Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

Um das Wort hat zunächst gebeten der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Tesch. Herr Tesch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Landtag hat mit Beschluss vom 12. Juli 2007 die Landesregierung aufgefordert, eine Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung bis spätestens 2009 einzuleiten. Dabei sind die umfassenden Herausforderungen an die Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit zu berücksichtigen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Der Auftrag erfolgte mit der Zielstellung, die Attraktivität des Berufes zu erhöhen sowie die Qualität und Praxisnähe zu verbessern.

Und ich will es gern wiederholen, Frau Dr. Linke, ich habe im Juli 2007 deutlich gemacht, dass eine Reform in Mecklenburg-Vorpommern nur gelingen kann, wenn das neue Konzept bundesweit Anerkennung findet und seitens der Kultusministerkonferenz gebilligt wird. Wenn Ihnen das anders gelingt, dann will ich das gern zur Kenntnis nehmen. Ich bin mir aber auch nicht bewusst, ich habe nachgeschaut, dass Sie solche Konferenzbeschlüsse gerade wegen der bundesweiten Anerkennung an irgendeiner Stelle unterlaufen haben. Und insofern kann man auch nicht dazu auffordern, dass wir dies tun sollten. Denn als Kernpunkte des Reformprozesses wurden die Veränderung der Struktur der Ausbildung und eine Spezialisierung der Ausbildung genannt.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das waren nicht wir, die Sie aufgefordert haben, das war die Koalition.)

Das habe ich gesagt, aber hier war ja die Frage auf den Redebeitrag bezogen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na, ich komme ja auch noch dran. – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Und daher ist die Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung sowohl auf eine Verbesserung der Qualifizierung auf Fachschulebene als auch auf eine Weiterentwicklung akademischer Qualifizierungswege an Hochschulen gerichtet.

Und um es ganz deutlich zu sagen, damit war klar, dass die anstehende Reform die gemeinsame Sache aller Länder ist. Sie muss auf der Ebene der Kultusministerkonferenz bewältigt werden. Ein Alleingang von MecklenburgVorpommern zur Veränderung der Ausbildungsstruktur würde die Anerkennung der Erzieherinnen- und Erzieherabschlüsse gefährden und die Absolventen unseres Landes in ihrer Freizügigkeit auf dem europäischen und bundesweiten Arbeitsmarkt benachteiligen. Das nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist abenteuerlich.

In den bisherigen Abstimmungen haben sich vorerst folgende vier vorrangig zu lösende Aufgaben und Schwerpunkte für den Reformprozess herauskristallisiert. Die will ich Ihnen gern nennen:

1. Verständigung auf ein bundesweit abgestimmtes Qualifi kationsprofi l für das pädagogische Personal für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern im Alter von null bis zehn Jahren

2. Weiterentwicklung der Fachschule für Sozialpädagogik

3. Erhöhung des Anteils von Hochschulabsolventen in den Tageseinrichtungen für Kinder sowie

4. Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen der Fachschul- und Hochschulausbildung

Ich will Sie darüber informieren, dass die Jugend- und Familienminister sowie die Kultusminister sich noch in diesem Jahr auf den Gemeinsamen Orientierungsrahmen „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ verständigen werden. Und ich glaube, das ist Grundlage für vieles, worüber wir hier heute reden. Dieser beschreibt Eckpunkte, die als Grundlage für die curriculare Umsetzung in den Fachschulbildungsgängen und in den Hochschulstudiengängen dienen, das Berufsprofil verdeutlichen und die Basis für die staatliche Anerkennung sind. Ohne die wird es nicht gehen.

Unabhängig von diesen unverzichtbaren Abstimmungsprozessen nutzt das Land alle Möglichkeiten, um notwendige Reformschritte bereits jetzt schon umzusetzen, allerdings – und dazu stehen wir auch, das können Sie natürlich öffentlich kritisieren – soweit dies die Kultusministerkonferenzrahmenvereinbarungen zulassen.

Drei Beispiele möchte ich nennen:

Erstens, Spezialisierung in der Ausbildung durch Schwerpunktsetzung.

Mit der Verständigung auf das Qualifikationsprofil für den Arbeitsbereich null bis zehn Jahre erfolgt eine Abgrenzung zur Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern im Jugendbereich, sodass die Spezialisierung in der Ausbildung durch Schwerpunktsetzung praktiziert werden kann. Und ich finde, das ist gut. Die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher ist durch die Kultusministerkonferenzrahmenvereinbarung über Fachschulen geregelt. Sie bestimmt, dass diese Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben in allen sozialpädagogischen Bereichen selbstständig und eigenverantwortlich übernommen werden. Sie lässt aber die Bildung von Ausbildungsschwerpunkten nach Tätigkeitsfeldern zu. Und ich glaube, das ist auch in Ihrem Sinne.

