Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Gleichwohl ergeben sich aus der richtig formulierten Verantwortung der Vorlage der Landesregierung mehrere Fragestellungen. Daraufhin zielt sicherlich auch der heute früh vorgelegte Dringlichkeitsantrag der FDPFraktion, nur war eben dieser nicht dringlich, denn die Vorlage liegt uns seit dem 21. Dezember vor. Aber wir sollten die Gelegenheit nutzen, in den Ausschussberatungen die Fragen dort zu thematisieren und auch die Fragestellungen, die ich hier noch einmal für meine Fraktion vortragen möchte.

Erstens stellt sich die Frage: Warum gibt es eine solche Lösung nur für Peenemünde? Warum gibt es eine solche Lösung nicht auch für das ehemalige Wehrmachtsgefängnis in Anklam, eine in ihrer Art in MecklenburgVorpommern einzigartige Gedenkstätte?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Warum gibt es eine solche Lösung nicht auch für das Dokumentationszentrum in Prora, einen geschichtsträchtigen Ort, den es in dieser Art kaum noch an anderer Stelle bundesweit gibt?

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Herr Minister, bitte von der Regierungsbank keine Zwischenrufe und wenn wir irgendwas abzumachen haben, dann machen wir das draußen. Das ist mir das letzte Mal schon unangenehm aufgefallen.

(Udo Pastörs, NPD: Das macht er öfters.)

Zweitens, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird dargestellt, dass sich die Gemeinde Peenemünde mit ihrer Bitte um Unterstützung an die Staatskanzlei gewandt hat. Auch Anklam, Prora und andere Kommunen und Einrichtungen haben sich mit ähnlichen Bitten mehrfach an die Landesregierung gewandt. Warum wird diesen Bitten nicht in ähnlicher Art und Weise entsprochen? Hängt die Lösung für Peenemünde mit den an die Gemeinde gegebenen Versprechen, sich um die Probleme der Gemeinde zu kümmern, wenn diese auf ihren Widerstand gegen die Deichrückbaupläne auf Usedom verzichtet, zusammen?

Drittens wird dargestellt, dass die HTM Peenemünde GmbH mit ihrer Tätigkeit in das Gedenkstättenkonzept des Landes integriert wird. Warum wird nur für Peenemünde ein Vorgriff auf das in Erarbeitung befindliche Gedenkstättenkonzept des Landes vorgenommen? Bleibt da noch Platz für andere Projekte und Vorhaben, die ebenfalls finanzielle Unterstützung bitter nötig hätten?

Das sind Fragen, auf die wir in den Ausschussberatungen gerne Antworten hätten. Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir unserer historischen Verantwortung durch die Erhaltung und öffentliche Präsentation geschichtsträchtiger Orte im Land insgesamt gerecht werden. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut, sehr gut.)

Danke schön, Herr Ritter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Brodkorb. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich ein passender Moment oder eine passende Tatsache, dass gerade am heutigen Tag die Landesregierung diesen Antrag an das Parlament stellt und wir darüber zu diskutieren haben. Und alle, die schon die Gelegenheit oder auch die Ehre hatten, sich mit dem Thema Peenemünde etwas länger zu beschäftigen, wissen um die missliche Situation oder die teilweise auch verrückte Situation.

Wir haben in diesem Land mehrere Erinnerungsorte im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus von großer Bedeutung. Es handelt sich um Alt Rehse, Prora und Peenemünde und einer dieser Standorte hat es schon seit früher Zeit verstanden, sich so zu entwickeln, dass er jährlich mit über 200.000 Besuchern wirklich auch von nationaler Bedeutung in der Wahrnehmung geworden ist. Und das hängt sicherlich mit der Ambivalenz zusammen, wie Herr Minister Tesch ausgeführt hat, zwischen Fortschritt oder Technik und Zerstörung.

Es ist, glaube ich, in diesem Zusammenhang auch notwendig, darauf hinzuweisen, dass an diesem Ort, das ist in Mecklenburg-Vorpommern sonst nicht so häufig der Fall, eine Kultureinrichtung besteht, die sich fast selbst finanziert oder die sich in der Vergangenheit, abgesehen von Investitionszuschüssen, aus den laufenden Einnahmen finanzieren konnte, die aber selbst vor erheblichen Problemen stand und immer noch steht. Und das ist auch seit Jahren bekannt. Seit Jahren ist bekannt, dass die Gemeinde mit 360 Einwohnern auf Dauer sowohl, würde ich jetzt sagen, konzeptionell als auch betriebswirtschaftlich nicht in der Lage sein würde, diese Einrichtung zu unterhalten. Ich möchte, die Vorlage ist da ja hinreichend charmant an vielen Stellen, auch das konzeptionelle Problem noch einmal in Erinnerung rufen.

