Protokoll der Sitzung vom 06.12.2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, auch Sie haben diese Pressemitteilungen zur Kenntnis genommen, auch Sie sind besorgt über das, was bei uns passiert. Und ich gehe auch davon aus, dass es uns in unserer Kompetenz als Landesparlament gelingen muss, zumindest die Schritte einzuleiten, die ein Gegensteuern bedeuten. Wir können nicht alles beeinfl ussen, aber wir sollten zumindest die Möglichkeiten, die wir haben, sehr offensiv angehen.

Es werden zurzeit sehr viele Möglichkeiten diskutiert, was man tun kann. Das fängt an bei einer Pfl ichtvorsorgeuntersuchung und geht weiter über die Diskussion, wie es bei uns mit den Alternativen der Pfl egefamilien aussieht.

Laut Statistik wird in unserem Bundesland davon sehr zaghaft Gebrauch gemacht. Irgendwo heißt die Alternative immer noch, entweder das Elternhaus, und wenn es gar nicht mehr geht, dann steht als Alternative das Kinderheim. Diese wichtige soziale Aufgabe, die eine Familie leistet, wird, meine ich, gerade in Pfl egefamilien sehr viel besser erbracht. Allerdings brauchen diese Eltern Unterstützung und Anleitung genauso wie die Eltern, die oftmals mit gutem Willen ihren Kindern nicht das Beste mit auf den Weg geben können. Es ist also sowohl im positiven Bereich eine Menge für uns zu tun, was heißen soll, Rat und Unterstützung anzubieten.

Die Supernanny im Fernsehen ist, sagen wir mal, eine umstrittene Person, aber wenn man einmal genau hinguckt, führt sie Eltern oft genug vor, was man vernünftig aufbauen und tun kann. Aber die vielen Familien, die völlig überfordert sind von der Situation, selbst Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen, brauchen die positive Begleitung. Ich sage aber auch, man muss ebenfalls über Intervention nachdenken. Auch da sind wir in der Bundesrepublik – und oftmals dient dazu das Grundgesetz quasi schon als Totschlagargument – gefordert umzudenken. Wenn es denn in großem Maße, in häufi gem Maße geschieht, dass Kinder unter der Situation leiden, dann sind sie in das Zentrum unserer Überlegungen zu stellen. Die Freiheit ist meiner Meinung nach dort zu Ende, wo die Freiheit und das körperliche Wohl von Kindern massiv beeinträchtigt werden. Das muss die Grenze sein. Und in dem Sinne gehe ich davon aus, dass federführend im Sozialministerium gemeinsam mit den Fachpolitikern und interessierten und betroffenen Menschen darüber nachgedacht wird, wie wir ein Netz von Lösungen, die dagegen ansteuern, fi nden. In diesem Sinne bin ich interessiert an der Debatte, die jetzt dazu kommen wird, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU, Linkspartei.PDS und FDP)

Vielen Dank, Frau Polzin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! „Betreuungssysteme im Wandel der Zeiten“ – das ist eine Botschaft, mit der sich die Linkspartei.PDS kontinuierlich seit Jahren beschäftigt. Es geht uns darum, eine auf Chancengleichheit basierende Kinder- und Jugendpolitik in Mecklenburg-Vorpommern zu gestalten. Und gerade durch das Engagement meiner Partei ist es auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren gelungen, bundesweite Akzente zu setzen.

Wir haben uns mit diesen Fragen sehr intensiv beschäftigt, wir haben zweifellos sehr detaillierte, sehr unterschiedliche Facetten, wenn man von Betreuungssystemen spricht. Uns ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche in den konkreten Lebensverhältnissen im Elternhaus, im Wohnum feld, aber eben auch entsprechend ihrer natürlichen Begabung sich entfalten können, dass sie zuverlässige, dass sie verlässliche Zukunftschancen haben. In diesem Sinne ist es nun einmal so, dass Entwicklungschancen für Kinder und Jugendliche – auch das, was Sie geschildert haben, Frau Abgeordnete Polzin – ganz maßgeblich durch die Rahmenbedingungen bestimmt werden, die eine Gesellschaft für die Eltern, aber eben auch für die Kinder schafft, das heißt Rahmenbedingungen,

die den Artikel 6 des Grundgesetzes mit Leben erfüllen. Das heißt, Sozialpolitik in diesem Sinne verlangt einfach Kontinuität und Planmäßigkeit.

Ich darf an dieser Stelle an die Konzepte erinnern, die in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der vorschulischen Bildung und gerade eben auch auf dem Gebiet der Kindergesundheit entwickelt wurden. Wir haben einen Kindergesundheitsbericht vorgelegt und wir haben einen Landesaktionsplan Prävention, wo es uns um die Entwicklung der Kinder geht und auch um die Komponente der verpfl ichtenden Vorsorgeuntersuchungen, erarbeitet. Wir haben im Land die gute Situation, dass etwa 97 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kinder einen Kindergarten besuchen und hier gute Gegebenheiten sind, um eine gesundheitliche Betreuung verpfl ichtend, das heißt auch zur Unterstützung der Elternhäuser, durchzuführen. Hier sind noch Handlungsspielräume. Über diesen Antrag wird im Augenblick auf Bundesebene viel diskutiert und ich hoffe sehr, dass die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern diesen Ansatz der verbindlichen Vorsorgeuntersuchung zur Unterstützung überforderter Eltern im Interesse der Kinder und Jugendlichen mit befürwortet.

