Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Michael Roolf, FDP: Nanu!)

Aber ich würde ihn nicht ablehnen der Sache wegen, sondern der Zuständigkeiten wegen.

(Michael Roolf, FDP: Ich dachte, weil er von der FDP kommt. – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Gino Leonhard, FDP)

Ich würde als zuständiger Minister gerne für die Interessen der Bürger eintreten

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Echt?!)

und – auch weil er hier anwesend ist – beispielsweise gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten Vorschläge unterbreiten, aber die Landesregierung ist für datenschutzrechtliche Belange im Zusammenhang mit Google Street View eben leider nicht zuständig. Deswegen habe ich immer so meine Bedenken, dass wir etwas suggerieren, was wir zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht ändern können.

(Michael Roolf, FDP: Als Vorbild nach Berlin.)

Zuständig für die gesetzgeberischen Maßnahmen ist hier eben der Bund. Google Street View ist ein Dienst des Unternehmens Google Incorporated. Um die Verarbeitung von Daten in der Privatwirtschaft zu untersagen, und darüber reden wir ja, müsste das Bundesdaten

schutzgesetz geändert werden, und dies liegt eindeutig in der Zuständigkeit des Bundes. Sowohl die Bundesverbraucherministerin als auch die Bundesjustizministerin haben sich bereits kritisch zum Vorgehen des Unternehmens geäußert und Forderungen zum Schutz der Bürger aufgestellt. Sie haben auch angekündigt, weitere Schritte zu unternehmen. Die Sorgen der Bürger fallen also in die Zuständigkeit der Bundesregierung und diese befasst sich offensichtlich bereits damit. Wir werden mit großem Interesse verfolgen, welche möglichen gesetzgeberischen Änderungen sich daraus ergeben.

Die Landesregierung ist auch nicht zuständig für die Datenverarbeitung und die Fotoaufnahmen, die das Unternehmen Google Incorporated in MecklenburgVorpommern durchführt. Die Aufsicht im Bereich der Datenverarbeitung der Privatwirtschaft für das Unternehmen, das in Hamburg sitzt, hat der Hamburgische Datenschutzbeauftragte. Dieser hat im Rahmen seiner Aufsicht die Maßnahmen des Unternehmens überprüft und schon mehrfach die Bürger informiert. Er hat gegenüber Google Forderungen aufgestellt und verhandelt. Google hat daraufhin die Information und das Widerspruchsrecht der Betroffenen auf seiner Internetseite ergänzt beziehungsweise erweitert.

Auch der Landesdatenschutzbeauftragte, in dessen Zuständigkeit die Datenverarbeitung in Unternehmen fällt, hat bereits im vergangenen Jahr über Google Street View informiert und viele Hinweise zum Umgang mit diesem Projekt gegeben. Das gehört zu seinen Aufgaben und das wird hier auch wahrgenommen.

Ich verfolge gemeinsam mit meinem Haus die Diskussion in der Öffentlichkeit zu diesem Thema mit großem Interesse. Mittlerweile stehen zwei Rechtsgutachten im Raum. Die Landesregierung wird sich auf jeden Fall bei Initiativen zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes einbringen. Dabei gilt für mich stets das Prinzip: Datenschutz mit Augenmaß. Die Interessen des Bürgers an der Geheimhaltung seiner Daten müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zum Interesse der Allgemeinheit an der Nutzung stehen. In diesem Sinne sollten wir die weitere Entwicklung von Google Street View und die damit verbundenen Auftritte im Internet verfolgen und auch die Interessen der Bürger vertreten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich kann man den Antrag ablehnen wollen, man kann ihm auch zustimmen. Was bleibt dann übrig? Wir überweisen ihn in den Rechtsausschuss.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Sehr gut.)

Das sage ich immer gleich vorneweg. Das wäre unser Vorschlag. Weswegen Rechtssausschuss? Natürlich ressortiert das Thema Datenschutz bei Innen. Aber bei allem Respekt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Innenausschuss hat sehr viel mit der Verwaltungsreform und allen anderen Dingen zu tun. Und wir, glaube ich, im Rechtsausschuss – zumal es sich um Personen

handelt, die sich durchaus bei dem Thema ähneln und in gleicher Personenausstattung da sind, also die Kollegen, die Datenschutz und ähnliche Dinge machen, sind auch im Innenausschuss –, wir könnten uns im Rechtsausschuss in einer Expertenrunde, einem Expertengespräch mit dem Thema befassen. Und dann können wir auch entscheiden, ob die Regierung wirklich beauftragt wird, denn sie ist formal nicht zuständig.

