die Eifersüchteleien zwischen den Ministerien immer wieder zu hören, dafür ist der zuständig, dafür ist jener zuständig. Ist es nicht angesichts der gravierenden Probleme und der Herausforderungen der Zukunft eine Aufgabe der gesamten Regierung, unter Führung des Ministerpräsidenten diese Fragen anzugehen und den Menschen zu sagen, welche Strategie verfolgt die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern, in dem Fall für die Entwicklung der ländlichen Räume?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ja, es geht um die Strukturentwicklung und es geht tatsächlich um autarke, dezentrale Lösungen, die aber wiederum korrespondieren mit den anderen Regionen. Ich spreche mich ausdrücklich dagegen aus, dass es um abgeschlossene Wirtschaftskreisläufe geht, aber es geht um Kreisläufe. Da gibt es viele gute Beispiele in Mecklenburg-Vorpommern, die sicherlich hinreichend bekannt sind. Es geht um Eigenversorgung, es geht auch, Herr Backhaus – darüber haben Sie nicht gesprochen, aber Sie wissen das – um die vielen Kleinproduzenten, die sich mühselig von ihrer Hände Arbeit ernähren können. Auch denen müssen wir eine Zukunft geben. Es geht

natürlich um all die Fragen, die hier in den verschiedenen Reden angesprochen wurden. Aber wenn wir das, was Sie angesprochen haben mit Mobilität, mit Teilhabe, mit Mitmachen, mit gesundem Altern, mit dem lebenslangen Lernen oder der Ressourcenschonung, nicht tatsächlich konkret untersetzen, dann bleiben das Worthülsen.

Unser Antrag zielte darauf, aus den Projekten, die der Bund realisiert hat, das ist ja nur ein Beispiel, Schlussfolgerungen zu ziehen für eine verstetigte Strategie, die dann auch haushaltsseitig untersetzt wird, damit das Land tatsächlich eine Zukunft hat, so, wie es die Broschüre des Landwirtschaftsministers zum Ausdruck bringt. Ich habe die mit Interesse gelesen und Sie haben das gesagt, wir waren auf den Konferenzen sehr stark vertreten.

Uns geht es darum, dass die Politik in MecklenburgVorpommern fähig ist und mutig ist, die Zukunft zu debattieren und die verschiedenen Ansätze und Vorschläge aus den verschiedensten Studien, die es gibt, so zusammenzuführen, so zu verdichten und so zu komprimieren, dass die Menschen erkennen können, das ist der Weg, den wir gehen.

Das, glaube ich, haben wir bisher in MecklenburgVorpommern nicht geschafft und dazu brauchen wir eine Debatte über die Zukunft auf der Basis dessen, was Herr Schulte am Mittwochabend formulierte. Lassen Sie uns die Begriffe definieren, damit wir auch eine inhaltlich fundierte Debatte führen können. Ansonsten führt es wieder dazu, dass man sich gegenseitig unterstellt, das hat er alles nicht so gemeint und man wolle nur. Ich meine, wir wollen ein zukunftsfähiges Land, damit die Menschen, ob Jung oder Alt, eine Zukunft in diesem Lande haben. Und da geht es natürlich darum, die verschiedenen Aktivitäten, die über Modellregionen und andere Fragen hier realisiert werden, als positiven Ansatz zu begreifen und deutlich zu machen, wir packen Zukunft an.

Unser Ansatz ist, das haben wir in dieser Landtagssitzung in verschiedenen Debatten sehr deutlich gemacht, nicht in einem Klein-Klein, auch das muss man mal machen, in einem Klein-Klein uns zu befinden, sondern einen großen Zukunftsentwurf zu entwickeln, damit die Menschen motiviert werden mitzumachen. Wenn es aber so heißt, Herr Backhaus, das machen wir alles schon, wir sind auf einem guten Weg, dann muss ich Ihnen sagen, es gibt noch viel zu tun. Und da, glaube ich, sollten Sie sich auch einfach mal darum kümmern und mal zuhören, wo die Probleme sind.

Deswegen teile ich die ganze Debatte heute nicht, kann meine Enttäuschung also immer noch nicht loswerden, weil ich der wirklich inneren Überzeugung bin, wenn Politik und Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern nicht in der Lage sind, über Zukunft zu debattieren, einzelne Maßnahmen festzulegen und sie auch konsequent – das ist eben mein Unterschied zu Frau Polzin –, sie konsequent im Haushalt zu untersetzen, dann wird das Land Mecklenburg-Vorpommern Schwierigkeiten haben in der Zukunft.

(Udo Pastörs, NPD: Die haben wir schon in der Gegenwart.)

Ich bitte Sie also, unseren Antrag zu überweisen. Lassen Sie uns die Debatte in den Ausschüssen fortsetzen. Danke schön. Dem Antrag der FDP stimmen wir zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Holter.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP. Es ist beantragt worden vonseiten der Fraktion DIE LINKE, den entsprechenden Antrag in den Landwirtschaftsausschuss zu überweisen

(Helmut Holter, DIE LINKE: Landwirtschafts- und Verkehrsausschuss.)

und zur Mitberatung in den Verkehrsausschuss. Ich gehe davon aus, dass dann eine Überweisung des Änderungsantrages miterfolgen würde. Wer also dem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist bei Zustimmung durch die Fraktionen DIE LINKE und FDP, einigen Abgeordneten der Fraktion der SPD und der CDU, bei Gegenstimmen von einigen Abgeordneten der CDU und SPD und Stimmenthaltung der Fraktion der NPD der Überweisungsvorschlag angenommen.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Erarbeitung einer Konzeption zur Überwindung der strukturellen Krise und des ökonomischen Zusammenbruchs der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/2782.

