Protokoll der Sitzung vom 30.04.2010

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Zunächst, Herr Dr. Born, Sie werden mich auch vorläufig immer noch im Rechtsausschuss ertragen müssen, ich werde nach wie vor meine Fragen stellen und wir werden auch unsere Anträge stellen.

Ja, es stimmt, einige von den von uns aufgezeigten Problemen sind im Bundesrat schon bestätigt worden. Nun hätten wir, das haben wir überlegt, drei Anträge stellen können. Wir haben den Versuch unternommen, das war vielleicht nicht richtig, alle Probleme, die sozusagen bei der Strukturveränderung der Justiz auf der Tagesordnung stehen – und sie stehen auf der Tagesordnung, sie sind ja noch nicht beschlossen –, in einem Antrag unterzubringen.

Bei unserem Verfassungsverständnis sind wir uns einig. Aber ich möchte Sie auch daran erinnern, dass wir hier zur Unterstützung der Auffassung des Landwirtschaftsministeriums nicht nur einmal – nicht nur einmal! – eine Aufforderung oder einen Beschluss des Landtages gefasst haben, damit wir den Landwirtschaftsminister im Bundesrat zur Umsetzung eines ganz bestimmten Interesses unterstützen können.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Also lassen Sie einfach mal diese Vergleiche, nicht so nach dem Motto, wir dürfen, ihr dürft nicht, und wenn Sie das machen, ist das verfassungsrechtlich gut, und wenn wir das machen, ist das alles falsch.

Und eins wird deutlich, und das hat die Diskussion gezeigt: Ja, wir haben ein anderes Rechtsverständnis, nämlich wofür ist dieser Rechtsstaat da und welche Strukturen braucht dieser Rechtsstaat, damit die Bürgerin nen und Bürger einen Zugang zum Recht haben und ihn auch in Zukunft haben werden. Den Unterschied haben wir. Und deshalb sagen wir, es darf keine Einschränkung in Bezug auf die Prozesskostenhilfe geben.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Die Gesetze werden von der legislativen Gewalt gemacht. Dann sollten wir lieber mal gemeinsam gucken, dass die Gesetze auch so deutlich sind, dass die Bescheide entsprechend ordentlich ausgefüllt werden und dass die Bürgerinnen und Bürger nicht den Rechtsweg gehen müssen oder vielleicht auch außergerichtlich Lösungen finden. Vielleicht sind das auch Möglichkeiten, um in diesem Bereich zu sparen.

Und wenn ich davon höre und zur Kenntnis nehmen muss, dass es Missbrauch in Bezug auf die Prozesskostenhilfe gäbe, dann geht mir nun wirklich der Hut hoch.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Da geht mir nun wirklich der Hut hoch. Da will ich auch nichts weiter zu sagen, weil der Missbrauch, der auf anderen Gebieten, gerade bei der Unterstützung mit finanziellen Mitteln bei der Förderung und in anderen Bereichen passiert, der wird hier nie angeprangert. Aber wenn Bürgerinnen und Bürger vom Prinzip her sagen, sie möchten über den Rechtsweg ihr Recht einklagen, zum Beispiel im Bereich SGB II oder auch im Zusammenhang mit dem KAG, da wird dann gleich unterstellt, es ist Missbrauch. Das haben wir alles gehabt in dieser Frage.

Ich glaube schon, dass die Bürgerinnen und Bürger es sich sehr wohl überlegen, ob sie den Gerichtsweg gehen oder nicht, und dass die Prozesskostenhilfe nicht das ausschlaggebende Moment ist. Also von der Seite, glaube ich, sollten wir ernsthaft überlegen, worüber wir hier reden.

Die andere Frage ist, was den Bereich der

(Dr. Ulrich Born, CDU: Gerichtsvollzieher.)

Gerichtsvollzieher betrifft. Ich habe einen Onkel, der ist Gerichtsvollzieher. Und der hat mir nicht nur einmal davon berichtet, wie schwer es ist, die Gelder einzutreiben,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Eben, eben.)

und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, dass man da, wo nichts ist, einem nackten Mann nicht in die Tasche fassen kann. Das ist einfach so. Und wenn wir jetzt diese hoheitliche Aufgabe abgeben, was verändert sich denn dann? Die Verantwortung des Gerichtsvollziehers? Im Moment gehen Sie davon aus, dass die Gerichtsvollzieher bisher nicht ihre Maßnahmen, ihre Instrumente in Anspruch genommen haben, um das Geld einzutreiben. Das unterstellen Sie den Gerichtsvollziehern. Sie wollen sie effektiver machen. Und wir sagen, sie machen ihre Arbeit, und wo kein Geld ist, ist kein Geld. Sie wollen teilprivatisieren und im Grunde genommen diesen Bereich aus den hoheitlichen Rechten des Staates rausgeben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie machen sie unter schlechten Bedingungen.)

Das ist der Anfang davon.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und das ist der große Unterschied.