Auf dieser Grundlage wurde für die Erzieherausbildung in Mecklenburg-Vorpommern eine Schwerpunktsetzung auf drei Tätigkeitsbereiche – Elementarbildung und Kinderbetreuung, Jugendarbeit sowie Hilfen zur Erziehung – in die Lehrpläne eingeführt. Neben den Besonderheiten der einzelnen Schwerpunkte sind übergreifende gemeinsame sozialpädagogische Inhalte vorhanden. Die Lehrpläne des sozialpädagogischen Fachbereichs werden daher zukünftig modular gestaltet. Es werden sowohl schwerpunktübergreifende als auch schwerpunktspezifische Module ausgewiesen. Der Einstieg in die modular gestalteten Rahmenpläne erfolgt zum nächsten Schuljahr mit dem ersten Ausbildungsjahr der höheren Berufsfachschule für Sozialassistenz.

Die Kultusministerkonferenzrahmenvereinbarung über Fachschulen bildet auch die Grundlage der gegenseitigen Anerkennung der Erzieherinnen- und Erzieherabschlüsse. Eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz erarbeitet derzeit die Ergänzung der Rahmenvereinbarung über Fachschulen, um – und ich glaube, das unterstützen Sie auch – ein kompetenzorientiertes Qualifikationsprofil für die benannten Tätigkeitsbereiche der Erzieherinnen und Erzieher zu geben.

Ich komme zu meinem zweiten Punkt der Umsetzung, der bereits in der Debatte vor drei Jahren eine wichtige Rolle spielte, nämlich die Ausbildungsdauer.

Sie haben es angesprochen. Sie wissen, dass die Regelausbildungszeit mit der dreijährigen Fachschule sowie der vorgelagerten zweijährigen Sozialassistentenausbildung fünf Jahre dauert. Das ist zu lang und für junge Menschen wenig attraktiv. Ich glaube, das haben wir gemeinsam festgestellt. Wir werden daher ab dem Schuljahr 2010/11 mit den neuen, modular aufgebauten Lehrplänen zugleich in eine vierjährige Gesamtausbildungszeit eintreten. Sie besteht aus der zweijährigen höheren Berufsfachschule für Sozialassistenz als erster Stufe und einer zweijährigen Fachschule für Sozialpädagogik als zweiter Stufe der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung.

Die Verkürzung, die Sie angesprochen haben, erfolgt vorrangig durch inhaltliche Konzentration ohne Qualitätsabstriche, und das sagen die Experten so. Sie wird umgesetzt unter Einhaltung der derzeitigen Bestimmungen der Kultusministerkonferenzrahmenvereinbarung, was, wie ich finde, unerlässlich ist, sodass die bundesweite Anerkennung der Abschlüsse weiterhin gewährleistet wird. Alles andere können wir uns nicht leisten.

Darüber hinaus wird die berufliche Erstausbildung der Sozialassistentinnen und Sozialassistenten inhaltlich deutlich aufgewertet. Auch das, finde ich, ist ein überfälliger Schritt. Und dies...

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das haben Sie aber 2007 auch hier schon erklärt.)

Ja, Sie wollen doch auch wissen, was sozusagen passiert ist,

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja.)

was neu eingeleitet worden ist. Und das ist doch eingeleitet. Also insofern ist der Zwischenruf doch im Grunde genommen an dieser Stelle wirklich deplatziert.

Und dies soll bei der Novellierung...

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wo ist denn das Konzept?)

Herr Bluhm, hören Sie zu oder lesen Sie nach!

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ach, Ihre Rede hier ist immer ganz was anderes als die Wirklichkeit.)

Das stimmt doch überhaupt nicht.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja, ja, ich komme ja noch mal. Ich habe ja noch Zeit.)

Dies soll auch bei der Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes bei den Bestimmungen für das pädagogische Personal in Kindertageseinrichtungen Berücksichtigung finden.

Und der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht dazu vor:

Erstens. Für das pädagogische Personal in Kindertageseinrichtungen werden Assistenzkräfte nunmehr gesondert ausgewiesen. Sie müssen dann auch in den Leistungsvereinbarungen berücksichtigt werden. Damit wird anerkannt, dass Sozialassistentinnen und Sozialassistenten nach einer zweijährigen beruflichen Erstausbildung bereits über Kompetenzen in der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern verfügen, die deutlich über die von Praktikantinnen und Praktikanten in der Berufsorientierung oder von anderen Unterstützungskräften hinausgehen.

