Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

Der zweite Punkt ist, Sie haben zu Recht – womöglich kritisch – gewürdigt, dass bei sozial Schwachen gekürzt wird. Dieses Geld, die 2 Milliarden Euro, über die wir gesprochen haben, ist nicht in die Kürzung mit reingefallen. Was liegt da näher, als sich darüber Gedanken zu machen, als Land Mecklenburg-Vorpommern, das für Bildung zuständig ist – und Kinderförderung ist eine Bildungsaufgabe –, alles dafür zu tun, dass dieses bereitgestellte Geld keiner Streichliste zum Opfer fällt, sondern für Mecklenburg-Vorpommern genutzt werden kann.

Genau das hat der Kollege Grabow Ihnen gemeinsam versucht zu erklären. Es ist unser Ansatz, dass wir uns im Bundesrat gemeinsam dafür einsetzen, dass dieses Geld, was dort bereitgestellt ist, auf die Länderebene übertragen wird, damit wir in den Ländern ab 2013 diese 2 Milliarden Euro anteilig für Mecklenburg-Vorpommern dafür nutzen können, um den Kindern, deren Eltern sich dafür entschieden haben, dass sie ihre Kinder zu Hause und nicht in einer Kindertagesstätte betreuen lassen, dass wir den Eltern die Möglichkeit geben, ihren Kindern zusätzliche Angebote für Bildung und für weitere Entwicklung zu geben.

Was liegt näher, als sich auf den Weg zu begeben in den nächsten zwei Jahren und zu sagen, ich mache hier Projekte an den vorhandenen Kindertagesstätten, die ich öffne für die Kinder, die heute noch nicht den Kindergarten besuchen, die ich mit Bundesmitteln finanziere, denn sie sind bereitgestellt, wo ich Kinder mit hinbeziehen kann, die bisher durch ihre Eltern nicht dafür sensibilisiert sind?

(Udo Pastörs, NPD: Hinbeziehen? Was meinen Sie damit?)

Die gehen dann zu einem Projekt, die gehen zum zweiten Projekt und die gehen zum dritten Projekt – von Bundesmitteln finanziert – und sagen: Mama, das ist toll in der Krippe, das ist toll im Kindergarten. Warum kann ich da nicht öfter hingehen? Und genau da, liebe Kollegen, genau da haben wir das erreicht, was wir mit unserem Antrag erreichen wollen.

Ich finde es zu einfach, sich darüber lustig zu machen, ob eine CDU sich mit einer CSU oder eine CSU sich mit einer FDP streitet. Ich finde es sehr wichtig und sehr sinnvoll, dass wir das Instrument, was wir für Mecklenburg-Vorpommern – und das hat auch der Kollege Grabow gesagt – als nicht geeignet ansehen, nicht verfallen lassen, dass wir uns dieses Instrument in Länderhoheit rüberholen.

Und, Herr Kollege Heydorn, das schätze ich an Ihrer klaren, deutlichen Aussage, die Sie hier getroffen haben. Es ist nämlich nicht die Frage, ob die Kollegen von der CDU jetzt sich nicht ganz sicher sind, ob wir noch in einer Soll-, einer Muss- oder in einer Kannbestimmung sind, denn unabhängig davon, ob wir in einer Soll-, Muss- oder Kannbestimmung sind, wollen sie das Betreuungsgeld nicht aufgeben. Und da, finde ich, ist dann schade,

dass die CDU hier im Land dazu nicht die Kraft hat. Dann sagen Sie klar und deutlich: Wir wollen das, was wir mit CDU und SPD in der Koalition im Februar 2009 beschlossen haben, zwingend durchsetzen, wir wollen das, was im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP vereinbart ist, zwingend durchsetzen.

Wir haben seinerzeit im Koalitionsvertrag von CDU und FDP auf Bundesebene schon gleich unsere kritische Würdigung als FDP angestrebt. Wir sind heute hier im Landtag Manns genug, um zu sagen, wir wollen, dass diese Fehlinstrumentalisierung nicht verloren geht. Wir wollen sie nach Mecklenburg-Vorpommern holen und hier eine positive Situation schaffen und ein positives Instrument finden. Deshalb finde ich es sehr schade, dass die CDU es nicht geschafft hat, über ihren eigenen Schatten zu springen

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wer kann auch schon über seinen Schatten springen?!)

und den Kindern, die heute noch nicht in den Kindergarten gehen, eine Chance zu geben, diesen Kindergarten zukünftig zu besuchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Harry Glawe, CDU: Solche Reden können Sie in Bayern halten, die brauchen Sie hier nicht zu halten.)

Danke, Herr Roolf.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3490. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. –

(Harry Glawe, CDU: Drei Stimmen.)

Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der FDP-Fraktion auf der Drucksache 5/3490 bei Zustimmung der FDP-Fraktion und einer Zustimmung von der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU, der NPD und Enthaltung der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3482 zum Tagesordnungspunkt 32 ist zwischenzeitlich zurückgezogen worden. Damit entfällt die Beratung hierzu.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung, Drucksache 5/3498. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3547 vor.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung – Drucksache 5/3498 –

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/3547 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wollen wir mal gucken, ob der Minister kommt! – Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, gucken hilft nicht. Fordern! – Wolfgang Griese, DIE LINKE: Wo ist er denn? – Peter Ritter, DIE LINKE: Bestimmt in der Sonne. – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Am 12. Juli 2007, also vor annähernd drei Jahren, hat der Landtag mit den Stimmen der Koalition den Beschluss gefasst, die Landesregierung aufzufordern, eine Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung bis spätestens 2009 einzuleiten. Mit der Reform sollten die Attraktivität des Berufsbildes erhöht und die Qualität und Praxis nähe verbessert werden. Die Reform der Struktur der Ausbildung sollte mit klarer Spezialisierung für den Elementarbereich einerseits und für Jugendpädagogik andererseits, engerer Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung ebenso einhergehen wie mit der Erhöhung des Anteils männlicher Erzieher in den Kindertageseinrichtungen. Die Landesregierung sollte diese Reform im Jahr 2009 einleiten, um so die Ergebnisse aus dem Bericht der Expertenkommission „Zukunft der Erziehung und Bildung unter Berücksichtigung des lebenslangen Lernens in Mecklenburg-Vorpommern“ umzusetzen.

