Das neue Heimgesetz verbessert die Qualität in den Einrichtungen, stärkt die Mitbestimmung. Natürlich wird es nicht immer einfach sein, den Spagat zwischen Selbstbestimmung und staatlichem Schutz hinzubekommen. Das Motto muss lauten: „So viel Selbstbestimmung wie möglich, so viel Schutz wie nötig.“ – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Macht er jetzt doch wieder Sozialpolitik, der Herr Koplin? Das freut mich ja.)
Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben gegen Ende Ihrer Rede gesagt, dass es sich um ein bedeutsames Gesetz handelt. Das sehen wir seitens der LINKEN genauso. Wir übernehmen als Parlament in diesem Fall, indem wir uns damit beschäftigen, aber auch als Land Mecklenburg-Vorpommern eine große Verantwortung, wenn das, was vormals bundeseinheitlich galt, nunmehr, was die Qualität in den Einrichtungen betrifft, landesrechtlich geregelt wird, eine große Verantwortung gegenüber den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern, gegenüber den Beschäftigten, das ist gesagt worden, gegenüber den Angehörigen, weil es um Fragen der Selbstbestimmung geht, weil es um Fragen der Teilhabe geht.
Nun wollte ich natürlich mit der Kritik groß auftrumpfen und Sie haben – das ist psychologisch sehr geschickt, Frau Ministerin – bestimmte Sachen schon vorweggenommen. Damit laufe ich Gefahr, dass unseren Kritikpunkten, die wir haben, schon die Spitze weggebrochen ist. Ich will mich also nicht so sehr daran aufhalten, wie lange es seit der Entscheidung der Föderalismusreform bis zur heutigen Vorlage des Gesetzentwurfes gebraucht hat und dass elf Länder schon vorgelegt haben, sondern will mal damit beginnen, was ich in den Gesprächen in den letzten Tagen erfahren habe, was ich Gutes gehört habe über diesen Gesetzentwurf.
Gelobt wird, zumindest von Vereinen und Verbänden, von Trägern, dass sie sagen, wir sind frühzeitig einbezogen worden, wir konnten uns einbringen und wir finden uns in vielen Teilen dieses Gesetzentwurfs wieder. Gesagt wurde auch, dass sie es gut finden, dass die Rechtsverordnungen – wir können das nicht einschätzen, weil sie uns ja nicht vorliegen – gleich mit dem Gesetzentwurf mitgeliefert wurden. Das ist, denke ich mal, eine gute Sache, die Schule machen sollte. Und wenn diese Dinge vorliegen, ist es günstig, auch für eine qualifizierte Beratung in den Ausschüssen, dass wir das mit an die Hand bekommen.
Als gut und richtig wurden diese Fragen empfunden, die Sie angesprochen haben, zu den Bewohnerbeiräten beziehungsweise den Möglichkeiten der Mitbestimmung in den Heimen und auch, dass es, was die Veröffentlichung von Prüfungen der Heimaufsicht betrifft, hierzu Veröffentlichungen im Internet geben soll. Somit ist Transparenz gewährleistet. So, wie wir es im Krankenhausbereich schon seit einigen Jahren erleben und es dort gute Praxis ist, wird es auf dieses Gebiet mit übertragen.
Gleichwohl, unter dem Strich und bei einer Gesamtschau sind wir doch in gerütteltem Maße enttäuscht über den Gesetzentwurf – nicht allein deshalb, weil so vieles aus dem ehemaligen Bundesheimgesetz abgeschrie
ben wurde. Das mit dem Abschreiben liegt ja auch in der Natur der Sache. Das ist insofern nicht so problematisch. Problematischer ist aus unserer Sicht, dass es zum Beispiel an Stellen, wo es Ihnen erkennbar um Bürokratieabbau ging, sich diese Absicht letztendlich in der Praxis ins Gegenteil verkehren kann. Einrichtungen brauchen beispielsweise nach dem Gesetzentwurf der Heimaufsicht nicht mehr mitzuteilen, wie viele Mitarbeiter sie beschäftigen. Sie brauchen keine Leistungsbeschreibung, keine Heimverträge mehr einzureichen.
Ich bleibe mal bei den Mitarbeitern. Hier wollen wir die Fachkraftquote. Sie haben bisher erwähnt, es ist im Übrigen im Paragrafen 1 des Gesetzentwurfs enthalten, wie die Fachkraftquote kontrolliert werden soll, wenn nicht klar ist, wie viel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Einrichtung überhaupt beschäftigt sind. Es ist insofern also dann eine Sache, die nach hinten losgehen kann.
Ein weiteres Beispiel: Die Heimaufsicht soll jetzt immer erst zum Quartalsende Änderungen über die Leitung der Einrichtungen erfahren.
