Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktionen, die demokratischen Fraktionen des Landtags, greifen mit ihrem Antrag das Thema der Entschädigung für erlittenes NS-Unrecht zugunsten einer Opfergruppe auf, der wir in ganz besonderer Weise moralisch, politisch zutiefst verpflichtet sind.
Wir haben die jüdischen Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung der Bundesrepublik für die Verbrechen des Nationalsozialismus bei uns aufgenommen.
Und nachdem bereits der Ministerrat der ehemaligen DDR am 11. Juli 1990 beschlossen hatte, ausländischen jüdischen Bürgern unter bestimmten Voraussetzungen aus humanitären Gründen Aufenthalt in der DDR zu gewähren, hat sich auch die Bundesregierung unmittelbar nach der Wiedervereinigung zu ihrer moralischen und politischen Verantwortung bekannt.
Durch den Beschluss der Ministerpräsidenten vom 9. Januar 1991 konnten sowjetische Juden in der Bundesrepublik eine neue Heimat finden. Der Bund hat eine Vielzahl von Gesetzen erlassen, um die Opfer des NSUnrechts zu entschädigen, so das Bundesentschädigungsgesetz, das Allgemeine Kriegsfolgengesetz und das Entschädigungsrentengesetz. Entstandene Lücken des Entschädigungsrechts sind in den vergangenen Jahren immer wieder durch gesetzliche Neuregelungen oder durch andere Regelungen geschlossen worden.
Als wichtigste Härterichtlinien nenne ich den Artikel 2-Fonds, den Härtefonds „Hardship Fund“ und den Mittel- und Osteuropafonds. Sie sind im Ergebnis der jahrelangen intensiven Verhandlungen eingerichtet worden und sehen Entschädigungen in Form von monatlichen Beihilfen beziehungsweise Einmalzahlungen für Holocaustüberlebende vor. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen aus den genannten Fonds besteht jedoch nicht.
Darüber hinaus haben die alten Bundesländer landesgesetzliche Regelungen erlassen oder gewähren Leistungen durch Landesstiftungen beziehungsweise eigene Härtefonds. In Mecklenburg-Vorpommern und den anderen neuen Bundesländern gibt es solche Landesregelungen nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die eingewanderten Holocaustüberlebenden aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion haben nach den genannten Bundesgesetzen keine Rechtsansprüche auf Entschädigungsleistungen, denn sie sind gesetzlich nicht als Opfer des NS-Regimes anerkannt. Zudem sind die gesetzlichen Antragsfristen bereits abgelaufen. Aus den Härtefonds können die Betroffenen nur in Einzelfällen und ohne einen Rechtsanspruch Leistungen erhalten.
Die sozialrechtliche Stellung der immigrierten Holocaustüberlebenden lässt sich wie folgt skizzieren. Herr Brodkorb hat einiges angesprochen,
ich möchte es noch mal unterstreichen und ausführen, weil es offensichtlich noch nicht alle Abgeordneten in diesem Landtag begriffen haben, worum es geht.
Ihre ausländerrechtliche Stellung ist in der Rechtsprechung äußerst umstritten und wird auch in der Verwaltungspraxis von Bund und Ländern unterschiedlich aufgefasst.
Zweitens. Die immigrierten Holocaustüberlebenden und ihre Familien besitzen keinen gesetzlich verankerten Status als Verfolgte des NS-Regimes
Das Dritte. Sie sind nicht als Rentner anerkannt und finanziell von Sozialhilfe in Form der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abhängig.
Die damit verbundenen Nachteile und Einschränkungen sind bei dieser Opfergruppe moralisch nicht zu rechtfertigen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese offenen Fragen müssen dringend geklärt werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob und welche neuen gesetzlichen Regelungen für die Betroffenen geschaffen werden müssen. Dies betrifft zum einen den gesetzlich zivilrechtlichen Status und auch die Änderung ihres sozialrechtlichen Status, der sie zum Bezug von Rentenleistungen berechtigt.
Im Hinblick auf das hohe Alter der Holocaustüberlebenden wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass über eine Bundesratsinitiative oder eine vergleichbare schneller zum Erfolg führende Maßnahme die aktuelle Situation der Betroffenen so schnell wie möglich verbessert wird. Die Abgeordneten der demokratischen Fraktionen können sich darauf verlassen, dass die Einigkeit, hier nachzubessern, hier unseren Verpflichtungen nachzukommen, durch die Landesregierung voll unterstützt wird.
Und das ist keine Einheitspartei, sehr geehrte Abgeordnete der NPD, sondern das ist demokratischer Schulterschluss gegen Ihre verachtenswürdigen Gedanken, gegen Ihren Rechtsextremismus.
Herr Andrejewski, Sie sagen ja oft, der Staat setzt Geld in den Sand. Da, wo wir Ihr Studium finanziert haben, habe ich wirklich den Eindruck. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Werte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Bisher ist die Debatte ruhig und sachlich abgegangen zu einem Thema, was hier auch nicht verdient hat, auf irgendeine Weise dafür instrumentalisiert zu werden, seinen Schmutz durch die Gegend zu schmeißen.
Holocaustüberlebende gibt es, das ist richtig, nicht mehr sehr viele. Und täglich werden es weniger. Sie sind schon sehr alt und sie haben in ihrem Leben Dinge erfahren müssen, die wir, denke ich, ziemlich alle, jedem anderen Menschen nicht wünschen, uns selbst natürlich auch nicht.