(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Harry Glawe, CDU: Das hat sich alles erledigt, Herr Grabow.)
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Grabow, wir sind uns einig, dieses Betreuungsgeld ist schädlich. Ich persönlich halte es gerade dann, wenn es daran geknüpft wird, dass es nur gezahlt wird, wenn Kinder keine Kita besuchen können, für einen absoluten bildungspolitischen Super-GAU.
Es ist schlichtweg Schwachsinn. Es ist allerdings nicht so, dass es, wie Sie behaupten, mit der jetzigen gesetzlichen Regelung …
(Stefan Köster, NPD: Da haben die Eltern keine Bildungskompetenz, oder wie? – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Ja, aber bei manchen Eltern Ihrer Sorte würde ich die Bildungskompetenz ziemlich infrage stellen, aber wir brauchen es auch nicht weiter zu vertiefen.
(Stefan Köster, NPD: Sie können sich nur darstellen und mehr nicht. Mehr ist von Ihnen nicht zu erwarten. – Udo Pastörs, NPD: Showgirl.)
Ich halte nicht Ihre Ausführungen für richtig, dass jetzt schon mit Paragraf 16 Absatz 4 Achtes Sozialgesetzbuch
dieses Betreuungsgeld auf den Weg gebracht worden ist. Da steht lediglich drin, dass es eine Möglichkeit wäre,
und man war sich damals einig, dass es geprüft werden soll. Und alle Prüfungen in der Bundesrepublik haben ergeben – die Einzigen, die es nicht einsehen, ist die CSU, Sie haben es angesprochen –, dass dieses Betreuungsgeld ein Rückschritt wäre in der Bildungs politik, auch in der Familienpolitik im Land.
Wir wissen gerade aus Studien zum Beispiel in Norwegen, die ja so ein Betreuungsgeld eingesetzt haben, dass dann Familien, wo eben diese Betreuung auch in der Kita sehr wertvoll war für die Kinder, ihre Kinder da rausgekauft haben.
(Raimund Frank Borrmann, NPD: Rausgekauft! Die Eltern müssen schon Kinder rauskaufen, so schlimm ist es schon.)
Ich habe auch persönlich mit Erzieherinnen und Erziehern aus Thüringen gesprochen, die auch gesagt haben, sie hatten das Problem, nachdem das thüringische Betreuungsgeld eingeführt worden ist, dass Kinder dann im Grunde von der Kita abgemeldet worden sind.
Auch die OECD schreibt Deutschland immer wieder ins Stammbuch, wir geben zwar sehr viel Geld für Familienleistungen aus, aber es kommt zu wenig bei den Kindern an. Dort, wo die Zukunftschancen bei Kindern eingeschränkt sind, müssen wir sie verbessern.
Ich bin gar nicht dagegen, die Elternzeit oder die Elternarbeit wertzuschätzen. Wogegen ich bin, ist, dass dieses Betreuungsgeld daran geknüpft wird, dass Kinder dann keine Kita besuchen dürfen. Und wenn wir es uns einfach mal für unser Land anschauen: Wir haben 50 Prozent der Kinder in unseren Krippen. Wir können uns vorstellen, dass, wenn dann gerade Familien angeboten wird, ihr kriegt aber 150 Euro mehr und dafür dürft ihr aber euer Kind nicht mehr in die Kita geben, dass dann davon Familien Gebrauch machen. Und wir wissen, dass da wieder Familien dabei sind, wo wir es gut finden, dass Kinder in Kitas sind.
Und warum finden wir das gut? Nicht, weil wir sagen, die Eltern sind zu doof, ihre Kinder zu erziehen, sondern weil Kinder unter Kindern sein müssen, weil Kinder in der Kita, gerade in den Kitas in unserem Land, die bildungspolitisch gut aufgestellt sind, ihre ersten Bildungsanreize erhalten. Und deswegen wollen wir nicht, dass die Kinder sozusagen aus den Kitas rausgekauft werden.
Es würde insbesondere einer Regelung total widersprechen, die wir jetzt mit der KiföG-Novellierung auf den Weg bringen. Wir haben eigentlich das Ziel, aber es ist zurzeit nicht ausfinanzierbar, dass jedes Kind in unserem Land einen Rechtsanspruch ab null Jahre auf einen Ganztagsplatz in einer Kita haben sollte – in einer Kita, wo Kinder unter Kindern sind, in einer Kita, wo frühzeitig Sport getrieben wird, wo frühzeitig Kulturangebote angeboten werden, wo Kinder Sprachen lernen, wo Kinder mit Kindern anderer Nationalitäten aufwachsen, wo Kinder mit Kindern mit Behinderungen aufwachsen, wo sie letztendlich einfach im Leben ankommen und auch mehr erleben, als es alleine das Elternhaus zu bieten hat. Und das ist auch meine ganz persönliche Erfahrung, dass die Eltern alleine den Kindern nicht alles bieten können.