Das kommt erst einmal als ein Abbau von Bürokratie daher, weil die Anzeigepflichten gelockert sind. Es muss nicht so viel dargelegt und eingereicht werden. Stellt sich aber im Nachgang heraus, eben nach Ablauf des Quartals, dass die Eignung der Leitung der Einrichtung nicht gegeben ist, dann ist sozusagen das Kind schon mit dem Bade ausgeschüttet. Dann ist es schon zu spät, denn dann geht es so los, dass die Behörde die Heimaufsicht erst einmal anhören muss. Dann kommt ein Bescheid, der im Falle des Nichtgeeignetseins ergehen muss, dann der Widerspruch, Klage, Klageerwiderung, Prozess, erste Instanz, womöglich zweite Instanz. Das führt dann zu Bürokratie. Insofern halten wir es nicht für günstig, dass an dieser Stelle ein solcher Weg gewählt werden soll.
Nach dem Gesetzentwurf verschlechtern sich aus unserer Sicht auch die Standards. Während kommissarisch eingesetzte Leitungen bisher auf vier Jahre befristet waren, sollen sie nach dem Gesetzentwurf fünf Jahre lang tätig sein können, optional mit weiteren fünf Jahren Verlängerung. Das fördert aus unserer Sicht nicht unbedingt die Suche nach der geeigneten Kandidatin oder dem geeigneten Kandidaten oder dessen Einstellung.
Insgesamt zeichnet sich der Gesetzentwurf bei allem, was ich vorhin hier positiv vermerkt habe, durch eine passive Zwecksetzung und ungenaue Formulierung aus. Was ist, wenn es um ungenaue Formulierungen geht? Was ist eine angemessene Qualität des Wohnens in einem Pflege- oder Behindertenheim? Ich habe mich mal umgefragt, was überhaupt Qualität in Einrichtungen ist. So richtige Antworten konnte ich nicht bekommen, außer einem Verweis auf Fachliteratur aus dem Jahr 1968. Was ist Qualität in Einrichtungen oder was ist unter einer angemessenen Lebensgestaltung zu verstehen? Das sind alles Vokabeln, die wir im Gesetzestext wiederfinden. Und was heißt es für die Verantwortlichen wörtlich, Aspekte der kulturellen, religiösen und sprachlichen Herkunft der Bewohner im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen? Das ist so wenig nachprüfbar, das ist auch so wenig praktikabel aus meiner Sicht,
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das wird im Einzelfall überprüft. Da müssen Sie schon etwas Fantasie walten lassen.)
dass wir sagen, darüber müssen wir auf alle Fälle im Ausschuss reden und darum ringen, dass wir Konkretisierungen erreichen.
Der Gesetzentwurf trägt das Wort „Qualität“ bereits im Namen. Wie die Landesregierung jedoch Qualität in den Einrichtungen definiert, das bleibt unklar. Will man wirklich Qualitätsverbesserungen, müssen exakte Qualitätskriterien vorgegeben werden – in der Struktur, in den Prozessen und vor allem in der Ergebnisqualität. Genau genommen zählen auch in der Pflege nur die Verbesserungen in der Ergebnisqualität. Diese müssen aus unserer Sicht messbar sein. Davon ist der Gesetzentwurf noch weit entfernt. Wir hoffen sehr auf eine intensive Beratung im Ausschuss.
Und dann gibt es im Gesetzentwurf allerlei Widersprüchliches. So dürfen Einrichtungen eigentlich keine Gelder, Paragraf 6, oder geldwerten Leistungen von den Bewohnern oder den Bewerbern um einen Heimplatz annehmen. So bestimmt es auch weiterhin das neue, ab dem 1. September dieses Jahres geltende bundeseinheitliche Heimvertragsrecht. Am 29.07.2009 ist es beschlossen worden und gilt seit dem 1. September 2009. In dem uns vorliegenden Gesetzentwurf gibt es jedoch hiermit kollidierende Ausnahmetatbestände, Paragraf 6 Absatz 2. Es hat mich sehr verwundert. Also zum einen steht, es darf kein Geld angenommen werden, das ist auch sehr nachvollziehbar, im Sinne von Schmiergeld und so weiter, und dann kommen die ganzen Tatbestände. 100 Euro monatlich, 600 Euro hierfür, dann darf Geld angelegt werden und, und, und. Also wir sehen hier einen Konflikt mit anderem bestehendem Recht und würden das ganz gern auch noch mal beleuchtet sehen im Ausschuss.