Und ich hätte mich gefreut, deswegen habe ich vorhin gesagt, dass wir im Rahmen der Ausschussdebatte über bestimmte Fragen durchaus diskutieren können. Vielleicht gibt es andere Wege. Vielleicht gibt es andere Wege, die man auch aus meiner Sicht in bestimmten Bereichen vielleicht diskutieren sollte, auch unter dem Gesichtspunkt Kostensparung. Denn die Strukturveränderungen, die stehen bei Ihnen nur unter dem Gesichtspunkt Personalkosten einsparen, Sachkosten einsparen

(Dr. Ulrich Born, CDU: Überhaupt nicht.)

und den Zugang zum Gericht erschweren. Und das, das ist mit uns nicht zu machen. Da gehen wir deutlich auseinander und dazu stehen wir auch. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Borchardt.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3392 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Hand zeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD und Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich lasse nun in der Sache abstimmen und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3392. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3392 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Erlöse aus dem Verkauf von Gegenständen aus dem geschützten Sachvermögen nicht als Einkommen berücksichtigen, Drucksache 5/3398.

Antrag der Fraktion der NPD: Erlöse aus dem Verkauf von Gegenständen aus dem geschützten Sachvermögen nicht als Einkommen berücksichtigen – Drucksache 5/3398 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Theorie ist wieder mal alles in bester Ordnung. Paragraf 12 des SGB II listet auf, was der Leistungsbezieher an Vermögensgegenständen großzügigerweise behalten darf und nicht erst einmal verkaufen muss, um damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dazu gehören ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen sowie angemessener Hausrat.

Was unter Letzterem zu verstehen ist, dazu gibt es mittlerweile Tausend Urteile, weil die Sozialbehörden gerne um jeden Löffel feilschen. Aber wenn ein Gegenstand erst einmal als geschütztes Sachvermögen anerkannt ist, dann sagt einem ja schon die einfache Logik, dass der Erlös beim Verkauf dieser Sache dann auch geschütztes Geldvermögen sein muss. So sehen das auch das Bundessozialgericht und die verschiedenen Landessozialgerichte, aber mit der Einschränkung, dass die Verkäufe nicht so viel Geld einbringen dürfen, dass dem jeweiligen Betroffenen zugestandenes Schonvermögen dadurch übertroffen wird.

Damit wäre die Sache eigentlich erledigt und es wäre kein Problem. In einem Rechtsstaat würden sich die Behörden brav an die Rechtsprechung halten und alle wären zufrieden. Aber leider hat es sich noch nicht bis zu jeder Arbeitsgemeinschaft herumgesprochen, dass mittlerweile der Rechtsstaat ausgerufen wurde. Die kümmern sich häufig einfach nicht um Urteile, noch nicht einmal um höchstrichterliche. Es ist die vorherrschende Praxis der Hartz-IV-Behörden, den Erlös aus dem Verkauf von Gegenständen aus dem geschützten Sachvermögen trotzdem als Einkommen zu betrachten und anzurechnen. Die Durchleuchtung der Leistungsempfänger ist total. Die Kontoauszüge werden akribisch studiert. Bei jeder Überweisung, auch wenn es sich nur um 3,59 Euro handelt, bekommt man sofort Post von der Arbeitsgemeinschaft oder Sozialagentur mit der Aufforderung, sich dazu gefälligst zu erklären. Mir sind derartige Fälle bekannt.

Wenn die Betroffenen dann belegen, dass sie über E-Bay irgendwas aus ihrem Hausrat – etwa ein Kleidungsstück, eine CD oder ein altes Elektrogerät – verkauft haben, und sich auf die geltende Rechtslage berufen, kümmert das die Behörden überhaupt nicht. Es ergeht dennoch ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wegen der 3,49 Euro und nach dem Widerspruch ein Widerspruchsbescheid, dann eine Klage und dann ein Verfahren vor dem Sozialgericht.

Die Justiz ist in diesem Bereich nicht durch den Mutwillen der Bürger überlastet, sondern durch den der Bürokraten, wobei ja nicht jeder Bürger über die einschlägigen Urteile Bescheid weiß. Viele stehen dem Verwaltungshandeln, selbst wenn es noch so unrecht

mäßig sein sollte, hilflos gegenüber und kennen ihre Rechte gar nicht. Über die werden sie auch nicht aufgeklärt, obwohl die Behörden gemäß der Paragrafen 13 bis 17 SGB I einer umfassenden Beratungs-, Informations- und Betreuungspflicht unterliegen. „Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt... werden“ und „daß... jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält“, heißt es im Gesetz. Stattdessen setzen die Arbeits gemeinschaften auf das Prinzip „Herrschaft durch Geheimwissen“. Am leichtesten lässt sich die aktuelle Rechtsprechung vor den Bürgern verbergen, denn an die heranzukommen, ist für jemanden ohne Vorkenntnisse gar nicht so leicht.