Die Gemeinde hat sich, denke ich, in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, die Trägerschaft abzugeben. Das war nicht selbstverständlich. Es gab Zeiten, da gab es in diesem Unternehmen, das kann man ja so sagen, einen einzigen Historiker und der war Kunsthistoriker – von über 20 Beschäftigten in einem Riesenmuseum mit über 200.000 Besuchern und einem äußerst heiklen, auch politisch und geschichtlich heiklen Gegenstand einen einzigen Historiker, und zwar einen Kunsthistoriker!

(Dr. Till Backhaus, SPD: Wer ist denn da Bürgermeister?)

Es ist aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD-Fraktion die Gemeinde zu beglückwünschen zu diesem Schritt, auch die Regierung, dass sie sich dieser Sache so annimmt, denn wir können es uns nicht leisten, den in nationaler und öffentlicher Wahrnehmung bedeutendsten gedenkpolitischen Erinnerungsort Gefahren auszusetzen. Ich möchte gar nicht wissen, was in „Spiegel“, „Focus“, „Stern“ und anderen Magazinen zu lesen wäre, wenn in Peenemünde erhebliche Probleme eintreten würden.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Und deswegen, meine Damen und Herren, ist der Weg, den die Regierung uns vorschlägt und den sie beschreiten will, in der Sache zu unterstützen, auch wenn ich nicht verhehlen möchte, dass trotz der erheblichen Selbstfinanzierung, die dieser Standort auch heute schon erreicht, sich das Parlament die Frage wird stellen müssen, ob die in der Vorlage ausgewiesene Projektförderung in diesem Umfang tatsächlich etwas ist, was so beschlossen werden sollte. Das werden wir in den Ausschüssen diskutieren müssen, denn ich darf daran erinnern: Für den Plan 2011 handelt es sich um Einnahmen von 350.000 Euro und jeder Bildungs- und Kulturpolitiker weiß, wie viel Geld für Gedenkstätten ansonsten hier im Land zur Verfügung stehen. Das sind deutlich weniger.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig, sehr richtig. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Es handelt sich um einen deutlich geringeren Betrag. Insofern werden wir uns alle – das ist eine Frage, die ich aufwerfe, die wir beantworten müssen – zwischen diesen beiden Zielen orientieren müssen, auf der einen Seite eine Lösung zu finden, die dem Gedenkort Peenemünde und auch dem Ruf des Landes und der Gemeinde gerecht wird, und auf der anderen Seite einen Weg, der auch die Rolle der anderen Gedenkorte und ihre finanzielle Unterstützung nicht vernachlässigt.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wir haben den Haushalt gerade beschlossen.)

Herr Koplin, Haushalt und Haushaltsvollzug sind noch immer zwei verschiedene Dinge.

Uns ist hier eine Vorlage vorgelegt worden, über die wir in den Ausschüssen zu befinden haben. Ich nehme an, weil dieses Thema so sensibel und uns allen wichtig ist, dass wir dies ganz jenseits ideologischer, polemischer Auseinandersetzungen, sondern ausschließlich in der Sache tun werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Brodkorb.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Vizepräsident Herr Kreher. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag der Landesregierung zur Zustimmung gemäß Paragraf 63 Absatz 1 der Landeshaushaltsordnung betreffend des Eingehens einer Mehrheitsbeteiligung an der Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH geht es nicht allein um irgendeine weitere Beteiligung des Landes an einer kulturellen Einrichtung. Ich glaube, da stimmen wir überein. Es ist nicht irgendeine Einrichtung. Das ist auch in den Beiträgen meiner Vorredner deutlich geworden. Es kann aber nicht sein, dass selbst bei einem so wichtigen und im Prinzip auch zustimmungswürdigen Vorhaben jeglicher Legitimationsrahmen nicht einmal hinterfragt wird.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Anders formuliert: Wenn wir hier einer Landesbeteiligung für Peenemünde zustimmen, warum dann nicht auch in anderen Bereichen? Das hat Herr Ritter schon gesagt. Es gäbe da viele, auch national wichtige Dinge. Da muss

man nur durchs Land fahren, um zu sehen, dass es da auch andere Dinge gibt. Es wurde hier schon Anklam genannt. Es gibt noch eine ganze Menge, ich habe hier einiges stehen, was man dazu alles nennen könnte.

