(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: War das witzig, über den Zweiten Weltkrieg zu sprechen, Herr Borrmann?)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Also es bleibt schon festzustellen, was uns die NPD hier im Zusammenhang mit dem Antrag zur Darstellung der Ursachen des Zweiten Weltkrieges dargeboten hat, ist an Geschichtsklitterung und Uminterpretation geschichtlicher Tatsachen schwer zu ertragen
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Raimund Frank Borrmann, NPD)
Ich empfehle Ihnen die nachgelassenen Briefe deutscher Soldaten und Offiziere der „Schleswig-Holstein“, die veröffentlichten, zu lesen, über die Sturmsoldaten, die insgeheim mit der „Schleswig-Holstein“ transportiert wurden, über die SS-Angehörigen auf der „SchleswigHolstein“, die bereits zuvor heimlich nach Danzig eingeschleust wurden, und so weiter und so fort.
Aber, meine Damen und Herren, das war doch alles zu erwarten, schon nach der Rede von Herrn Borrmann während unserer letzten Landtagssitzung, zur Reaktion der NPD auf die Entschließung zum 70. Jahrestag des Kriegsbeginns in der letzten Sitzung.
Vor allem die Begründung des vorliegenden Antrags macht deutlich, worum es in diesem Antrag Ihnen eigentlich geht. Da wird suggeriert, dass aktuelle, anders gewichtete und ausgelegte Deutungen des Hitler-StalinPaktes in Russland und Polen die vorherrschenden wären. Falsch, sind sie eben nicht.
(Raimund Frank Borrmann, NPD: Wer sagt denn das? Wer sagt denn das? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
und wenn Sie sich mit der politischen Meinungsbildung in Polen und Russland beschäftigen würden, dann würden Sie das auch feststellen können.
Ob und inwieweit die zugänglichen Tagebuchaufzeichnungen vom Generalissimus – so ließ er sich ja titulieren – Stalin die geschichtswissenschaftliche Darstellung wirklich grundlegend über den Haufen werfen, bleibt abzuwarten, ist eher unwahrscheinlich, aber Sie, meine Herren von der NPD,
scheinen ja der Eigensicht von Stalin aus seinen Tagebüchern weit mehr zugeneigt zu sein als den historischen Fakten.
Polen wollte mithilfe Deutschlands bis September 1939 die Sowjetunion angreifen, erklärt sich doch aus der von mir vorhin dargestellten deutschen Politik von selbst.
Dem Fass den Boden aber schlägt der letzte Satz Ihrer Begründung aus, Zitat: „Eine objektivierte Befassung mit diesem geschichtlichen Großereignis führt sicher auch zu einer Entkrampfung des angespannten deutschpolnischen Verhältnisses.“ Ende des Zitats.
die in Wahlzeiten Orte an der deutsch-polnischen Grenze mit einem menschenverachtenden, grundgesetzwidrigen und die Menschenwürde verletzenden Plakat plakatieren, ganz in historischer Tradition, im Sinne Ihrer Ideologie. Das ist eine erhebliche Belastung für das deutschpolnische Verhältnis.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)
und dazu ist Ihnen jedes Mittel recht, auch das Mittel, Opfer zu Tätern zu machen und umgekehrt. Nicht mit uns, meine Herren von der NPD!
Meine Damen und Herren, ich bin Jahrgang 1959, habe den Zweiten Weltkrieg nicht erlebt, bin aber mit den
Folgen groß geworden. Meine Großeltern väterlicherseits habe ich nie kennenlernen können, weil sie im Krieg getötet wurden.
Das gilt auch für meinen Großvater mütterlicherseits. Er kam als mobilgemachter Reservist kurz vor Kriegsende – wahrscheinlich in der Nähe von Stettin – um, wir wissen bis heute nicht, wo. Und mein Vater selbst kam als Invalide aus dem Krieg. So oder ähnlich geht es vielen Familien in Deutschland, in Polen, in den baltischen Ländern, in Frankreich, in England, in vielen Staaten dieser Welt, die von diesem Krieg überzogen wurden. Und deshalb liegt mir persönlich sehr daran, immer wieder deutlich zu machen, wer die Hauptschuld an diesem Wahnsinn trug,
(Ilka Lochner-Borst, CDU: Tja. – Raimund Frank Borrmann, NPD: Tja, das ist eben für mich nicht so klar.)
warum es dazu kommen konnte. Deshalb kann niemand an einer Selektion oder kompletten Umdeutung der Ursachen dieses Zweiten Weltkrieges ein Interesse haben
außer jenen, die sich offensichtlich in der Traditionslinie jener befinden, die damals die Brandstifter waren.
(lang anhaltender Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)
Lassen Sie mich mit einem Aphorismus von Nikolaus Cybinski enden: „Der Gedanke, daß die Falschen das Falsche aus der Geschichte gelernt haben, ist so beklemmend wie die Vorstellung, daß sie unbelehrbar sind.“ – Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Herr Abgeordneter Andrejewski, da Sie jetzt schon den zweiten Ordnungsruf erhalten haben, muss ich Sie noch belehren, dass Sie entsprechend Paragraf 98 bei einem dritten Ordnungsruf das Wort entzogen bekommen.
(Michael Andrejewski, NPD: Ich hatte bisher nur einen. Habe ich jetzt einen zweiten bekommen? Es ist bisher nur einer ausgesprochen worden. – Zurufe von Ilka Lochner-Borst, CDU, und Stefan Köster, NPD)