Protokoll der Sitzung vom 22.10.2009

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Dass diese Angelegenheit längst nicht vom Tisch ist, belegt die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kirsten Tackmann vom 7. August 2009, die die Aktionsgemeinschaft „Freier Himmel“ in diesem Brief an alle demokratischen Fraktionen mitgeschickt hat. Dort heißt es, ich zitiere: „Über die weitere Verwendung des TrÜbPl Wittstock ist noch nicht entschieden.“ Zitatende.

Das haben wir zum Anlass genommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU und FDP vom 29. September einen Vorschlag für einen gemeinsamen Antrag aller demokratischen Fraktionen zu überreichen. Ich zitiere aus dem Brief meines Fraktionsvorsitzenden an die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Fraktionen vom 29. September, durch Boten im Haus überbracht:

„Sehr geehrter Herr Kollege,

in der Anlage übersende ich Ihnen einen Entwurf für einen gemeinsamen Antrag unserer Fraktionen zur weiteren Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide. Nachdem es gelungen ist, die Wiederinbetriebnahme des Luft/Boden-Schießplatzes zu verhindern, ist es meiner Meinung nach wichtig, nach der Bundestagswahl dieses politische Signal zu bekräftigen und von der Bundespolitik weitere Schritte abzufordern, die eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide erst möglich machen.

Wir sollten die Sitzung des Landtages im Oktober 2009 nutzen, um diese Position gemeinsam zu verdeutlichen. Für Nachfragen stehe ich gern zur Verfügung.“ Zitatende.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Nachfragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gab es nicht. Es gab lediglich eine Reaktion über die Presse, als die SPD uns mitteilte, sie hätte diesen Antrag gern mitgetragen. Auch die gemeinsame Stellungnahme der Initiativen „Freier Himmel“, „FREIe HEIDe“ und „ProHeide“ vom 7. Oktober, wo ein rechtsverbindlicher Verzicht der neuen Bundesregierung auf jegliche militärische Nutzung des Areals gefordert wurde, blieb ohne Reaktion.

„FREIe HEIDe“, „Freier Himmel“ und „ProHeide“ fordern in dieser gemeinsamen Erklärung von der Politik, dass Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festschreiben sollten, dass das 12.000 Hektar große sogenannte Bombodrom von militärischen Altlasten befreit wird. Die Regierung müsse – Zitat – „als Ausgleich für die 17 Jahre, die das Gelände der Region vorenthalten wurde, Verantwortung für die Beseitigung militärischer Altlasten übernehmen“. Zitatende.

Auch diese Forderung blieb ohne Reaktion bis zum Antragsschluss, sodass wir uns gezwungen sahen, der Bitte der Aktionsgemeinschaft folgend, unseren Antrag vorzulegen. Zwischenzeitlich gibt es einen Textvorschlag der Aktionsgemeinschaft „Freier Himmel“ mit der dringenden Bitte an uns alle, den politischen Konsens, der bisher bestand, den meine Fraktion nicht verlassen hat, auch mit dem heute vorgelegten Antrag, diesen politischen Konsens nicht zu brechen. Der Bitte, und nur

dieser Bitte der Aktionsgemeinschaft „Freier Himmel“ entsprechen wir, ziehen unseren Antrag zurück, und zwar in der Hoffnung, dass auf der nächsten Landtagssitzung ein gemeinsamer Antrag aller demokratischen Fraktionen hier verabschiedet wird.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Allerdings möchte ich hinzufügen, dass die Erwartungshaltung der Bürgerinitiativen „Freier Himmel“, „FREIe HEIDe“ und „Pro Heide“ damit nicht mehr erfüllt werden kann, denn auf der nächsten Landtagssitzung, die im November stattfindet, ist der Koalitionsvertrag in Berlin ausgehandelt. Dennoch ziehen wir unseren Antrag zurück und hoffen auf eine zielführende Debatte im nächsten Monat. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Danke, Herr Ritter.

Da der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, kommen wir nun zum Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Unterrichtung zu Rundfunkänderungsstaatsverträgen, Drucksache 5/2862.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Unterrichtung zu Rundfunkänderungsstaatsverträgen – Drucksache 5/2862 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Bluhm von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir gestern über den Medienbericht der Landesregierung diskutiert haben, heute nun erneut ein medienpolitisches Thema auf der Tagesordnung unserer Plenarsitzung. Aus aktuellem Anlass, nämlich dem Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, geht es zugleich auch um ein grundlegendes Thema unserer parlamentarischen Arbeit, unseres parlamentarischen Selbstverständnisses und unseres künftigen Herangehens an die politische Meinungsbildung zu solchen inhaltlichen Fragen.

So wollen wir mit unserem Antrag zunächst die Landesregierung auffordern, den Landtag gemäß den Regelungen der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommerns über den aktuellen Entwurf des Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu informieren und zum Zweiten eine entsprechende Beschlussfassung vorzunehmen, die es künftig ermöglicht, eine rechtzeitige Befassung des Parlamentes und des für Medienfragen zuständigen Ausschusses unseres Parlamentes zu ermöglichen.