Und um diesen Bereich zu finanzieren, bräuchten wir viel, viel mehr Geld, was zurzeit nicht zur Verfügung steht.
(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das ist das Beste, was den Kindern passieren kann, dass sie kein Geld bekommen.)
wo das Jugendamt sagt, dass diese Kinder Förderung brauchen, dass diese Kinder zukünftig in der Krippe einen Rechtsanspruch auf 30 Stunden bekommen. Das haben sie derzeit nicht. Das kostet unser Land alleine 1,1 Millionen Euro. Wir geben also von 15 Millionen Euro 1,1 Millionen für diese Kinder aus. Und ich kann es Ihnen sagen, ich habe das in jeder Kita, die ich in jedem Landkreis und kreisfreien Stadt besucht habe, gehört, dass die Erzieherinnen und Erzieher mir gesagt haben: Frau Schwesig, sorgen Sie dafür, dass die Kinder, die in einer Kita besonders gut aufgehoben sind, weil sie hier mehr Förderung bekommen als vielleicht in ihrem Elternhaus, dass diese Kinder auch wirklich Zugang zu unserer Kita haben, dass sie kommen können.
Und sorgen Sie aber auch dafür, dass diese Eltern starkgemacht werden, damit das, was dieses Kind vielleicht in der Kita erfährt,
Und jetzt kommt der Irrwitz: Wenn das Betreuungsgeld kommt, wäre das Problem, dass genau die Kinder unter Umständen, die wir jetzt teuer mit 1,1 Millionen Euro unterstützen, um sie in die Krippe zu bekommen, dass uns ausgerechnet diese Kinder, salopp gesagt, rausgekauft werden. Und das darf nicht sein.
Deswegen ist es ganz klar, dass die Landesregierung dieses Betreuungsgeld ablehnt. Wir haben mehrfach die Forderung gestellt an die Bundesregierung, dieses Betreuungsgeld zu stoppen und die 2 Milliarden Euro, die dafür beabsichtigt sind, raufzulegen auf das 4-Milliarden-Euro-Kita-Programm, dann würde wieder mehr Geld ankommen für Kita und dann könnten wir einiges von dem mehr erfüllen, wo wir uns ja hier alle einig sind, dass es noch kommen sollte. Es ist ziemlicher Schwachsinn, dass wir uns immer streiten, wir haben nur 15 Millionen und haben hier Forderungen von 150 Millionen und in Berlin werden nachher 2 Milliarden Euro für dieses Betreuungsgeld ausgegeben.
Aber an der Stelle, muss ich Ihnen sagen, Herr Grabow, hätte ich mir sehr gewünscht, dass man sich klar zu diesem Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag positioniert, und zwar sagt, dass dieses nicht eingeführt wird.
Weil die Gutachten auf dem Tisch liegen, dass es nichts bringt, könnte man jetzt sehr gut diese Regelung im Grunde aufheben. Das hätte man sehr gut im Koalitionsvertrag machen können. Und spätestens jetzt, als die Sparvorschläge auf den Weg gebracht worden
sind, hätte man doch sagen können, wir sparen 2 Milliarden Euro Betreuungsgeld ein. Nein, stattdessen wird das Elterngeld gekürzt, stattdessen werden andere familienpolitische Maßnahmen angegriffen. Das verstehe ich nicht und das finde ich dann ein Stück weit schade. Da hätte die FDP nämlich die Möglichkeit, wirklich Flagge zu zeigen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP dokumentiert mit diesem Antrag bedauerlicherweise ihre Konzeptlosigkeit in dieser politischen Frage.
Worum geht es hier? Wir reden über die Streichung von Paragraf 16 Absatz 4 des SGB VIII. Und was beinhaltet dieser Paragraf im Einzelnen? Es ist eine Sollbestimmung, in der es heißt, dass ab 2013 für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung eingeführt werden soll. Nun gut, wir reden also über einen Zeitpunkt, der noch zwei Jahre vorausliegt, und wir …
(Michael Roolf, FDP: „Zahlung … eingeführt werden“, zitieren Sie bitte richtig, „eingeführt werden“.)
Herr Roolf, ich zitiere noch mal, Paragraf 16 Absatz 4 SGB VIII lautet: „Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen und können, eine monatliche Zahlung … eingeführt werden.“