Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

Sie haben, als Sie die Regierungsverantwortung im Herbst 2006 übernommen haben, gewusst, dass die Inanspruchnahme der Plätze in den Kindertagesstätten steigt. Und wenn es Ihnen so wichtig war, dann hatten Sie drei Jahre Zeit, das muss man mal sagen, Sie hatten drei Jahre Zeit, das Ding zu novellieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Was wir vor acht Jahren novelliert haben, das haben Sie drei Jahre verstreichen lassen, ohne etwas zu tun.

(Vincent Kokert, CDU: Wir haben darauf schon hingewiesen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und trotz dieses Wissens haben Sie zum Beispiel mit dem Haushalt für die Jahre 2008/2009 die 2 Millionen Euro an zusätzlichen Zuschüssen des Landes ersatzlos gestrichen.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Außerdem haben Sie in diesen beiden Jahren insgesamt 3 Millionen Euro gestrichen für die vorschulische Bildung.

(Vincent Kokert, CDU: Wir geben nächstes Jahr 15 Millionen Euro mehr aus, Frau Schwebs.)

Und mehr noch: Sie, auch Sie, Herr Kokert, und Ihre CDU-Fraktion haben nicht nur dieses Geld gestrichen, sondern wider besseres Wissen und entgegen den Empfehlungen der Fachleute Millionen in die Elternbeitragsentlastung gesteckt, was trotzdem nichts gebracht hat – eine völlig falsche Maßnahme zu einem völlig falschen Zeitpunkt und an völlig falscher Stelle angesetzt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Vincent Kokert, CDU: Das sehen die Träger ganz anders.)

Das ist kein verantwortungsvolles Handeln, sondern parteipolitischer Egoismus zu Lasten der Kinder und der Zukunft des Landes.

(allgemeine Unruhe – Harry Glawe, CDU: Das stimmt ja nicht.)

Sie tragen auch deshalb Verantwortung für steigende Elternbeiträge,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

weil Sie die zusätzlichen Mittel zum Ausgleich der Inanspruchnahme den Kommunen und damit den Eltern nicht so schnell als möglich nach dem Beschluss des Doppelhaushaltes 2010/2011 zukommen ließen, obwohl Sie wussten, dass die freien Träger und Jugendämter vor dem Dilemma der wachsenden Kosten standen. Es wäre ein Leichtes gewesen, dies bis zum 1. Januar 2010 auf den Weg zu bringen, und es sollte bis zum 01.07. doch wohl möglich sein.

Frau Ministerin, wer in einem Jugendhilfeausschuss arbeitet, der weiß, dass es dort Diskussionen darum gab. Auch in meinem Landkreis wurde der Kreistag faktisch durch alle Mitglieder des Jugendhilfeausschusses einschließlich der Mitglieder aus der CDU- und der SPDFraktion aufgefordert, dass der Kreistag bitte schön die 500.000 Euro, die im Jugendhilfebereich fehlten wegen der höheren Kinderzahl, aus eigenen Mitteln zu kompensieren habe.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so?!)

Abgewendet wurde das Ganze nur, weil es einen Brief aus dem Sozialministerium gab, der diese Mittel endlich für Oktober 2010 zur Verfügung stellt. Wo die Mittel herkommen bis dahin, das können Sie sich alle an Ihren zehn Fingern ausrechnen.

(Harry Glawe, CDU: Woher? – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Ja, woher? Na fragen Sie mal nach!

Meine Damen und Herren, ich will noch kurz auf den Gesetzentwurf eingehen, der von Ihnen zur Änderung des KiföG eingebracht wurde, den wir in Erster Lesung am vergangenen Donnerstag im Finanzausschuss beraten haben.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Es gibt ja einige Abgeordnete in den Reihen der Koalition, die unseren Vorwurf der unverantwortlichen zeitlichen Enge der Beratung nicht gelten lassen wollen. Weil das Gesetz so bedeutsam ist, müsse es schnell behandelt werden, heißt es.

(Vincent Kokert, CDU: Das fordern Sie doch die ganze Zeit. Das ist doch das Entscheidende dazwischen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ja, auch Sie, Herr Kokert, argumentieren mit der Bedeutsamkeit des Gesetzes. Wenn es denn so wichtig ist für unser Land, dann wäre es Ihre Pflicht gewesen beziehungsweise die Pflicht der Landesregierung, dieses Gesetz so rechtzeitig einzubringen, dass der Zeitplan der Bedeutung des Gesetzes gerecht wird.