Das ist im Prinzip, was das Verfahren betrifft, ein altes Thema, denn schon seit dem Neunten und dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und den danach behandelten wurde nicht nur bei uns in MecklenburgVorpommern die Diskussion aus dem parlamentarischen Raum heraus immer lauter und fordernder, frühzeitiger in die Meinungsbildung und in die Entscheidungsfindung einbezogen zu werden. Das entspricht auch der Umsetzung des Rundfunkurteils von 2007 des Bundesverfassungsgerichts und den Diskussionen um den sogenannten Beihilfekompromiss mit der Europäischen Union.

Aber es geht natürlich, und das beinhaltet insbesondere unser Punkt 1, zuerst auch um inhaltliche Fragen, die zum Teil von Abläufen geprägt sind. So ergibt sich

aus der Beratungsrunde der Chefs der Staatskanzleien vom 10. September 2009 die Festlegung des Termins der Unterzeichnung auf der Jahreskonferenz der Regierungschefs der Länder am 28. bis 30. Oktober 2009, also in wenigen Tagen.

Irgendwann würden wir dann als Landtag ein Zustimmungsgesetz zugeleitet bekommen, zu dem wir Ja oder Nein sagen können. Dabei ist jetzt schon die Kritik an der gegenwärtigen Entwurfsfassung dieses Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages in der Medienwelt nicht zu überhören. Was da kommt, wenn es so kommt, ist eine völlige Veränderung des Fernsehens im öffentlich-rechtlichen und im privaten Rundfunk.

Mit dem neuen Staatsvertrag soll bezahltes ProductPlacement im deutschen Fernsehen erlaubt werden. Paragraf 7 des Entwurfes regelt, ich darf zitieren: „Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung sowie entsprechende Praktiken sind unzulässig.“ Ende des Zitats. Aber dann kommt deren Aufhebung im nächsten Satz, der von Ausnahmeregelungen spricht. Wegzappen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie beim bisherigen allgegenwärtigen Werbeblock geht da nicht mehr.

Viele dieser im Staatsvertragsentwurf vorhandenen Regelungen sind kompliziert, manche sind schwer nachvollziehbar. Der Nutzen für die Zuschauerinnen und Zuschauer lässt sich in der Tat mit drei Worten zusammenfassen: Es gibt keinen. Die Vorgaben der Europäischen Kommission – ein bezahltes Produkt zu platzieren, Product-Placement zu erlauben – zielen darauf, den sich vollziehenden Auswirkungen des Strukturwandels in der Medienentwicklung nachzukommen und den Wirkungen auf die Geschäftsmodelle und insbesondere auf die „Finanzierung des kommerziellen Rundfunks Rechnung zu tragen“, wie es in der Richtlinie selbst heißt.

Also kommerzielle Sender sollen neue Einnahmequellen erhalten. Dadurch aber wird die in Deutschland bisher streng gehandhabte Trennung von Programm und Werbung aufgeweicht. Als Bedingung ist formuliert, dass die redaktionelle Verantwortung und die inhaltliche Unabhängigkeit des jeweiligen Veranstalters nicht beeinträchtigt und mit den Platzierungen der Zuschauer nicht unmittelbar zum Kauf aufgefordert werden darf. „Das Produkt darf nicht zu stark herausgestellt werden“, so heißt es wörtlich.

Wie das allerdings definiert ist, bleibt völlig offen. Am umstrittensten ist jedoch die Frage, warum es das bezahlte Product-Placement nur bei den Privatsendern geben soll. Hier ergeben sich doch Einschränkungen der Finanzierung von Produktionen, auch der öffentlichrechtlichen Rundfunkveranstalter. Und obwohl nach dem Vertragstext für ARD und ZDF zumindest kostenlose Beistellungen, als Produktionshilfen bezeichnet, möglich sein sollen, ist diese Frage offen.

Unter der Voraussetzung, dass ein Sender eigene Richtlinien entwickelt, die eine, Zitat, „ungebührliche Herausstellung des Produkts“, Zitatende, vermeiden sollen, bleibt die Frage zu beantworten, wie das alles rechtssicher umgesetzt werden soll. Wer sich diesen Entwurf, sobald er denn zugänglich ist, zu Gemüte geführt hat, der wird festgestellt haben, das wird alles unheimlich kompliziert. Und ob die Effekte tatsächlich eintreten, ist in Zeiten einer immer effektiveren Fernbedienung mehr als fraglich.

Es geht hier also um eine sehr grundsätzliche Frage künftiger Rundfunkpolitik in Deutschland und wir, wir können möglicherweise dann irgendwann zum Gesetz zum Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, dem Zustimmungsgesetz, noch Ja oder Nein sagen.