Und zweitens. Die Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen sollen weiterhin über mindestens einen Abschluss der Fachschule oder sogar einen Abschluss der Hochschule verfügen. Seiteneinsteiger werden zukünftig in das zweite Jahr der Sozialassistentenausbildung aufgenommen, für die sich damit eine Gesamtausbildungszeit von drei Jahren bis zum Abschluss ergibt. Auch das finde ich richtig. Und die benannte Konzentration der sozialpädagogischen Ausbildung wird derzeit in zwei Schulversuchen am pädagogischen Kolleg in Rostock und in der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung des Seminars für Kirchlichen Dienst in Greifswald und in Schwerin praktiziert, Herr Bluhm.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zu meinem dritten und damit auch letzten Punkt, der Erhöhung der Akademisierung.

Bundesweit soll die Anzahl von derzeit circa 50 hochschulischen Studiengängen für die Bildung und Erziehung in der Kindheit erhöht werden. Neben den an den Fachschulen ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern benötigen wir zunehmend Fachpersonal mit einer stärkeren Wissenschaftsorientierung. Dies ist insbesondere zur Fachberatung bei der Umsetzung der Bildungspläne bis hin zur Ausbildung von Lehrkräften für den Berufsbereich Sozialwesen notwendig.

Daher haben wir an der Hochschule Neubrandenburg den Bachelorstudiengang Early Education im Jahr 2008 verstetigt. 2008! Und seit dem Sommersemester 2009 wird er auch berufsbegleitend angeboten – er ist sozusagen fast überrannt – für Studenten, die bereits als Erzieherinnen und Erzieher tätig sind. Er wird sehr, sehr gut angenommen. Und damit reagiert das Land auf einen stärkeren Bedarf an Führungskräften und Spezialisten in den Kindergärten.

Gemessen an den Zukunftsanforderungen ist es sinnvoll, dass außerhalb des Hochschulbereichs erworbene, nachgewiesene gleichwertige Kompetenzen und Fähigkeiten für den Bachelorstudiengang angerechnet werden können. Auch das ist wiederum vernünftig. Zur Verbesserung der Durchlässigkeit von der Fachschule zur Hochschule soll eine Anrechnung von beruflich erworbenen Kompetenzen in der Fachschulausbildung ebenfalls erfolgen.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, das kann man nur unterstützen. Mecklenburg-Vorpommern wird bei der Entwicklung entsprechender bundesweiter Empfehlungen die Erfahrungen im Schulversuch am Pädagogischen Kolleg Rostock ebenfalls mit einbringen. Andere Länder sind daran schon interessiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Kindertagesbetreuung und -förderung sind die Anforderungen an die pädagogische Arbeit in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Um den Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag in den Kindertageseinrichtungen in hoher Qualität umzusetzen, bedarf es gut ausgebildeter, motivierter Fachkräfte, Fachkräfte, die sich aufbauend auf die in der Ausbildung erworbenen Kompetenzen regelmäßig auch zu aktuellen Schwerpunkten in der Bildungs- und Erziehungsarbeit fort- und weiterbilden.

Mit dem neuen Kindertagesförderungsgesetz ist die Bildungskonzeption verbindliche Arbeitsgrundlage für alle Kindertageseinrichtungen und für die Kindertagespflege

im Land. Diese Konzeption ist Leitbild und curriculare Grundlage. Schon jetzt haben viele Weiterbildungs- und Ausbildungseinrichtungen unseres Landes, mit denen mein Haus eine enge Zusammenarbeit pflegt, die oben genannten Themen in die Fort- und Weiterbildungsangebote aufgenommen.

Und ich werde dafür Sorge tragen, dass ein bedarfsgerechtes Weiterbildungskonzept entsteht und somit die pädagogische Qualität der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege weiterentwickelt wird. Dafür werde ich den konkreten Bedarf an Themen und Formen für die Weiterbildung der Fachkräfte in unserem Land erheben und die vorhandenen finanziellen Mittel dafür entsprechend einsetzen. Auch dies ist schon mitgeteilt.

Darüber hinaus geht es darum, landesweit einheitliche Qualitätsstandards für die Qualifizierung von Leiterinnen und Leitern von Kindertageseinrichtungen zu garantieren. Dazu habe ich die Hochschule Neubrandenburg beauftragt, ein entsprechendes Curriculum zu konzipieren.