Aber ich denke, dieser Antrag, und insofern kann ich die FDP loben, ist ein guter Antrag. Das Thema selbst ist nicht ganz so gut und wird nicht von allen als so gut angesehen. Das ist richtig, aber es ist äußerst interessant. Und wir als Abgeordnete sind ja von den Menschen gewählt, die vor Ort möglicherweise durch die Folgen der Google-Street-View-Aktion beeinträchtigt werden. Viele sagen auch, es ist mir egal. Aber ich denke, wir haben die Pflicht, das zu kanalisieren und auch zu diskutieren.

Lassen Sie uns doch im Rechtsausschuss ein Expertengespräch machen. Wir haben die Verbände gehört, die Interesse daran haben. Natürlich werden wir das Justizministerium und auch das Innenministerium dazu einladen, um ihr Know-how abzugreifen. Ich schlage sogar vor, dass wir Google Street View selber einladen, damit auch sie uns erzählen, wie ihre Sicht der Dinge ist –

(Michael Roolf, FDP: Das wäre gut.)

es wird ja noch ein bisschen Zeit brauchen –, und natürlich den Datenschutzbeauftragten, das ist klar. Und dann lassen Sie uns in dieser Runde einfach mal besprechen, was wir demnächst machen. Und wenn der Innenminister angekündigt hat, auch eine Bundesratsinitiative zu unterstützen, dann sollten wir auch versuchen zu formulieren, was aus unserer Sicht, aus Sicht der Bürger und unseres Landes notwendigerweise geändert werden muss. Die Hauptarbeit, das ist klar, muss auf Bundesebene gemacht werden.

Und, Herr Leonhard, Sie haben schon das Gutachten aus Rheinland-Pfalz zitiert. Ich darf hier nur einfach mal sagen, das Gutachten ist 108 Seiten lang und ich habe mir erst mal nur die letzten zehn Seiten ausgedruckt. Da gibt es insgesamt, wenn ich das richtig gesehen habe, ich gucke lieber noch mal auf die letzte Ziffer, 67 Punkte, die von Zivilrecht über öffentliches Recht bis hin zu Urheberrecht alles aufwerfen, Vorschläge machen, Fragen stellen. Das ist wirklich ein starkes Stück Arbeit, was sie dort geleistet haben. Und auch diese Gutachter sollten wir möglicherweise einladen, damit sie uns kurz und verständlich sagen, was ist.

Sie sagen aber auch, dass die Landeskompetenz nur ganz gering vorhanden ist, wenn überhaupt, dann beim Datenschützer, und das darf dann nicht im Widerspruch zum Bundesdatenschutzrecht passieren. Also von der Seite ist das eine sehr komplizierte Materie.

Es ist in der Tat so, dass die Bürger aufgerufen sind zu widersprechen. Aber wissen das auch alle Leute schon? Ich denke, so eine öffentliche oder eine dann offen geführte Diskussion zu dem Thema trägt auch dazu bei, dass das Problembewusstsein bei vielen unbedarften Bürgern wieder geschärft wird und möglicherweise dann auch öfter vom Widerspruch Gebrauch gemacht wird, was ja im Moment nicht verpflichtend ist.

Es ist eindeutig so – ich rede zum Beispiel auch mit für die CDU-Fraktion, wir haben uns dazu verständigt –, dass es durchaus auch Meinungen gibt, dass das gegenwärtige Agieren von Google Street View gegen das deutsche Datenschutzrecht verstößt,

(Michael Roolf, FDP: Sehr wohl.)

was die Rohdaten anbelangt zum Beispiel.

(Gino Leonhard, FDP: Ja.)

Und das sind Probleme, die gelöst werden müssen.

Ich denke, auch in Schleswig-Holstein war es so, dass Google Street View angefangen hat zu fotografieren, zu filmen, dass es dann, sage ich mal, politischen Widerspruch gab, dass sich der Landtag damit beschäftigt hat, dass es öffentlichen politischen Druck gab, und schon ist Google Street View erst mal darauf eingegangen, dass man aufgehört hat mit den Aufnahmen und wieder geguckt hat, was machen wir demnächst, und dann – das Gespräch beim Hamburgischen Datenschutzbeauftragten ist ja schon erwähnt worden – gab es Selbstverpflichtungen. Aber Selbstverpflichtungen reichen in manchen Punkten nicht aus, insbesondere was die Rohdaten und die Übermittlung anbelangt, was dann amerikanisches Recht anbelangt, wo wir natürlich keinen Einfluss drauf haben.

