Dies löste – wie auch der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund und das Verlassen der Genfer Abrüstungsgespräche in Verbindung mit der Ende 1933 erfolgten Ankündigung der Verdreifachung der deutschen Streitkräfte, der Einführung der Wehrpflicht 1935 und ihre stetige Ausweitung in der Wehrdienstzeit sowie die Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes vom 07.03.1937 durch deutsche Truppen – gewaltige internationale Krisen aus. Genau vor diesen Folgen wurde Hitler auch von führenden deutschen Offizieren angesichts einer bei einem militärischen Eingreifen der Westmächte absehbaren Katastrophe wiederholt gewarnt.
Aufschlussreich ist hier auch eine weitere verbürgte Quelle, nämlich der interne Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes an Reichsaußenminister von Ribbentrop am 26. August 1938. Dort kann man lesen, ich zitiere: „Mit der Losung des Selbstbestimmungsrechts der Sudetendeutschen soll eine innere Auflösung der âSR herbeigeführt werden. Diese Methode soll danach gegen Polen angewandt werden. International werde erwartet, daß nach der SR Polen an der Reihe sei, was aber so spät als möglich bemerkbar sein soll.“ Ende des Zitats.
Und einige Monate später, in seiner Rede am 23. Mai 1939 vor führenden deutschen Offizieren in der neuen Reichskanzlei formulierte Hitler unter anderem, ich zitiere: „Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensrau
mes im Osten und Sicherstellung der Ernährung, sowie der Lösung des Baltikum-Problems. … Es entfällt also die Frage Polen zu schonen und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen.“ Ende des Zitats.
Und in diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu erwähnen, dass am 19. April 1939 das Kriegsgefangenenlager Fünfeichen bei Neubrandenburg eingerichtet wurde, also knapp vier Monate vor dem Angriff auf Polen.
Und wenige Tage vor dem Angriff auf Polen, am Tag vor dem Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes am 23. August 1939 in einer Ansprache vor höchsten Offizieren der Deutschen Wehrmacht in der neuen Reichskanzlei in Berlin am 22. August 1939 formulierte Hitler gemäß der stenografischen Mitschrift, Zitat: „Vernichtung Polens im Vordergrund. Ziel ist Beseitigung der lebendigen Kräfte, nicht die Erreichung einer bestimmten Linie. Auch wenn im Westen Krieg ausbricht, bleibt Vernichtung Polens im Vordergrund. Mit Rücksicht auf Jahreszeit schnelle Entscheidung.
Ich werde propagandistischen Anlaß zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig, ob glaubhaft. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht. Bei Beginn und Führung des Krieges kommt es nicht auf das Recht an, sondern auf den Sieg.
Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen. … Restlose Zertrümmerung Polens ist das militärische Ziel. Schnelligkeit ist die Hauptsache. Verfolgung bis zur völligen Vernichtung.
Überzeugung, daß die deutsche Wehrmacht den Anforderungen gewachsen ist. Auslösung wird noch befohlen, wahrscheinlich Samstag morgen.“ Ende des Zitats.
Am 1. September 1939 dann also der Überfall auf Polen und damit der offizielle Beginn des Zweiten Weltkrieges. Und die Geschichte um den Sender Gleiwitz, auch sie ist mit Fakten im Rahmen des Nürnberger Prozesses nachträglich bewiesen worden.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Eindeutig belegt. – Michael Andrejewski, NPD: Hört, hört! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)
Auf diesen Ausbruch hatten Hitler und die Naziführung zielstrebig und bewusst hingearbeitet. Sie hatten schrittweise für die Voraussetzungen für die Umsetzung ihres Ziels, einen Weltbrand zu entzünden, gesorgt. Dies zu leugnen, die Verantwortung Deutschlands für 60 Millionen Tote, Hunderte Millionen Verletzte, körperlich und seelisch verkrüppelte Menschen,
... nicht bezifferbare materielle Schäden, die Vernichtung Hunderttausender Kulturgüter und nicht zuletzt die politischen und territorialen Folgen zu leugnen oder umzuinterpretieren,
werden wir uns aus unserer Verantwortung für und vor der Geschichte weiterhin energisch entgegenstellen.