(Beifall Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Wir haben im Land ein sehr intensives Programm der Jugend- und Schulsozialarbeit auf den Weg gebracht. Und auch das ist ein begleitendes Programm, um vorsorgend im Interesse einer chancengleichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen gerade in Konfl iktsituationen helfend einzugreifen.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Erwin macht das. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Und ich darf an das Programm der sozialen Integration durch längeres gemeinsames Lernen erinnern. Das alles sind Konzepte, die entwickelt wurden, die von hoher gesellschaftlicher Akzeptanz getragen und mit hohem Engagement umgesetzt werden.

Das Besondere dieser Konzepte in Mecklenburg-Vorpommern ist auf der einen Seite der sozialpolitische Inhalt und auf der anderen Seite aber, dass es auch gelungen ist, sie fi nanzpolitisch zu untersetzen. Das heißt, Mecklenburg-Vorpommern ist das einzige Land der Bundesrepublik, wo in den letzten Jahren die Mittel für kinder- und jugendpolitische Maßnahmen nicht gekürzt, sondern im Detail erhöht wurden. Ich denke an die Erhöhung der Mittel für die Kindertagesbetreuung, die vor allem für Kinder, aber auch für ihre Eltern zu Buche schlagen.

Während sich nun die Koalitionsparteien schon eine geraume Weile mit Wahlversprechen, großartigen Ankündigungen profi lieren, man könnte sagen, die Linkspartei links überholen wollen – ich denke nur an das grandiose Wahlversprechen, die Elternbeitragsfreiheit kurzfristig einzuführen –,

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Wir sind gespannt.)

vollzieht sich in der Praxis ein rasanter Prozess der Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen.

Ich darf an die Ausführungen von Frau Polzin eine andere Zahl zur Erinnerung nennen:

Unicef Deutschland und der Deutsche Kinderschutzbund

beziffern die Anzahl der Kinder in Deutschland, die in Armut leben, auf 2,5 Millionen. Dabei wurden alle Kinder aus Familien eingerechnet, die Leistungen nach Hartz IV erhalten. In Mecklenburg-Vorpommern nimmt auch diese Zahl grandios zu. Unter 15 Jahren sind etwa 55.000 Kinder, die bereits in Familien leben, deren Eltern auf Leistungen von Hartz IV angewiesen sind. Hinzu kommen noch all diejenigen Kinder, deren Eltern ein Auskommen auf der Ebene der Niedriglöhne oder am Sozialhilfeniveau erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinder sind uns in unserer Gesellschaft sehr willkommen. Sie sind eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Kinder brauchen soziale Sicherheit. Kinder und Eltern brauchen soziale Sicherheit. Soziale Sicherheit, das sind Arbeitsplätze mit einem existenzsichernden Einkommen und klaren arbeitsvertraglichen Regelungen. Die Bundesregierung hat die Wirtschaft in den letzten Jahren steuerlich massiv entlastet. Der Staat ist mit grandiosen Steuerentlastungen für die Unternehmen in Vorleistung gegangen. Die Gegenleistung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Schaffung von dauerhaften und existenzsichernden Arbeitsplätzen, steht nach wie vor aus.

Hartz IV mit den oft nur drei Monate währenden Beschäftigungsverhältnissen ohne tarifl iche Entlohnung und arbeitsvertragliche Absicherung kann bestenfalls die Statistik aufbessern, nicht jedoch das soziale Problem der Eltern lösen. Insofern ist Hartz IV kein Beitrag zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit, kein Beitrag zur Lösung der sozialen Sicherheit, kein Beitrag zur sozialen Geborgenheit von Kindern und Jugendlichen.

Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Land müssen alle Maßnahmen intensiviert werden, die gerade jungen Menschen und ihren Eltern helfen, chancengleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wir wollen einfach, dass das erfolgreiche Konzept der vorschulischen Bildung in den Kindertagesstätten, das wir eingeführt haben, auf alle Altersgruppen ausgedehnt wird, dass es entsprechend fi nanziell untersetzt wird. Kindertagesstätten sind Bildungsstätten für Kinder, sie werden es zunehmend auch für ihre Eltern, gerade angesichts der hier geschilderten Vorgänge. Im Interesse einer harmonischen Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder plädieren wir dafür, den Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung bereits ab dem zweiten Lebensjahr einzuführen.

