Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Udo Pastörs, NPD: Wiederholen Sie das noch mal!)

Krieg als Ultima Irratio ablehnen, heißt aber auch, sich nicht hinter vermeintlichen Koalitionszwängen zu verstecken.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach, Herr Ritter, wir entscheiden hier doch nicht über Krieg oder Frieden, das wissen Sie doch ganz genau.)

Wie glaubwürdig ist Politik?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir wollen doch nur ein bisschen nach vorne gucken.)

Wenn wir hier im Parlament nicht über die Frage Krieg und Frieden entscheiden,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

wieso entscheidet dann der SPD-Landesvorstand über die Frage von Krieg und Frieden?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Weil wir uns ’ne Meinung gebildet haben.)

Das ist doch sehr weit hergeholt, lieber Kollege.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die Koalition steht doch hier nicht zur Debatte.)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Alternativen gibt es für Afghanistan?

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Der Bundestagsabgeordnete der LINKEN Wolfgang Gehrcke hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag solche Alternativen aufgezeigt. Er konnte diese Rede nicht halten, deshalb zitiere ich an dieser Stelle aus

seinem Redemanuskript. Wolfgang Gehrke wollte vor dem Bundestag ausführen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Warum durfte er denn nicht? Weil er einen Zettel hochgehalten hat, oder?)

ich zitiere: „Es gibt für Afghanistan einen Weg zum Frieden, das ist der Weg der Verhandlungen. Deswegen sollte der Deutsche Bundestag die Regierung Karsai auffordern, konsequent Verhandlungen zwischen den Kriegsgegnern anzustreben und zu verwirklichen. … Die Hilfe für Afghanistan muss fortgesetzt werden, die Gelder müssen vom Militär, von der Zerstörung zum zivilen Aufbau umgeleitet werden.“

(Udo Pastörs, NPD: Der Deutsche soll zahlen.)

„Der zivile Aufbau darf nicht als Mittel des Krieges erscheinen und so eingesetzt werden. Wenn die Afghaninnen und Afghanen über ihr Schicksal selbst … entscheiden können, wird es besser gelingen, zu tatsächlichen, tragfähigen Schritten in Richtung Demokratie, Frauenrechte und Sicherheit zu kommen.“ Zitatende.

Das können Sie nun als pazifistische Spinnerei abtun oder als faulen Geschäftsordnungstrick. Die Frage bleibt,

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

die Frage bleibt: Was also ist zu tun, Herr Kreher, um die sinnlose Zerstörung, den sinnlosen Krieg in Afghanistan zu beenden?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die Zustimmung Ihres Landesvorsitzenden zur Verlängerung

(Hans Kreher, FDP: Da hat damals die Sowjetunion angefangen in Afghanistan.)

des Mandats trägt auf keinen Fall dazu bei, Herr Kreher.

(Hans Kreher, FDP: Und Sie haben wahrscheinlich zugestimmt.)

Was also tun? Was also tun?

Diese Frage stellt sich auch Achim Wolgethan, ein deutscher Soldat in Afghanistan, in seinem Buch „Endstation Kabul“. Ich zitiere: „Was also tun? Die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten wirklich abziehen und das Land und seine Menschen sich selbst überlassen, wieder einmal? Genau das Gleiche passierte 1989, als die sowjetischen Truppen nach zehnjähriger Besatzung das Land verließen. Gleichzeitig zogen auch die Militärberater der CIA aus den Stammesgebieten im pakistanisch-afghanischen Grenzland ab, sämtliche Unterstützungsgelder versiegten. Hatten die USA in der gesamten Zeit des Krieges über eine Milliarde Dollar vor allem für Waffen ausgegeben, geriet das Land am Hindukusch ab 1989 in Vergessenheit und blieb sich selbst überlassen.“

(Udo Pastörs, NPD: Machen Sie jetzt auch wieder.)

„Eine dringend notwendige Aufbauhilfe wurde nicht gewährt, und die von den Amerikanern zum Kampf gegen die Sowjets ausgebildeten und aus der muslimischen Welt rekrutierten ‚Gotteskrieger‘ radikalisierten sich zunehmend. Aus diesen Kräften … entstand Mitte der neunziger Jahre ein Großteil der radikalislamistischen Taliban, die in einem blutigen Bürgerkrieg die unterein

ander zerstrittenen Clanchefs überrannten und … ihr Terrorregime implementierten. Der Westen erkannte erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001, was er sich dort selbst herangezüchtet hatte.“

(Udo Pastörs, NPD: Und was er selbst angerichtet hat.)

„Das alte Sprichwort ‚Der Feind meines Feindes ist mein Freund‘ bewahrheitet sich nicht.“ So weit ein ehemaliger Bundeswehrangehöriger, der in Afghanistan im Einsatz war.

Nicht alle Schlussfolgerungen des Augenzeugen Wohlgethan in seinem Buch teile ich. Für mich wird aber aus diesen und anderen Schilderungen, auch aus Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, eines klar: Auf Dauer lässt sich auf Bajonettspitzen kein Frieden errichten.

Deshalb ist jede Forderung nach sofortigem Abzug, sei es nun der Beschluss eines Landesvorstandes einer Partei oder sei es eine Positionierung eines Landesparlamentes, deshalb ist jede Forderung nach deutlicher Steigerung für zivile Aufbauhilfe, jede Forderung nach verstärkter Ausbildung afghanischer Polizeikräfte, jede Forderung nach Beendigung des internationalen Waffenhandels eine Forderung in die richtige Richtung. Diesen Forderungen entspricht auch unser Antrag, um dessen Zustimmung ich Sie bitte. Es geht eben nicht nur um unsere oder Ihre Glaubwürdigkeit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Natürlich, Herr Ritter.)

Es geht um Schritte zur Beendigung eines sinnlosen Krieges. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Ritter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der SPD, der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Ritter, es wird Ihnen nicht gelingen, auf diese plumpe Art und Weise die Glaubwürdigkeit der SPD zu unterlaufen. Da können Sie sicher sein.

(Udo Pastörs, NPD: Wer ist hier plump? – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Meine Damen und Herren, der SPD-Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern hat am 18. Februar 2010

(Regine Lück, DIE LINKE: Das müssten Sie aber noch einmal erklären!)

folgenden Beschluss zu Afghanistan gefasst, aus dem ich kurz zitieren möchte.

Zitat: „Wir lehnen den Vorschlag der Bundesregierung, das Bundeswehr-Kontingent in Afghanistan weiter aufzustocken, ab. Stattdessen plädieren wir für eine schrittweise Reduzierung der Soldatenzahl und eine stärkere Ausrichtung auf den zivilen Neuaufbau des Landes. …

Wir sehen mit großer Sorge, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan immer mehr in kriegerische Handlungen verwickelt werden. Die Bombardierung des Tanklastzuges bei Kundus mit einer großen Zahl an zivilen Opfern hat viele Menschen in Deutschland entsetzt. Deshalb plädiert die SPD in Mecklenburg-Vorpommern für den schnellstmöglichen geordneten Abzug aus Afghanistan.“