Ich denke, wir sollten da Einfluss nehmen, wo wir selber was machen können. Ich plädiere dafür, dieses Expertengespräch zu machen. Dadurch entsteht ein gewisses öffentliches Verständnis dafür und möglicherweise auch ein öffentlicher politischer Druck auf Google. Dann werden wir überlegen, was wir machen, ob wir selber, sage ich mal, etwas tun können. Insofern bitte ich darum, das ausnahmsweise in den Rechtsausschuss zu überweisen, weil der einfach ein bisschen mehr Zeit hat.

(allgemeine Heiterkeit)

Die Ministerien können ihre entsprechenden Fachleute benennen. Dann machen wir ein ganz offenes Gespräch über das Thema, was, glaube ich, im Interesse der Sache sein sollte, denn hier irgendetwas geheim oder im Kleinen zu machen, ist vielleicht nicht angebracht angesichts des öffentlichen Interesses bei diesem Thema.

Ansonsten – der Minister sagte es schon – ist es durchaus schon interessant, wenn man sich mal seinen zukünftigen Urlaubsort angucken kann. Die Prospekte versprechen eine hellste, beste Lage und dann sieht man vielleicht bei Google Street View, da ist doch eine Verkehrsstraße in der Nähe oder, oder, oder. Ich denke schon, es gibt durchaus auch Interesse bei den „normalen“ Menschen, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Sie muss eben nur nach deutschem Recht und Gesetz vonstattengehen. Dann, glaube ich, und so habe ich auch den Antrag der FDP verstanden, hat auch keiner was gegen Google Street View. Es müssen nur die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Ich denke, da gibt es noch einen kleinen Punkt an Arbeit zu machen. Ob wir dann auch auf Bundesebene bei Gesetzesänderungen mitmachen müssen, das wird die Anhörung oder das Expertengespräch ergeben. Ich bitte, dass die Fraktionen meinem gut gemeinten Vorschlag einfach folgen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion! Über dem Antrag hätte auch stehen können „einerseits und andererseits“. Einerseits – das finde ich gut – setzt sich die FDP hier im Landtag für die Erhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen sehr weitgehend ein.

(Michael Roolf, FDP: Und andererseits?)

Andererseits lässt sie dieses Engagement in der Bundesregierung vermissen. Aber dazu komme ich noch am Ende meiner Rede.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sommer 2008 begannen Kraftfahrzeuge mit automatischen Kameras in Höhe von mindestens zwei Metern, Straßenzüge deutschlandweit rundum zu fotografieren. Noch in diesem Jahr soll man sich nach dem Willen Googles per Mausklick auch in Deutschland virtuell bewegen können, sich jede Straße und jedes Haus ansehen können. Gegen diese Vorstellung regt sich zu Recht Widerstand. Das haben wir auch in den bisherigen Reden vernehmen können. Auch wenn das Unternehmen verspricht, dass Gesichter, Kraftfahrzeugkennzeichen oder Hausnummern nicht erkennbar sein werden, bestehen nach wie vor massive datenschutzrechtliche Bedenken. Und Beispiele aus den mittlerweile 19 Ländern, in denen das Programm bereits läuft, untermauern dies. Die Runde machte kürzlich ein finnischer Fall, in dem ein Mann in seinem Garten ohne Hose erwischt wurde und sich prompt im Internet bewundern durfte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz der Zusagen von Google bleibt das Fotografieren und Veröffentlichen von Bildern von Passanten bedenklich, da eine anonyme Erhebung nicht gesichert ist.

Bitte stellen Sie sich das jetzt nicht vor, wie das in dem finnischen Garten aussah.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Auch bleibt das Fotografieren von Grundstücken und Wohnungen datenschutzrechtlich bedenklich, da die Kenntnisnahmemöglichkeit von Millionen von Internetnutzern einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen darstellt. Auch das Abspeichern der Daten selbst bleibt kritisch zu sehen. Die Server stehen im Ausland, vor allen Dingen in den USA. Eine datenschutzrechtliche Kontrolle durch deutsche Behörden würde daher zusätzlich erschwert. Was dort mit den Daten geschieht, das kann keiner so genau sagen. Und auch aus diesen Gründen stehen die deutschen Datenschützer diesem Vorhaben kritisch gegenüber.

Der hiesige Datenschützer Karsten Neumann hat sich bereits mehrfach dazu klar positioniert. Auch die Bundesministerinnen – darauf wurde verwiesen – für Justiz und Verbraucherschutz sehen Kritikpunkte nach wie vor nicht ausgeräumt und zahlreiche Kommunen, auch unseres Landes, haben sich bereits mit diesem Thema befasst und zum Teil entsprechende Resolutionen verabschiedet. Auch der Landtag – auch das ist hier schon gesagt worden – hat sich in seinen Fachausschüssen zum Beispiel anlässlich des Fotografierens der JVA Bützow mit dieser Frage beschäftigt.