Antrag der Fraktion der NPD: Erarbeitung einer Konzeption zur Überwindung der strukturellen Krise und des ökonomischen Zusammenbruchs der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/2782 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Borrmann. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Bürger des Landes! In der letzten Woche, am 16. September, fand eine Protestdemonstration von Milchbauern statt, die auf ihre aussichtslose Lage aufmerksam machen wollten. Plakate mit Hilferufen an die Landesregierung, insbesondere an Till Backhaus, werden gezeigt, Transparente entrollt, frisch gemolkene Milch einer eigens antransportierten Kuh mit Kalb in die Gosse geschüttet. In diesem Moment tritt der Fraktionsvorsitzende der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands im Landtag Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs an die Demonstranten heran. Sofort sind die Initiatoren zur Stelle, sperren den Zugang zu dem kleinen Areal ab und verwehren dem Politiker, der Informationsmaterial verteilen möchte, den Zutritt. Ein im Anzug gekleideter Milchbauer nimmt das Mikrofon und ruft: „Die Nazis haben bei uns nichts verloren“, um …

(allgemeine Unruhe – Zuruf aus der Fraktion DIE LINKE: Recht hat er.)

Ja, ja!

… mit verräterischem Zungenschlag, der für die Zukunft nichts Gutes verheißt, zu ergänzen: „Es geht uns noch nicht so schlecht, dass wir diesen politischen Auffassun

gen folgen können.“ Was er nicht weiß: Ein Nationaldemokrat und Lehrer für marxistisch-leninistische Philosophie ist mitten unter den Schweizern – Raimund Frank Borrmann, Hannibal ante portas. Und Sie können sich denken, edles Direktorium, Nobile vom Schloss, hochfahrende Damen der Oberschicht, ich habe die Gunst der Stunde genutzt.

Es ist interessant, die vielstimmigen Erfahrungen und zum Teil sich widersprechenden Ansichten von Menschen zu erfahren, die trotz ihres Fleißes und ihrer Anstrengungen ohne Schuld in diesem für sie undurchschaubaren und unbeeinflussbaren Wirtschaftssystem langsam, aber sicher zugrunde gehen. Sie ahnen zumindest, dass die sich hinter dem Direktorium der EU-Kommission und ihren nachgeordneten Behörden versteckenden Bundes- und Landespolitiker miteinander kollaborieren und zusammen ein Diktat der völligen Freigabe des Marktes beschlossen haben, eines Marktes, den es so gar nicht mehr gibt. Denn auf diesem Markt treten sich nicht Produzenten und Arbeitnehmer gegenüber – dies räumt auch Landesminister Backhaus gelegentlich ein –, sondern treffen ungleiche Kräfte aufeinander, die nicht mehr nach der ausgleichenden Gerechtigkeit handeln, wie sie Aristoteles in seiner „Nikomachischen Ethik“ beschreibt, als sozial ungleiche Personen, die unabhängig von ihrer Ungleichheit gleiche Tauschwerte erzielen, sondern nach der ausgleichenden Gerechtigkeit, nach der der Grundsatz gilt, dass jedem das nach seiner sozialen Stellung Seinige zukommen solle.

Seit der Französischen Revolution unterscheidet man zwei große Lager: die einen, die die ausgleichende Gerechtigkeit nur in der Politik und im Recht umgesetzt sehen wollen, und die anderen, die seit „Von Babeuf bis Blanqui“ darauf beharren, dass die ausgleichende Gerechtigkeit auch auf die Sphäre der Wirtschaft ausgedehnt werden müsse, wenn das Fanal der Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ Vollendung erfahren solle.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist das hier eine Vorlesung, oder was?!)

Letztere spalteten sich als Sozialisten von den Bürgerlichen ab und mündeten in eine Bewegung, die den Kommunismus als ihr Ziel vorgaben.

(Beate Schlupp, CDU: Kommen Sie zum Thema!)

Karl Marx versuchte zusammen mit Friedrich Engels,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da kennen Sie sich ja aus als Marxismus-Leninismus-Lehrer.)

das Scheitern der Französischen Revolution in seiner Zeit zu deuten und den Begriff „Verelendung“ als eine Entfremdung der Produktion von den Produzenten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie heißt doch grad das Thema, über das wir hier sprechen?)

Jahrelange Forschungen und Auseinandersetzungen mit der zeitgenössischen bürgerlichen Ökonomie ließen ihn in seinem Werk „Das Kapital“ eine Produktionsweise beschreiben, in der das Verhältnis von doppelt freien Lohnarbeitern und Eigentümern von Produktionsmitteln einen Reproduktionsprozess in Gang setzt,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Worüber spricht er?)

dessen Wesenszug die Akkumulation um der Akkumulation willen, der Profit um des Profites willen ist.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie sind im falschen Film, Herr Borrmann. – Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Der Stachel, die eigentliche Quelle des Wachstums unter diesen kapitalistischen Produktionsverhältnissen, der Profit, führt jedoch nicht nur zu einer permanenten Entwicklung der Produktionsmittel, sondern perspektivisch auch zur Selbstvernichtung dieser Triebkraft