Ich spreche hier zum Beispiel von den fünf Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt und den Kinder- und Jugendberatungsstellen an den Interventionsstellen. Diese werden seit Jahren von mir als Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung gefördert und arbeiten sehr professionell. Und ich schließe mich ausdrücklich dem Dank von Frau Borchardt an diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, denn das ist eine psychisch sehr schwere Arbeit. Wir haben sogar schon einen Fall gehabt, wo die Mitarbeiterin selbst erkrankt ist, weil das eine unheimliche psychische Belastung ist.
Und darüber hinaus arbeite ich als Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung daran, die rechtsmedizinischen Institute der Universitäten Greifswald und Rostock stärker in die frühzeitige Befunderhebung und Befunddokumentation einzubinden – da bin ich auch mit Frau Justizministerin Kuder und mit Herrn Bildungsminister Tesch im Gespräch –, ähnlich wie es in der Hansestadt Hamburg gemacht wird. Denn Strafverfolgung macht nur dann Sinn, wenn die Opfer in der Lage sind, die Taten gegen sie nachzuweisen, auch dann noch, wenn zwischen Tatzeit und Strafanzeige oder Kontaktaufnahme mit einer Beratungsstelle oftmals Jahre liegen, damit die Täter auch wirklich seitens der Justiz zur Verantwortung gezogen werden können.
All diese Strukturen und Maßnahmen haben Sie bei Ihrem Antrag völlig außen vor gelassen. Was aber soll Ihrer Ansicht nach der Bürgerbeauftragte bei diesem Thema wirklich fachlich weiterhelfen?
Noch schlimmer empfinde ich jedoch, dass Sie in Ihrer Antragsbegründung, und ich habe mir sie mehrfach angeguckt, die Opfer zu einem „offenen Umgang mit der sensiblen Problematik“, und das habe ich jetzt zitiert, auffordern. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie scheinen keine Vorstellung davon zu haben,
Statistiken, die von den Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt geführt werden, zeigen ganz deutlich, dass der Tatzeitpunkt ganz erheblich von dem Zeitpunkt des Hilfesuchens oder der Kontaktaufnahme mit den Beratungsstellen abweicht.
(Gino Leonhard, FDP: So viel dazu. Und das noch anhören und zustimmen. Das kann doch nicht wahr sein!)
Die Wahrscheinlichkeit der Kontaktaufnahme erhöht sich mit dem Abstand zum Tatzeitpunkt. Die meisten Betroffenen nehmen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren Kontakt zu Beratungsstellen auf, obwohl der Tatzeitpunkt weit vor dem 18. Lebensjahr lag.
sind dann der Leidensdruck und die Bedürfnisse der Betroffenen. Umso wichtiger ist es, dass alle mit dem Thema befassten Personen und Stellen mit höchster Sach- und Fachkompetenz und Sensibilität vorgehen, also nicht, wie Sie in dem Antrag schreiben, „alle Betroffenen sind … zu einem offenen Umgang mit der sensiblen Problematik aufgefordert“, sondern alle diejenigen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Für Opfer solcher Gewalttaten ist schon ein Strafverfahren ein Martyrium. Deshalb begrüße ich, dass in Schwerin eine Zeugenbegleitung eingerichtet werden soll, die die Opfer begleitet.
Dass Sie nun bei Ihrem Antrag sowohl am vorhandenen Expertenwissen als auch an den Opfern vorbeigehen, überrascht mich umso mehr, als Herr Grabow, der sich wirklich sehr für das Thema interessiert, auch bei der Veranstaltung war, die wir mit der TKK, der Ärztekammer und der Zahnärztekammer durchgeführt haben, und zwar am 31. Januar 2009. Schwerpunkt war damals Missbrauch und Gewalt gegen Kinder. Und Sie haben doch die Expertinnen und Experten aus verschiedenen Professionen, jedenfalls die, die anwesend waren, gehört und müssen eigentlich folglich genau wissen, wo Handlungsbedarf ist: ganz sicher nicht – und da gebe ich Herrn Dr. Jäger recht – in neuen interministeriellen Arbeitsgruppen oder Runden Tischen, bei denen die eigentlichen Expertinnen und Experten auch noch außen vor sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Missbrauchsopfern wirklich hilft, ist eine noch bessere Vernetzung aller mit diesem Thema beschäftigten Einrichtungen, Institutionen und Behörden, den Beratungsstellen, der Polizei, den Staatsanwaltschaften – wir haben ja zum Beispiel schon Sonderdezernate in den Staatsanwaltschaften –, den Jugend- und Freizeit einrichtungen, Schulen, Kindereinrichtungen und so weiter. Und auch hier existieren bereits Strukturen auf Landesebene, zum Beispiel mit dem Landesrat zur Umsetzung des Aktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder oder mit der Arbeitsgruppe „Gewalt und Gesundheit“, mit den regionalen Netzwerken, in denen ebenfalls die vorgenannten Akteurin nen und Akteure sowie weitere regionale Partnerinnen und Partner vertreten sind.