Transparenz hin und Kita-Tour her, Frau Ministerin, das Konfliktpotenzial der Novelle bleibt offensichtlich. Und es gibt einen ziemlich hohen Beratungsbedarf. Das ist auch im Finanzausschuss in der letzten Woche zum Ausdruck gekommen. Trotz eineinhalbstündiger Beratung haben wir nochmals Fragen formuliert, die wir gern durch das Sozialministerium beantwortet haben möchten. Das hat die Ministerin ja auch dankenswerterweise zugesagt, dass sie das tut. Aber aus fachlicher Sicht gibt es auch viele andere Lösungsvorschläge

(Vincent Kokert, CDU: Da würde ich Ihre Meinung aber noch einmal überdenken.)

und dafür braucht man eben Beratungszeit, es sei denn, man ignoriert diese Vorschläge und stützt, wie nannte es denn die CDU-Fraktion in der letzten Legislaturperiode, diese Koalitionsmehrheit. Ich glaube, das war die Diktatur der Mehrheit.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der der Fraktion CDU – Harry Glawe, CDU: Ja, das haben wir gesagt. Das stimmt auch.)

Man kann sich natürlich auf die Diktatur der Mehrheit verlassen und den Gesetzentwurf innerhalb von einer Woche durch das Parlament drücken.

(Reinhard Dankert, SPD: Wir müssen ja nur darüber reden.)

Nämlich am Montag ist die Anhörung im Sozialausschuss, dann tagt am Donnerstag der Finanzausschuss und am Freitag tagt abschließend der Sozialausschuss, damit das Gesetz noch in der regulären Julisitzung des Landtages beschlossen werden kann.

(Harry Glawe, CDU: Ja, das ist auch richtig so.)

Und das ist eine angemessene Beratung, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen?

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Da kann ich nur drüber lachen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Danke, Frau Schwebs.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldung vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3495. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3495 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der FDP und der NPD sowie Ablehnung der Fraktion der SPD und der CDU abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Streichung des § 16 Absatz 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 5/3490.

Antrag der Fraktion der FDP: Streichung des § 16 Absatz 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Drucksache 5/3490 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Finanzierbarkeit eines Betreuungsgeldes ist stark umstritten, aber ich möchte hier an dieser Stelle darauf nicht weiter eingehen. Ich vertraue vollumfänglich der FDP-Fraktion, in den Haushaltsberatungen mit Bedacht die Finanzierbarkeit einzelner Maßnahmen kritisch zu prüfen.

Vielmehr möchte ich heute mein Augenmerk auf die politischen Auswirkungen eines Betreuungsgeldes auf Mecklenburg-Vorpommern richten. Mit der Verabschiedung des Betreuungsgeldes hat die schwarz-rote Bundesregierung damals eine Zielvereinbarung in das SGB VIII eingebracht, deren Auswirkungen und Folgen stark umstritten sind. So sagte selbst Frau Ministerin von der Leyen im Bundestag, ich zitiere: „Mit dem Betreuungsgeld verstärken wir den Teufelskreis, in dem Kinder, die von zu Hause keine Chance auf frühe Bildung, gute Sprache, wenig Fernsehen, viel Bewegung haben, vom Kindergartenbesuch ausgeschlossen sind, weil ihre Eltern mit 150 Euro lieber ihre Haushaltskasse aufbessern.“ Zitatende. Also Frau von der Leyen, nicht jemand anders. Dies zeigt, dass die Auswirkungen eines Betreuungsgeldes differenzierter betrachtet werden sollten.

Nun mag es sein, dass die CSU bei ihren bayerischen Wählern durchweg zu dem Ergebnis kommt, dass solch ein Betreuungsgeld genau dem gewachsenen traditionellen Familienbild entspricht. Hier wird aber ein gewaltiger Unterschied zur Situation in Mecklenburg-Vorpommern deutlich. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir eine Betreuungsquote von circa 95 Prozent im Bereich der Kitas. Dies zeigt deutlich, dass sich die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern für ein anderes Familienbild entschieden haben als die Menschen in Bayern.

Diesem Unterschied sollten wir Rechnung tragen. Die Kindertagesförderung ist eine Bildungsaufgabe und gehört damit in die Zuständigkeit der Länder. Daher sollte auch eine Entscheidung über ein mögliches Betreuungsgeld in der Hoheit der Länder liegen. Dann sind wir auch in der Lage, eigene Antworten für Eltern in Mecklenburg

Vorpommern zu finden, die ihre Kinder nicht in eine KitaBetreuung bringen wollen.

Und die FDP-Fraktion hat eine klare Vorstellung davon, diese Wahlfreiheit von Eltern für eine Betreuungsform umzusetzen. Hier stellen wir Liberalen uns in Mecklenburg-Vorpommern ein Gutscheinmodell für einzelne Projekte in den Kita-Einrichtungen vor. Dies gibt den Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder zu Hause zu betreuen und dennoch an Projekten und Aktionen in Kitas partiell teilnehmen zu können. Mit solch einem Modell sind wir dann auch in der Lage, der gewachsenen Struktur der Familie in Mecklenburg-Vorpommern ausreichend Rechnung zu tragen. Daher bitten wir Sie, vertreten Sie mit mir die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Und, Herr Glawe, wenn Sie noch Fragen haben,