Im Widerspruch stehen aus unserer Sicht, um ein zweites Beispiel zu nennen, auch die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsfristen dieses sozialen Gesetzentwurfs – fünf Jahre – mit den Pflichten, die sich aus dem Handels- und dem Steuerrecht ergeben, zehn Jahre. Warum ist das so? Viele Einrichtungen sind Unternehmungen und sind somit dem bundesweit geltenden Steuer- und Handelsrecht unterworfen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden Änderungsvorschläge einbringen, die darf ich ankündigen. Aus Zeitgründen kann ich die jetzt hier nicht mehr im Detail darlegen. Ich will nur eines ganz kurz noch erwähnen: Die CDU hat im Juli 2007 in einer Pressemeldung hohe Erwartungen an diesen Gesetzentwurf geknüpft und gesagt, Standardverschlechterungen und so weiter wird es für uns nicht geben. Wir werden in der Ausschussarbeit, aber auch in der Zweiten Lesung dann noch mal dezidiert zur sozialen Situation der Pflegekräfte Stellung nehmen, denn was sich da zurzeit entwickelt, ist unter aller Kanone. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in der Ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes. Deshalb werde ich es kurz machen und die für meine Fraktion wichtigen Punkte an dieser Stelle zu diesem Gesetzentwurf noch einmal zusammenfassen.
Die Notwendigkeit eines eigenen Gesetzentwurfes in Mecklenburg-Vorpommern wurde durch die Ministerin bereits erläutert. Es ist eine Folge der Föderalismusreform I.
Ich möchte an der Stelle vielleicht als Erstes mal auf eine Sache hinweisen, die bis jetzt noch nicht so benannt wurde. Wir haben früher immer von einem Heimgesetz des Bundes gesprochen und wir reden jetzt von einem Einrichtungenqualitätsgesetz. In meinen Augen ist allein die Wahl des Namens schon sehr positiv zu beurteilen,
denn zum einen ist der Begriff „Heim“ in der Vergangenheit immer relativ negativ belegt gewesen und zum Zweiten wird damit deutlich, worum es uns eigentlich geht, nämlich um Qualität. Und das ist für Bewohnerinnen und Bewohner, meist, wie wir wissen, ältere und oftmals auch pflege- und hilfsbedürftige beziehungsweise betreuungsbedürftige Menschen, und deren Angehörige das Wichtigste.
Entsprechend bezweckt dieser Gesetzentwurf dann auch, die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer Einrichtung weiterzuentwickeln, die Qualität der Betreuung und Pflege dauerhaft und bei angemessener Bezahlung, auch darauf hat die Ministerin bereits verwiesen, zu gewährleisten. Das Leistungsangebot und die Qualität der in Betreuung und Pflege erbrachten Leistungen sind transparent zu machen. Damit wird natürlich auch der Verbraucherschutz verbessert. Darüber hinaus werden sowohl die Anforderungen an die Träger von Einrichtungen als auch die ordnungsrechtlichen Bestimmungen geregelt. Unnötige bürokratische Belastungen für die Träger werden künftig abgebaut.
In diesem Zusammenhang, zum Beispiel, Herr Koplin, was die Fachkräftequote betrifft, kann ich an der Stelle auf die Pflegesatzverhandlungen verweisen, denn hier müssen die Träger ihre Karten auf den Tisch packen. Also ich sehe nicht unbedingt die Gefahr, die Sie an dieser Stelle sehen.
Ein weiterer wesentlicher Punkt sind die Anforderungen an die Wohnformen wie Wohngemeinschaften und Wohngruppen, die neu entstehen und die wir sehr begrüßen, die hier in diesem Gesetzentwurf festgelegt werden.
Es ist sehr wichtig, dass eine Ausgewogenheit zwischen Selbstständigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrem Schutzbedürfnis in diesem Zusammenhang gefunden wird.
Meine Damen und Herren, wir haben es eben bereits gehört, zeitgleich mit der Verabschiedung des Einrichtungenqualitätsgesetzes beabsichtigt das Ministerium, auch die Verordnungen zu erlassen. Wir werden also auch diese rechtzeitig bekommen und das gemeinsam im Ausschuss diskutieren können. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung und Überweisung in den zuständigen Sozialausschuss. – Vielen Dank.
Herr Nieszery, ich muss an dieser Stelle Ihre Ministerin loben, denn die Entwürfe, die uns vorliegen, sind deutlich mit der Masse, so, wie Herr Koplin gesagt hat, diskutiert worden.
Die Verbände haben mitwirken dürfen. Zwei Mitarbeiterinnen sehe ich hinten im Raum, die maßgeblich, glaube ich, viel Fleiß auch in dieses Projekt gesteckt haben, und an dieser Stelle ausnahmsweise ein richtig gutes Lob. Nicht, dass Sie denken, dass ich immer nur kritisiere. Also hier noch einmal: Ich finde, es ist sehr fleißig gearbeitet worden.
Sicherlich gibt es nach wie vor unterschiedliche Auffassungen zu einigen Punkten. Diese werden wir im Ausschuss diskutieren, das wird so sein.
Aber weil Frau Ministerin die Pflegeversicherung angesprochen hat, mir bereitet etwas anderes Sorge, die Ausstattung des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes,