Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor der Wahl – das sollte letztendlich dem dümmsten FDP-Wähler aufgegangen sein – ist eben nicht nach der Wahl.

Ja, meine Damen und Herren, mit der FDP als Steuersenkungspartei ist es nicht weit her. Leider steht mir hier heute nicht die Zeit zur Verfügung, auf den gesamten Steuersenkungsschwindel der FDP im Einzelnen einzugehen. Wir behandeln nämlich hier einen Antrag der LINKEN, welcher die beabsichtigte Mehrwertbesteuerung von null auf 19 Prozent kommunaler Dienstleistungen zum Gegenstand hat. Da mir leider nur drei Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, hier im Stakkato die Positionen meiner Fraktion:

Erstens. Eine Besteuerung von Aufgaben zur Erfüllung öffentlicher Grundfürsorge wie die Abfallwirtschaft oder die Wasserversorgung lehnen wir grundsätzlich ab. Das Ganze ist auch ein Anachronismus und eine verdeckte Steuererhöhung, die die FDP ausdrücklich fordert. Der Staat ist verpflichtet, in diesen Bereichen kostendeckend zu arbeiten. Und dies bedeutet natürlich auch, dass sich die Abschreibungen für die diesbezügliche Infrastruktur in den Gebühren wiederfinden müssen. Mehr aber auch nicht.

Zweitens. Leider ist es jedoch bereits bundesweit Realität, dass zwei Drittel aller operierenden und von den Kommunen beauftragten Entsorgungsbetriebe private Kapitalgesellschaften sind und sich somit bereits Mehrwertsteuer …

(Michael Roolf, FDP: Genau so, ja.)

So ist es, Herr Roolf.

… versteckt in den Gebührenbescheiden der Bürger wiederfinden.

(Michael Roolf, FDP: Nicht versteckt. Die wird ausgewiesen. Die Mehrwertsteuer wird ausgewiesen, Herr Pastörs. Sie sind doch mal Unternehmer gewesen.)

Ihnen allen ist bekannt, dass gerade auf dem Entsorgungsmarkt dennoch kein freier Wettbewerb herrscht und nicht selten zu Recht von einer Müllmafia gesprochen wird. Es kam hier eben nicht zur Verbilligung der Müllentsorgungskosten für die Bürger.

Drittens. Im Antrag der LINKEN fordern diese unter II, „dass ein Wegfall von Steuerbefreiungen für kommunale Unternehmen im Interesse der Sicherung der kommunalen öffentlichen Daseinsfürsorge verhindert“ werden soll.

Dazu ist aus meiner Sicht zu sagen, es geht nicht nur um Versorgungssicherheit, sondern auch um das Verhindern von erhöhten Gebühren. Wir reden hier immerhin von einer Erhöhung zwischen zehn und zwölf Prozent. Aber auch das beabsichtigen Sie ja zu verhindern, Gott sei Dank. Wenn das Wirklichkeit werden würde, was in erster Linie die FDP befürwortet, bedeutet dies eine indirekte Besteuerung auch der Schwächsten in unserem Volke, nämlich den Hartz-IV-Empfängern zum Beispiel. Wollen Sie das, Herr Roolf, oder interessiert Sie das nicht als Besserverdienender?

Viertens. Wir sind jedoch sehr wohl der Meinung, dass außerhalb des Daseinsfürsorgebereichs für alle kommunalen, städtischen oder bundeseigenen Unternehmen eine absolute steuerliche Gleichbehandlung unabdingbar ist. Und dies ist ja im Gegensatz zu dem Ausgeführten von Ihnen gerade, Herr Roolf, bereits auch schon weitestgehend der Fall, denn etwas anderes würde ja bedeuten, einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der freien Unternehmerschaft das Wort zu reden, die wir nicht haben wollen. Uns reicht das EU-Subventionschaos völlig, sodass wir ein ähnliches Modell innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in der Steuergesetzgebung nicht haben wollen.

Dem Antrag der LINKEN müssen wir daher zustimmen, weil er zielführend ist und genau das entlarvt, was die CDU-FDP-Koalition möglichst geräuschlos durchdrücken will. Ich kann da nur sagen, Herr Roolf, wir werden jede Gelegenheit nutzen, das Geschrei vor der Wahl als das zu entlarven, als was es sich nach der Wahl entpuppt: als reiner Populismus und Betrug am Steuerzahler. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag war dringlich. Unser Antrag war richtig. Unser Antrag ist wichtig.

(Vincent Kokert, CDU: Ist überflüssig.)

Und deswegen ist es gut, dass wir heute noch mal darüber sprechen, weil – er sprach hier vom richtungsweisenden Koalitionsvertrag, und da kommen wir morgen ja noch mal drauf zurück – dieser richtungsweisende Koalitionsvertrag natürlich eine Vielzahl von Vereinbarungen enthält, die nicht nach vorn weisen, sondern nach hinten, und diese Politik kann auf keinen Fall durch DIE LINKE unterstützt werden.

(Harry Glawe, CDU: Das behaupten Sie.)

Ich will es hier deutlich sagen, warum wir den Antrag eingebracht haben: weil wir natürlich all das verhindern wollten, was Herr Müller und was auch wir hier bereits angesprochen haben. Und wir sind der Überzeugung: Wehret den Anfängen! Wehret in der Tat den Anfängen, dass eine solche Besteuerung hier gar nicht erst eingeführt wird.

Und, Herr Roolf, Sie haben heute Vormittag in der Aktuellen Stunde, die nicht gerade kulturvoll abgelaufen ist, das will ich mal hier feststellen dürfen, …

(Marc Reinhardt, CDU: Das lag aber an Ihnen!)

Ja, gerade wegen Ihrer Fraktion ist sie nicht kulturvoll abgelaufen.

... Sie haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde von unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Konzepten gesprochen – zu Recht. Ich unterstelle, dass insbesondere die FDP keine bevorzugte kommunale wirtschaftliche Betätigung haben will. Und wir wollen, dass die Kommunen gleichberechtigt und wirtschaftlich und aus unserer Sicht auch bevorzugt ihre wirtschaftliche Tätigkeit umsetzen können.

(Michael Roolf, FDP: Sie sagen es.)

Und deswegen unser Antrag. Ich bekenne mich offen dazu. Das ist unser Konzept. Wir sagen, das, was die Kommunen leisten können, das sollen sie auch über ihre eigenen Betriebe tatsächlich umsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Bereits 2006 wurde im Modernisierungsbericht der damaligen Bundesregierung die deutsche Wasserwirtschaft davor gewarnt, dass eine Umsatzsteuerpflicht für die kommunalen Eigenbetriebe zu einer Erhöhung der Gebühren von mindestens zwölf Prozent führen wird. Und wir sagen – genau wie auch die SPD, Herr Müller, da sind wir uns vollkommen einig –: keine Belastung für die Menschen durch Steuererhöhungen, die durch SchwarzGelb in der Bundesregierung tatsächlich umgesetzt werden sollen, denn die privaten Haushalte sind stark belastet und können weitere Belastungen kaum noch schultern.

Und deswegen, meine Damen und Herren, geht es darum, dass die Leistungen, die angeboten werden und die ja notwendig für die Lebensqualität sind, auch bezahlbar bleiben. Uns geht es tatsächlich um die Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge, damit die kommunalen Eigenbetriebe diese Aufgaben entsprechend umsetzen können.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Nun ist es so, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr allzu viele davon haben. Wir möchten aber, dass es wieder viele werden. Auch das will ich hier noch mal deutlich sagen.

In Greifswald haben wir den Abwasserentsorger. Wir haben in Schwerin den Abwasserentsorger. In Parchim und Lübz haben wir den Abwasserentsorger. Und in den Gemeinden Schlemmin und Semlow gibt es ebenfalls die Abwasserentsorger. Es gibt eine Reihe von kommunalen Touristikbetrieben. Es gibt eine Reihe von kommunalen Unternehmen Gebäudemanagement. Und wir müssen auch mal über die Friedhöfe reden. Auch das würde dann dazu führen, wenn diese Steuererhöhungen eingeführt worden wären,

(Michael Roolf, FDP: ÖPNV.)

dass dann auch die Gebühren für die Beerdigungen steigen würden. Und das, glaube ich, kann in keinem Interesse sein, auch nicht in Ihrem Interesse, Herr Roolf.

Und deswegen geht es darum, die Einführung einer solchen Steuerpflicht zu verhindern. Es trifft eben, wie Herr Müller auch ausführte, tatsächlich die Ärmsten der Gesellschaft, die gar nicht steuerlich belastet werden. Auch das gehört zur Wahrheit, und die Wahrheit gehört hier auf den Tisch.