Im zweiten Punkt unseres Antrages, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es uns darum, ein parlamentarisches rechtliches Problem, nämlich die Einführung eines Verfahrens, das die Beteiligung der Legislative in anderer Art und Weise als bisher regelt, zu ermöglichen. Ich erinnere hier an die vielen Debatten im Parlament selbst, wo wir uns als Fraktionen unterschiedlicher politischer Herkunft darüber beklagt haben, dass wir uns als nicht oder nicht ausreichend beteiligt gesehen haben.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Und um solchen Interpretationen vorzubeugen: Es geht in dem von uns hier beantragten Verfahren um die Information, die rechtzeitige Unterrichtung des Parlaments und die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme, nicht, ausdrücklich nicht um einen Zustimmungsvorbehalt. Der bleibt natürlich der Exekutive, so ist Medienordnung strukturiert, vorbehalten. Aber eine Meinung zu bestimmten Entwicklungen, die muss doch dieses Parlament dann als Gesetzgeber des Zustimmungsgesetzes haben können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nee, nee, die machen das alles alleine.)

Es gilt, den Zustand zu überwinden, dass sich die Rundfunkreferenten der 16 Staatskanzleien – ich vereinfache das jetzt sehr stark, ich gebe das zu – auf entsprechende Änderungen des Medienrechtes einigen, die dann von den Chefs der Staatskanzleien und nach diesen durch die Ministerpräsidenten in den Stand von Staatsverträgen gehoben werden, denen dann die gesetzgebenden Parlamente der Länder nur noch mit Ja oder Nein begegnen können. Von daher, denke ich, ist es erstens vor dem Hintergrund der gegenwärtig aktuellen Situation in Bezug auf den aktuellen Entwurf des Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages angeraten, sich mit dieser grundlegenden Umstellung als Parlament zu befassen und zweitens für die künftigen Beratungen von Rundfunkstaatsverträgen, die neben Bildungsfragen eine immer zentralere Bedeutung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft haben werden, eine rein einfache legislative Beteiligungsmöglichkeit unseres Hauses zu schaffen. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Bluhm.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schildt von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der in Artikel 39 Absatz 1 der Landesverfassung statuierten Informationspflicht der Landesregierung soll sichergestellt werden, dass dem Landtag politischer Gestaltungsspielraum verbleibt. Der

Regierung kommt ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Wahl des richtigen Zeitpunkts zu. Eine Informationspflicht wird jedenfalls dann angenommen, wenn der interne Meinungsbildungsprozess abgeschlossen ist.

(Egbert Liskow, CDU: Oi, oi, oi!)

Meine Damen und Herren, der Dreizehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzt die EU-Richtlinie über audiovisuelle Medien um, die seit Dezember 2007 in Kraft ist. Herr Bluhm hat in seiner Einbringung sehr umfangreich darüber berichtet und für jeden, der sich mit der Thematik nicht befasst, ist es sehr schwer verständlich.

Die Zielsetzung des Staatsvertrages ist langfristig bekannt. Die Regelungen enthalten keinerlei Aspekte, die einen besonderen Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern haben. Der Staatsvertrag erlegt vorrangig Fernsehsendern neue Verpflichtungen auf. Für Hörfunkveranstalter ergibt sich durch die Zulässigkeit von Produktplatzierungen eine Absicherung, insbesondere der bisherigen Kooperationen mit Preisstiftern bei Gewinnspielen. Es ist daher bereits fraglich, ob hier das Vorliegen einer landespolitisch grundsätzlichen Bedeutung zu bejahen ist, auf die Artikel 39 Absatz 1 der Landesverfassung abzielt.

Meine Damen und Herren, der Landtag wird über Rundfunkänderungsstaatsverträge stets durch Schreiben des Chefs der Staatskanzlei an die medienpolitischen Sprecher der Fraktionen unterrichtet. Dies geschieht immer, nachdem die Ministerpräsidentenkonferenz den jeweiligen Entwurf gebilligt hat. Das ist das übliche Verfahren, was sich bewährt hat. Wie Sie wissen, wird regelmäßig auf der direkt folgenden Ministerpräsidentenkonferenz der Staatsvertrag dann unterschrieben. Das Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag wird erst nach Unterzeichnung erstellt.

Beim Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag konnte bei der ersten Befassung der Ministerpräsidenten im Juni 2009 kein Einvernehmen hergestellt werden,

(Vincent Kokert, CDU: Was?!)

weshalb eine weitere Beratung in der Rundfunkkommission sowie auf der Konferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien im September 2009 erforderlich war. Erst danach erfolgte im Umlaufverfahren die Billigung der Ministerpräsidenten bis Ende September 2009. Unmittelbar danach wurden die medienpolitischen Sprecher unterrichtet.

Nichtsdestotrotz, dass der Beratungsturnus der Ministerpräsidentenkonferenzen sowie die konkreten Unstimmigkeiten zum Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zur Folge hatten, dass die Zeitspanne zwischen Informationen und Unterzeichnung diesmal besonders kurz ist, ist der Verfahrensablauf durchgängig identisch. Auch im Fall des Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages erfolgte die Information noch vor der Kabinettsentscheidung über die Unterzeichnung, womit die absoluten Grenzen der Informationspflicht nicht verletzt sind. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)