Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Dazu sind aber gar nicht so viele Frauen bereit. Und wenn man dabei noch bedenkt,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dass die Kinderlosigkeit in Deutschland zu den Spitzenwerten gehört, kann man leicht nachvollziehen, dass sich hier ein großes Defizit auftut. Darüber hinaus haben statistisch betrachtet auch noch weniger Männer als Frauen Kinder.

(Udo Pastörs, NPD: Das wundert mich jetzt.)

Insgesamt lässt man sich wesentlich mehr Zeit mit der Familienplanung und wenn mit nur einem oder zwei Kindern geplant wird, besteht auch nicht wirklicher Grund zur Eile. Die biologische Uhr scheint also auch nicht mehr ganz so schnell zu ticken, wie das mal war.

Auf Beispiele guter Bevölkerungspolitik bin ich bei meinen Recherchen nicht gestoßen, aber wohl auf die Erkenntnis, dass in unseren Nachbarländern, in denen das Rahmenangebot an Familien besonders gut ist, wie in Frankreich und den nordischen Ländern, die Geburtenrate höher liegt als in Ländern, in denen das nicht so ist. Überall dort, wo der individuelle Anspruch nach Gleichstellung der Geschlechter mit der gesellschaftlichen Realität, das heißt den Rahmenbedingungen übereinstimmt, haben wir höhere Geburtenraten. Männer wollen ebenso wie Frauen ihre Erwerbstätigkeit mit Zeit für ihre Familie, vor allem für ihre Kinder vereinbaren. Das lässt die Realität in der Regel aber nicht unbedingt zu. Frauen hingegen möchten ihren Bildungsvorsprung in eine existenzsichernde Beschäftigung umsetzen und gleichzeitig Kinder haben. Auch das lässt die Realität in Deutschland nur schwer zu.

Und ich glaube aus fester Überzeugung, es ist nicht allein eine Frage des Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern hier ist insbesondere die Wirtschaft gefragt, die es jungen Eltern ermöglichen muss, ihre Arbeitszeit flexibler einzurichten, um nicht aus dem Beruf für die Elternzeit oder für die aktivste Phase der Elternzeit in den ersten Lebensjahren eines Kindes aussteigen zu müssen.

Und, Herr Holter, Sie sprachen Qualifizierung in der Elternzeit an. Also das Programm für die Parlamentarischen Staatssekretäre wurde bereits 2000 eingeführt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ich weiß das, ich habe das finanziert. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Soweit ich weiß, wird das ja ständig weitergeführt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Viel zu wenig machen wir da.)

Und auch für mich ist es keine Alternative, ein Betreuungsgeld dafür zu zahlen, dass Eltern zu Hause bleiben und ihre Kinder rund um die Uhr betreuen. Das mag ein Ergänzungsangebot sein, aber zielführend für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist das nicht.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wenn wir die Rahmenbedingungen also für mehr Familienfreundlichkeit im Sinne von Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, könnte sich dies auch durchaus positiv auf die Geburtenrate auswirken. Eine Umkehr der Bevölkerungsentwicklung ist aus meiner Sicht aber auch dann nicht zu erwarten.

Herr Ministerpräsident hat vorhin schon sehr weit ausgeführt, wie die Landesregierung sich vorstellt, wie man die Weichen stellen kann, um den neuen Anforderungen, das heißt den neuen alten Anforderungen, um das mal mit Herrn Holter zu sagen, gerecht zu werden. Wir müssen uns auf weiter zurückgehende Einwohnerzahlen – gerade auch in der Fläche – einstellen, und wir müssen uns auf eine älter werdende, aber auch auf eine länger leistungsfähig bleibende Gesellschaft einstellen.

Die Wohnungswirtschaft hat dieses Thema längst für sich entdeckt, die Unternehmensverbände tun dies endlich auch. Herr Holter sprach das vorhin an. Ich sehe allerdings die Ergebnisse oder die Beiträge, die dort geleistet wurden, teilweise durchaus als hoffnungsvoll an. Wenn man sich die Berichterstattung über den Demografiekongress durchliest, liest man auch, dass von besserer Entlohnung dort die Rede war, von besserer sozialer und gesundheitlicher Betreuung, Teilzeitmodellen, besserer Kinderbetreuung, besseren Angeboten für ältere Arbeitskräfte, weil nämlich die Zahl der 60 bis 69 Jahre alten Menschen im Land deutlich zunehmen würde – also durchaus die Erkenntnis, dass wir hier seitens der Wirtschaft mit mehr Geld, besserer Bezahlung, besserer Nutzung des Potenzials älterer Bürger planen müssen.

Die Frühverrentung der vergangenen Jahre ist damit hoffentlich endgültig Vergangenheit. Wir können es uns einfach nicht länger leisten,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

auf die Potenziale älterer Menschen zu verzichten, und ich persönlich finde das auch sehr gut so.