Und, meine Damen und Herren, es entspricht eben nicht den Tatsachen, dass der Hitler-Stalin-Pakt, der ja eigentlich Ribbentrop-Molotow-Pakt heißen müsste, die Ursache für den Zweiten Weltkrieg war.
Allerdings kann und muss man eben diesen im August 1939 abgeschlossenen Vertrag mit vollem Recht verurteilen. An der Stelle kann man dem russischen Präsidenten Putin nur zustimmen, der am 31.08.2009, also am Vorabend der Gedenkveranstaltung auf der Westerplatte, in der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ schrieb, ich zitiere:
„Heute verstehen wir, dass jede Form von Abkommen mit dem nazistischen Regime aus moralischer Sicht unannehmbar war und keinerlei Aussichten auf praktische Realisierung hatte.“
„Im Rückblick auf die Vergangenheit sollten wir alle unbedingt daran denken, zu welchen Tragödien Kleinmut, Kabinettspolitik hinter den Kulissen und das Streben führen, Sicherheit und nationale Interessen auf Kosten anderer zu garantieren. Es kann keine vernünftige, verantwortungsvolle Politik außerhalb moralischer und rechtlicher Rahmen geben.“ Ende des Zitats.
Und der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der moralische Charakter des Molotow-Ribbentrop-Vertrages im russischen Parlament eine eindeutige parlamentarische Wertung erfahren hat.
Aber das alles ändert nichts an der Tatsache, dass stimmt, was die Bundeskanzlerin während der Gedenkveranstaltung am 1. September 2009 auf der Westerplatte bei Gdaƒsk formulierte.
Sie sagte: „Heute vor 70 Jahren begann mit dem deutschen Überfall auf Polen das tragischste Kapitel in der Geschichte Europas. Der von Deutschland entfesselte Krieg brachte unermessliches Leid über viele Völker – Jahre der Entrechtung, der Erniedrigung und der Zerstörung.“ Ende des Zitats.
Das alles wird auch künftig im Geschichtsunterricht so und nicht anders behandelt werden. Wir als demokratische Fraktionen hier in diesem Hause widersprechen in aller Schärfe Ihren Versuchen, geschichtliche Fakten in ihr Gegenteil zu verkehren.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Stefan Köster, NPD)
Wir werden wahrscheinlich Ihr revisionistisches Geschichtsbild, Ihr Nachhängen an Tradition nicht ändern, Sie unser wissenschaftlich begründetes und das der Mehrheit aller Menschen hier in diesem Lande allerdings auch nicht. Ich kann Ihnen versichern, wir werden auch weiterhin mit unseren Möglichkeiten unterschiedlichster Art und Weise – alle vier Fraktionen und die breite gesellschaftliche Öffentlichkeit – alles tun,
(Stefan Köster, NPD: Mit den Brandanschlägen wie gestern, ja? – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)
Die Fraktion der SPD, der CDU, die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der FDP lehnen Ihren Antrag als völlig ungeeignet ab.
(lang anhaltender Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)
Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Andrejewski und dem Abgeordneten Herrn Köster jeweils einen Ordnungsruf für die Zwischenrufe, die gefallen sind und die nicht zur Würde dieses Hauses gehören.
(Ilka Lochner-Borst, CDU: Noch einmal! – Peter Ritter, DIE LINKE: Deutlicher kann man Bildungsunterschiede nicht dokumentieren wie jetzt. Das ist doch schon in Ordnung.)
Frau Präsidentin! Abgeordnete des Landtags! In der Schule habe ich immer gelernt, dass Revisionismus ein Schreckgespenst oder etwas ganz Schreckliches ist. Dann hat man mir mal erklärt, was eigentlich Revision ist, nämlich noch einmal eine Sicht auf die Dinge, eine unverfälschte Sicht auf die Dinge, nach der man dann entscheiden kann, ob etwas wahr oder etwas falsch ist.
Ich habe keine Angst vor Revisionismus. Wenn etwas einer Wahrheit entspricht, dann wird sie durch Revision nicht umgestoßen.