(Udo Pastörs, NPD: Weil man das nicht alles bezahlen kann.)

Ich könnte diese Liste beliebig weiter fortsetzen.

In dieser Beliebigkeit steckt aber auch das Fatale im Regierungshandeln. Als Begründung für die Landesbeteiligung wird angeführt, dass Peenemünde von herausragender nationaler und internationaler Bedeutung ist. Ich denke, dies kann man auch bei vielen anderen Dingen begründen, dass das herausragend, bedeutend ist. Also das ist uns noch nicht genügend hinterfragt. Bedeutet dies denn im Umkehrschluss, dass die anderen genannten kulturellen Einrichtungen nicht diese Bedeutung haben? Und, wenn ja, warum eigentlich? Wer hat das festgestellt? Nach welchen Kriterien? Auf welcher Basis? Das wollen wir auch genau hinterfragen.

Wir hielten das für wichtig, dass es wirklich in diesem Zusammenhang beraten wird, dass wir das hinterfragen. Deshalb haben wir den Eilantrag eingebracht, um diesen Zusammenhang deutlich werden zu lassen und weil wir verhindern wollen, dass nun lauter Folgeanträge kommen, mit denen sich dann die Landesregierung oder auch wir uns befassen müssen.

Unser Land besitzt ein umfangreiches kulturelles Erbe. Wir stehen hier in der Verantwortung, dieses Erbe zu schützen und zu erhalten. Zudem muss gewährleistet sein, dass, wo dies möglich ist, unser kulturelles Erbe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, denn nur die intensive Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe macht das Geerbte so wertvoll für Gegenwart und Zukunft.

Das ist sehr allgemein gesagt, meine Damen und Herren. Und ich sehe auch ein, ich weiß das als Kommunalpolitiker, dass mit einem so großen Museum eine so kleine Gemeinde wirklich unter Umständen überfordert ist. Das kann sein. Aber das wollen wir in klaren Kriterien abwägen und nicht einfach jetzt hier darlegen. Insofern sind wir froh, dass es in den Ausschuss geht. Wir werden der Ausschussüberweisung auf jeden Fall zustimmen.

Sicherlich können auch in Zukunft nicht alle Wünsche berücksichtigt werden. Vielmehr muss diese sorgfältige Abwägung vorgenommen werden, was wie und mit welchem Ziel vom Land unterstützt werden kann und soll und manchmal sogar muss. Es muss eindeutig festgelegt werden, nach welchen verbindlichen und sachlich nachvollziehbaren Kriterien eine Landesübernahme erfolgen kann und welcher Zweck in einem größeren kultur-, bildungs- und wirtschaftspolitischen Konzept damit verfolgt wird.

(Udo Pastörs, NPD: Wer will das definieren? Unmöglich!)

Und dieses Konzept vermissen wir. Wie oft im Leben gilt auch hier: Das Gegenteil von „gut gewollt“ ist „gut gemeint“. Bevor wir darüber abstimmen, was gut gemeint ist, ob das Land sich am Historisch-Technischen Museum beteiligt, wollen wir das im Ausschuss genau klären.

Wir werden unseren Dringlichkeitsantrag auf jeden Fall dann im Zusammenhang mit dieser ganzen Sache beraten. Wir ziehen diesen Antrag auf jeden Fall nicht zurück.

Denn dieses Grundkonzept, wie sich das Land in solchen Fällen verhält, ist nach wie vor nicht gelöst. Wir haben kein durchsichtiges Konzept, wonach die Landesregierung handelt. Wir haben auch Klütz einfach schon übernommen. Das hat auch Haushaltswirkung für den Landtag.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das haben Sie doch schon mal gesagt.)

Und das ist alles so hingenommen worden vom Landtag. Es gibt kein klar durchsichtiges Konzept dieser und der vorhergehenden Landesregierung. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche hier für meinen Kameraden Tino Müller.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Den Abgeordneten Müller meinen Sie.)