Wir wissen, dass in Mecklenburg-Vorpommern die östlichen Landkreise darüber hinaus mehr Einwohner verlieren werden als die westlichen, und das stellt hier für uns noch einmal ganz besondere Herausforderungen dar.

Ich will hier nicht den Begriff der gleichwertigen Lebensverhältnisse bemühen, aber das Thema „chancengleich“ fand ich von Herrn Holter eben schon sehr richtig besetzt. Wir müssen in unserem Land dafür sorgen, dass auch in den dünner besiedelten Landstrichen die dort lebenden und älter werdenden Menschen teilhaben können an den öffentlichen Angeboten der kommunalen Ebene,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

denn kommunale Selbstverwaltung ist kein Selbstzweck, sondern dient immer der örtlichen Gemeinschaft und muss sich auch daran messen lassen. Dies ist auch eine der herausragenden Aufgaben unserer Enquetekommission „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“. Wenn wir kommunale Selbstverwaltung ernst nehmen, müssen wir auch berücksichtigen, was denn hier selbst verwaltet wird und was die örtliche Gemeinschaft – also die Bürgerinnen und Bürger, die in ihr leben – davon hat. Ich muss für meine Einwohnerinnen und Einwohner beantworten können, wie sie an ihre ärztliche Versorgung, ihre Kinderbetreuung, ihre Weiterbildung, die

Essenszuschüsse für ihre Kinder und so weiter und so fort kommen.

Heute ist es für kleine Gemeinden nicht mehr möglich, alle Leistungen selbst vorzuhalten beziehungsweise alle sogenannten Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung im eigenen Wirkungskreis selbst zu erfüllen. Für eine große Anzahl unserer Gemeinden, wenn man mal ganz ehrlich ist, lässt sich auch rückblickend sagen, dass sie noch nie in der Lage waren, die kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben zumindest überwiegend selbst und eigenständig zu erfüllen.

Und weil dies so ist, sind Angebote wie beispielsweise die Fahrbibliotheken entstanden, die durch die kreiskommunale Ebene für die Gemeinden und ihre Einwohnerinnen und Einwohner erbracht werden. Anstatt solche Angebote – und es gibt davon ja auch nur noch sehr wenige – einzustampfen, sollten wir vielmehr darüber nachdenken, ob andere Angebote, die eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, sich ähnlich realisieren lassen, und dies ganz besonders im Hinblick auf den Rückgang der Bevölkerung und die Alterung der Gesellschaft, die auf der einen Seite eine weitere Ausdünnung von Angeboten und auf der anderen Seite eine Einschränkung der Mobilität unserer Menschen vermuten lassen.

Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren:

(Udo Pastörs, NPD: Gott sei Dank!)

Ob nun im Wirtschafts- oder Sozialausschuss, in der Enquetekommission oder auch im Integrationsbeirat, dazu kommen wir noch – bei allem, was wir hier erörtern und beschließen, müssen wir immer auch die Aspekte der demografischen Entwicklung mitdenken. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Tegtmeier.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDPFraktion Herr Roolf.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das fällt mir aber schwer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Demografischen Wandel gestalten“, das hört sich sehr staatstragend, sehr bedeutend und sehr wichtig an.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ist es auch.)

Ich denke mal, das ist auch ein Thema, bei dem es sich immer wieder lohnt, es auf die Agenda zu heben. Aber wir sollten uns auch ein Stück weit unseren Realitäten stellen.

Wenn wir heute die Rede des Ministerpräsidenten gehört haben, dann war sie eher eine Rede zu einem Amtsantritt und nicht eine Rede eines Ministerpräsidenten, der seit elf Jahren – seit elf Jahren haben wir Sozialdemokraten als Ministerpräsidenten – hier maßgeblich die Politik gestaltet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dafür sind Sie in zwei Jahren wieder raus, Herr Roolf.)

Wir haben viele, viele Jahre auf diesem Feld

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genießen Sie es noch ein bisschen!)

aktiver Arbeit in Mecklenburg verloren.

Und, Kollege Holter, Sie waren zwischen 1998 und 2006 sehr aktiv daran beteiligt,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Natürlich.)

dass wir genau an dem Punkt stehen, wo wir heute stehen. Und wenn meine Erinnerung an die demografischen Studien richtig ist, dann haben wir sogar vor 10, 15 Jahren noch viel größere Aufgaben vor uns gehabt und noch mit viel extremeren Veränderungen für dieses Land rechnen müssen. Heute, wo es sich Gott sei Dank ein Stückchen positiver für unser Land entwickelt, stellen Sie hier gemeinsam einen Offenbarungseid Ihrer politischen Arbeit

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Gino Leonhard, FDP: Ganz genau so ist das.)

zwischen 1998 und 2006 dar.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: So ein Schmarrn!)

Und an die Kollegen der CDU sage ich auch ganz klar und deutlich: Finden Sie zur Kraft der CDU zurück! Lassen Sie sich nicht weiter sozialdemokratisieren!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)