Das SGB II können die Behörden aber nur schlecht vor den Leistungsempfängern verstecken. Also sollte da möglichst viel drinstehen. In Paragraf 11 Absatz 3 SGB II ist dargestellt, welche Einnahmen nicht als Einkommen angerechnet werden. Aufgeführt sind leider nicht die Erlöse, die sich aus Verkäufen von Gegenständen aus dem geschützten Sachvermögen herleiten. Die Regel sollte dieser Fall aber sein, weil es sich nicht um eine abwegige Spezialmaterie handelt, die nur wenige betrifft. Dass Arbeitslosengeld-II-Empfänger nach und nach ihre Habseligkeiten veräußern müssen, entwickelt sich nach fünf Jahren Hartz IV mittlerweile zum Massenphänomen. Der sogenannte Gesetzgeber scheint davon ausgegangen zu sein, dass jeder Hartz-IV-Empfänger nebenbei auch noch schwarzarbeitet oder spendable Verwandte hat oder verstecktes Vermögen oder irgendwo riesige Vorräte hortet und sowieso betrügt. Dann käme man natürlich mit Hartz IV zurecht, wenn das so wäre. Aber wer wie die ganz überwiegende Mehrheit ausschließlich von den kümmerlichen 359 Euro leben muss, der kommt auf die Dauer nicht zurecht.

Dass er ein angemessenes Auto besitzen darf, nutzt ihm auf die Dauer wenig, weil er es sowieso nicht halten kann auf die Dauer. Aber die Leute verzichten auch in immer größerem Umfang auf andere Gegenstände, nur um an ein paar Euro zu kommen und den Monat zu überstehen. Da werden etwa gebrauchte Kaffeemaschinen über E-Bay versteigert und dann wird der Kaffee eben wie früher türkisch aufgebrüht, wobei die zunehmende Ver elendung auch daran festgemacht werden kann, dass sich hierfür auch Abnehmer finden, genauso für gebrauchtes Geschirr sogar oder Kleidung.

Die Pfandhäuser erleben ja augenblicklich auch einen Boom, nur dass viele Pfände nicht mehr abgeholt werden, weil die Leute sich das nicht mehr leisten können. Dass staatliche Stellen in dieser Lage auch noch versuchen, den Leuten 3,40 Euro abzuknöpfen, die sie durch den Verkauf irgendeiner Kleinigkeit verdienen wollen, das kann ja wohl nicht wahr sein. Und wenn die Gesetze überhaupt noch was wert sind, dann sollte das auch durch Gesetz unterbunden werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Waldmüller von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der hier von der NPD

eingebrachte Antrag auf Ergreifung einer Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Klarstellung, dass in Paragraf 11 Absatz 3 SGB II Erlöse aus dem Verkauf von geschütztem Sondersachvermögen nicht als Einkommen berücksichtigt werden sollen, ist sowohl aus juristischer als auch tatsächlicher Sicht nicht notwendig. Das will ich erklären: Eine Klarstellung in einem Gesetz kann dann notwendig sein, wenn entweder der Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig ist oder die Anwendung des Gesetzes problematisch wird. Lassen Sie mich nun kurz darlegen, warum in dem hier angesprochenen Fall weder das eine noch das andere der Fall ist.

Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben – und Herr Andrejewski hat es ja auch selbst gesagt –, dass selbst dem Antragsteller bekannt ist, dass die hier aufgeworfene Frage juristisch bereits geklärt ist. Die ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte und insbesondere des Bundessozialgerichtes hat hierzu ausschöpfend Stellung genommen. So ist nach dieser Rechtsprechung als Einkommen alles das zu berücksichtigen, was der Antragsteller während der Bedarfszeit wertmäßig dazuerhält. Als Vermögen hingegen gilt alles das, was schon bei der Antragstellung auf Leistungen der Grundsicherung vorhanden ist. Dies stellt die sogenannte Zuflusstheorie der Sozialgerichte klar. Dies ist als ständige Rechtsprechung verbindlich.

Der hier nun angesprochene Fall des Verkaufs von geschütztem Sachvermögen unterliegt dieser Theorie. Da nämlich bei einem Verkauf kein Wertzuwachs erfolgt, sondern Vermögen lediglich umgeschichtet wird, handelt es sich bei dem Verkaufserlös nicht um Einkommen. Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit dieses juristische Problem bereits verbindlich gelöst hat. Einer Klarstellung bedarf es aus diesem Grunde daher nicht.

Auch aufgrund der tatsächlichen Umsetzung des Gesetzes bedarf es entgegen der Behauptung des Antragstellers keiner Gesetzesänderung. Dem Antragsteller scheint nicht bekannt zu sein, dass die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes auch ohne Gesetzesänderung von den Argen vor Ort beachtet wird. Diese Rechtsprechung fließt nämlich in die Geschäftsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit ein und wird schon auf diesem Weg von den Arbeitsgemeinschaften beachtet.