Und was Fälle von Gewalt und Missbrauch zukünftig besser verhindern kann, sind eine Mentalität des Hinschauens, des Wahrnehmens und Helfenwollens bei den Bürgerinnen und Bürgern, denn wenn der Staat erst einschreiten muss, ist es meist schon zu spät. Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Jugend-, Sport- und Freizeiteinrichtungen, in Kirchen, Vereinen und Verbänden, aber auch Eltern müssen geschult werden, um Anzeichen von Missbrauch frühzeitig zu erkennen und dann einzuschreiten. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Richterinnen und Richter – und nicht nur Strafrichter, sondern eben auch Familienrichter – sowie Polizistinnen und Polizisten brauchen eine Aus- und Weiterbildung, in der der sensible Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt eine noch stärkere Rolle spielt.
Und anders, als der Landesrechnungshof es sich wünscht, müssen Präventionsveranstaltungen für die von mit dem Thema betroffenen Berufsgruppen sowie die Eltern und Kinder einen hohen Stellenwert haben
und entsprechend finanziert werden. Ich denke hier zum Beispiel an die Wanderausstellung „Rosenstraße 76“, die eine große Resonanz bei Eltern, Pädagogen, Erzieherinnen und Erziehern, Vereinen und Verbänden sowie Polizei vor Ort hatte, oder Veranstaltungen, die von den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten mit Partnerinnen und Partnern in den Kommunen organisiert wurden. Und ich denke hier an konsequente Sexualerziehung. Auch die bereits genannten Beratungsstellen leisten hierbei hervorragende Arbeit. Diese muss noch ausgebaut werden.
Insbesondere aber müssen Kinder zu starken und selbstbewussten Menschen erzogen werden, denn die Gefahr von Gewalt und Missbrauch – und da gebe ich Frau Borchardt vollkommen recht – ist in autoritären, hierarchie- und machtabhängigen Strukturen am größten. Das sehen wir am Beispiel der Vorfälle in der Katholischen Kirche, in totalitären Systemen wie der DDR oder selbst in der Familie. Aber es kommt auch immer darauf an, wie die scheinbar Mächtigen mit den Unterlegenen, mit den Schutzbefohlenen umgehen. Es muss bei aller berechtigten Aufregung und Abscheu – die auch ich bei jedem Einzelfall empfinde, der im sogenannten öffentlichen Raum geschieht oder geschehen ist – in der Debatte um Kindesmissbrauch auch berücksichtigt werden, dass die meisten dieser Vorfälle nicht in Heimen, Schulen oder Vereinen stattfinden, sondern im persönlichem Umfeld.
Seit Jahren machen Opferschutzorganisationen darauf aufmerksam, dass in den meisten Fällen bei sexualisierter Gewalt der Täter aus dem familiären Umfeld kommt, zum Beispiel Vater, Stiefvater, Onkel, Bruder, Freund. Allein in der Beratungsstelle Rostock wurden im Jahre 2009 213 Missbrauchsfälle registriert. Bei 105 Fällen waren die betroffenen Personen zwischen 0 und 17 Jahre und in 82,1 Prozent aller Fälle kam der Täter aus dem direkten Umfeld. Das habe ich schon so oft angesprochen. Wir haben aber nie eine so aufgeregte Diskussion geführt, auch in den Medien, wie wir sie in den letzten Wochen hatten. Dies muss viel mehr als bisher bei der aktuellen Debatte zu Kindesmissbrauch beachtet werden. Eine Gesamtdebatte und nicht das Herauspicken einzelner Teile ist sehr wichtig, wenn wir wirklich Opfern helfen, wenn wir wirklich etwas verändern wollen.
Auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn für mich von dem vorliegenden Antrag nur die vier Worte der Überschrift „Missbrauch von Kindern aufklären“ brauchbar sind, bitte ich deshalb dennoch das Hohe Haus, den FDP-Antrag in den Europa- und Rechtsausschuss sowie in den Sozialausschuss zu überweisen.
den Antragstext und die Begründung durch! Das ist ein einziges Durcheinander. Man weiß überhaupt nicht, wo Sie wirklich hinwollen –
Denn dadurch kann in den Ausschüssen die Gelegenheit genutzt werden, um zum Beispiel mit Expertinnen und Experten …
(Michael Roolf, FDP: Sie werden heute noch dazu was bekommen. Sie werden heute noch dazu was bekommen.)
(Michael Roolf, FDP: Überlegen Sie mal, in welchem Amt Sie hier sprechen. Sie sind die Gleichstellungsbeauftragte!)
und dass auch Sie, meine Damen und Herren, nächstes Mal einen Antrag etwas solider formulieren. – Vielen Dank.