Die Linkspartei.PDS hat einen 5-Stufen-Plan zur Qualitätsverbesserung der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und zur schrittweisen Entlastung der Eltern von den Elternbeiträgen vorgelegt. Wir empfehlen Ihnen diesen wärmstens und sind auch gerne bereit, Sie zu beraten bei der Umsetzung eines solchen Programms.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der gestiegenen Kinderzahlen haben wir in den vergangenen Haushalt zu den Landesmitteln im Kindertagesförderungsgesetz ergänzend 2 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Angesichts der Ankündigungen der Hansestadt Rostock und des Landkreises Güstrow, die Elternbeiträge zu erhöhen, weil die Kinderzahlen weiter drastisch gestiegen sind, erwarten wir, dass im kommenden Jahr mindestens 2 Millionen Euro als Landesmittel ergänzend in den Haushalt eingestellt werden. Die Linkspartei.PDS hält es überdies im Interesse des gesunden Aufwachsens der Kinder für erforderlich, dass alle Grundschulkinder die Möglichkeit zu einem kostenlosen Mittagsessen erhalten.

Zusammenfassend darf ich sagen, die Linkspartei.PDS erwartet, dass höhere Steuereinnahmen des Landes vorrangig für kinder- und jugendpolitische Maßnahmen eingesetzt werden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich das große Engagement der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und das große Engagement der freien Träger der Jugendhilfe würdigen. Gerade unsere Bürgermeister, Jugendamtsleiter, Jugendhilfeausschüsse vor Ort leisten eine hervorragende Arbeit, auf die wir alle mit Recht stolz sein können. Aber unsere Verantwortungsträger sind oft in einem Konfl ikt. Sie erkennen die Notwendigkeit einer aktivierenden Jugendpolitik, wollen diese auch fi nanziell stärken. Dann kommen Beamte aus dem Innenministerium und erklären: Nichts da! Sie haben einen unausgeglichenen Haushalt, da ist kein Platz für diese freiwilligen Leistungen. Kommunale Verantwortungsträger geraten so schnell unter den Druck der Kommunalaufsicht. Die Linkspartei.PDS spricht sich deshalb dafür aus, dass Kommunen im Interesse der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen die freiwilligen Aufgaben der Kinder und Jugendhilfe wie Pfl ichtaufgaben behandeln können, und dafür müssen sie mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet werden. Hier ist der Bund in der Pfl icht. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie ihren Worten Taten folgen lässt und sich bei der Bundesregierung für eine entsprechende Finanzausstattung der Kommunen stark macht, ich hoffe mit größerem Nachdruck und größerem Erfolg als bei den Verhandlungen für den G8-Gipfel. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Vielen Dank, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Glawe von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Betreuungssysteme im Wandel – Zeitgemäße Initiativen für eine beschützte Kindheit“ ist das Thema der heutigen Aktuellen Stunde und es ist aktuell. Frau Polzin hat es schon angesprochen. Eines muss klar sein: Wenn Eltern versagen, hat der Staat die Verpfl ichtung, den Schutz der Kinder zu garantieren

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

und sich darum zu kümmern, dass Leid und Misshandlungen ein Ende haben. Dazu sind alle gesellschaftlichen Kräfte in diesem Land, in Mecklenburg-Vorpommern, aufgerufen, meine Damen und Herren. Dazu hat übrigens auch der Bundesparteitag der CDU vor einigen Wochen einen Beschluss gefasst, um das hier nur noch einmal zu erwähnen.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Vorige Woche.)

Frau Linke, zu Ihnen mal ein freundliches Wort: Sie hatten von einem Feuerwehrtopf gesprochen, der in besonderer Weise dafür geeignet ist und im Bereich der Kita-Unterfi nanzierung erscheint, für die Sie mit Verantwortung tragen.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Richtig.)

Da haben Sie in diesem Jahr 2 Millionen Euro eingestellt –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und FDP – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

das war ja auch das Wahljahr – und im nächsten Jahr haben Sie freundlicherweise im Haushalt nur noch 1 Million Euro eingestellt. Das, was Sie jetzt gerade beklagen, haben Sie also selbst zu verantworten.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Herr Glawe, wir erwarten natürlich, dass Sie das korrigieren.)

Nur so viel zu Ihren Ausführungen.

Ja, 2 Millionen Euro und nächstes Jahr 1 Million Euro. Falls Sie das einmal nachlesen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Jetzt sind Sie am Zuge.)

Meine Damen und Herren, das ist auch Ihr Haushalt, über den wir hier reden. Und wenn Sie hier schon das Wort ergreifen, dann sollten Sie zumindest sicher sein, dass wir darauf aufpassen, was Sie vortragen.

Meine Damen und Herren! Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein, sie müssen erwünscht sein.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Vor allen Dingen müssen wir dafür sorgen, dass die Familieneinkommen in Mecklenburg-Vorpommern besser werden. Deswegen wollen wir auch die Kinderbetreuung ein Jahr vor dem Schuleintritt kostenfrei gestalten.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Dazu haben wir im Koalitionsvertrag eine Vereinbarung geschlossen, meine Damen und Herren von der PDS, Sie können es gerne nachlesen.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Harry, haben wir schon.)