Deswegen, meine Damen und Herren: Wehret den Anfängen! Und wie Herr Backhaus und auch Herr Sellering zu sagen pflegen, wir werden gemeinsam und aufmerksam hinschauen – das sollten wir auch in Zukunft tun –, wie genau dieser Punkt aus Ihrem Koalitionsvertrag, aus dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag in Zukunft umgesetzt wird, denn es kann nicht sein, dass Steuersenkungen zulasten der sozial Schwachen der Gesellschaft durchgeführt werden können. Und deswegen fordere ich Sie noch mal auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Holter.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2896. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2896 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der NPD, aber Ablehnung der Fraktionen der SPD, CDU und FDP abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Kontinuitätssicherndes Lebens- und Familienumfeld für misshandelte und/oder vernachlässigte Kinder schaffen, Drucksache 5/2907.

Antrag der Fraktion der FDP: Kontinuitätssicherndes Lebens- und Familienumfeld für misshandelte und/oder vernachlässigte Kinder schaffen – Drucksache 5/2907 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident! Liebe Damen und Herren! Liebe Kollegen! Anfang dieses Jahres haben mich Eltern von Pflegekindern auf ihre Probleme im Umgang mit Ämtern und Gerichten aufmerksam gemacht. Daraufhin habe ich das Gespräch mit weiteren Fachleuten, aber auch mit Jugendämtern gesucht, um zu sehen, was wir als Landespolitiker in diesem Bereich verbessern können.

Aus all diesen Gesprächen konnte ich mitnehmen, dass es ganz wichtig ist, misshandelten und vernachlässigten Kindern möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen. Diesen Kindern, gerade Kleinstkinder und Babys, muss ganz schnell ein sicheres und langfristig stabiles Familienumfeld gegeben werden. Dies sollte natürlich zuallererst bei den leiblichen Eltern geschehen. Oftmals sind es aber die leiblichen Eltern, die ihrer Erziehungsverantwortung nicht nachkommen können oder wollen. Deshalb brauchen diese Kinder eine schnelle Entscheidung darüber, wo ihr Zuhause ist. Pflegeeltern sind hier die beste Alternative. Sie können dem Kind am besten das Lebensumfeld bieten, um ihre schlimmen Misshandlungen zu verarbeiten und als relativ normale Kinder aufzuwachsen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Was sind denn „relativ normale Kinder“?)

Im April 2009 hat meine Fraktion deshalb hier im Landtag gefordert, die Hilfeplanung zu verbessern, damit diesen Kindern schnell eine verlässliche Lebensperspektive geboten wird. Ferner sprachen wir uns für eine Weiterbildung von Pflegeeltern aus und wir forderten mehr Ressourcen für die staatliche Jugendhilfe. Diese Initiative fand seinerzeit keine Mehrheit.

Gleichwohl hat Frau Sozialministerin am 13.05. hier in diesem Hause gesagt: „Wir brauchen Standards für die Arbeit, mit der wir dieses Kindeswohl sichern. Darüber hinaus müssen wir die Öffentlichkeitsarbeit verbessern. Ziel muss sein, die Jugendämter zu stärken.“ Und genau das wollen wir auch – einheitliche Standards, mehr Öffentlichkeitsarbeit und stärkere Jugendämter. Das sind auch die Kernforderungen der Pflegeeltern, Fachleute und Jugendämter selbst.

In einem Zwischenbericht stellten Anfang Oktober 2009 die Betroffenen die Situation in Mecklenburg-Vorpommern dar. Sie beschrieben in ihrem Bericht, dass eben nicht alles in Butter ist. Und unsere Kleine Anfrage im August 2009 bestätigte diese Aussage. Zu viele Kinder leben in unserem Bundesland in stationären Einrichtungen. 2008 – und nun einmal aufpassen – lebten 1.568 Kinder in einem Heim und nur 1.282 Kinder bei Pflegeeltern. Also ich finde, da muss dringend etwas geschehen. Deshalb stellen wir heute erneut einen Antrag zum Thema. Mit Absicht haben wir unseren Forderungskatalog ausgeweitet, um uns nicht erneut den Vorwurf gefallen zu lassen, zu oberflächlich an die Arbeit zu gehen.

Wir haben unsere Forderung nicht aus der Luft gegriffen, sondern betroffene Familien, Fachleute und vor allem die Jugendämter selbst befragt, was besser gemacht werden sollte. Aus diesem Grunde benennen wir auch Dinge, die nur im Bund zu regeln sind, hier aber nicht verschwiegen werden können. Uns ist es ganz wichtig, dass mehr Menschen sich bereit erklären, Kinder in Not aufzunehmen. Wir wollen ausdrücklich eine positive Kampagne, denn auch die Jugendämter hoffen auf qualifizierte Pflegeeltern, um Kindern schnell zu helfen.