Minister Tesch nahm vor drei Jahren diesen Auftrag voller Begeisterung als unabdingbar an und nannte in seiner Rede seine selbst gesteckten Ziele für eine solche Reform. Er sei vollkommen für die Erneuerung der grundständigen Berufsausbildung, die Fort- und Weiterbildung in Schwerpunktbereichen und den Ausbau der Akademisierung, hieß es damals, zumal der Erzieherberuf in Deutschland lediglich ein dreijähriger Weiterbildungsberuf sei und für eine gute Qualifikation gut und gern sechs Jahre aufgewandt werden können. Mit Blick auf die Lebensplanung junger Menschen sei das – nach Auffassung des Ministers damals – wenig effektiv. Daneben wurden mangelnde Spezialisierung und Praxisnähe der Ausbildung ebenfalls vom Minister angesprochen.

Inzwischen liegen nun seit Juli 2008 der Bericht der Expertenkommission und daneben seit Monaten die verschiedenen Stellungnahmen von kommunalen und freien Trägern der Jugendhilfe zur Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes vor. Ja, was ist nun inzwischen passiert, verehrte Abgeordnete? Um es kurz zu machen: Ein inhaltliches Konzept zur Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung fehlt nach wie vor, allerdings soll es ein wesentlicher Baustein der Bildungskonzeption für 0- bis 10-jährige Kinder sein. Die Bildungskonzeption, so erinnern wir uns, steht im Zentrum der Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes, die den Landtag kürzlich erreichte.

So weit, so gut. Nur, das Kindertagesförderungsgesetz soll noch in diesem Herbst, die Bildungskonzeption aber erst Ende 2011 das Licht der Welt erblicken und dann eventuell Eingang in die Praxis finden. Die Ausbildungsdauer für Erzieherinnen und Erzieher soll mit dem Kindertagesförderungsgesetz auf vier Jahre festgeschrieben werden, ohne dass in diesem Zusammenhang jedoch eine inhaltliche Profilierung der Ausbildung, wie es die Expertenkommission empfohlen hat, an den staatlichen Schulen des Landes vorgenommen worden wäre, denn das Konzept kommt ja erst im Jahr 2011.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Und keiner weiß, was in den vier Jahren passiert.)

So bleibt als zwingende Voraussetzung für künftige Erzieherinnen und Erzieher die zweijährige Ausbildung als staatlich geprüfter Sozialassistent erhalten,

(Jörg Vierkant, CDU: Da wird konzeptionell gearbeitet.)

an die wie bisher die Ausbildung an einer Fachschule für Sozialwesen anknüpft.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Oh!)

Die Ausbildung zum Sozialassistenten wird unter Fachleuten seit Jahren kritisch gesehen, weil sie die Absolventen nicht ausreichend befähigt, als pädagogische Fachkräfte im Prozess der frühkindlichen Bildung tätig zu sein. Diese zweigeteilte Ausbildung, Sozialassistent und Erzieher, ist bildungspolitisch und bildungsökonomisch ineffektiv.

Das Kindertagesförderungsgesetz, das heißt die Novelle, hätte anders zu einer grundlegenden Umgestaltung der Ausbildung hin zu einem durchgängig konzipierten Ausbildungsberuf für Erzieherinnen und Erzieher werden können. Nein, das überholte System wird stattdessen beibehalten, wobei eben mit der vorliegenden Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes kurzerhand Begriffe verändert werden, die in ihrer Konsequenz das pädagogische System drastisch beschädigen. Der Begriff „pädagogische Fachkraft“ wird durch „pädagogisches Personal“ ersetzt, wozu dann künftig auch die Sozialassistenten zählen.

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Der Personalschlüssel des noch geltenden Gesetzes, der eine Fachkraftquote darstellt, wurde nicht in der Größenordnung, aber dem Inhalt nach verändert, und das bedeutet ja dann letzten Endes nichts anderes als den Ausstieg aus der von allen Experten geforderten hohen Fachlichkeit in der Kindertagesbetreuung mit den dann künftig schlechtesten Personalschlüsseln bundesweit.

Die nunmehr nach dem KiföG in vier statt fünf Jahren zu absolvierende Ausbildung basiert lediglich auf einer Kürzung, aber nicht auf einer zeitgemäß durchdachten, wissenschaftlich begründeten Konzeption. Alle Experten der frühkindlichen Pädagogik wie der Schulpädagogik hierzulande, aber auch des Auslandes sehen einen bedeutsamen Bildungserfolg bei Kindern und Jugendlichen in einer spezialisierten Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen, also als Kleinkind, Schulkind beziehungsweise für den jungen Erwachsenen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Auch für den Rentner.)

So lauteten auch die Empfehlungen der Expertenkommission. Mittlerweile fragen sich Eltern, Großeltern, kurz, die Steuerzahler im Land,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Na, die fragen sich so manches, die Steuerzahler.)

zu welchem Zweck werden hier eigentlich von dieser Landesregierung regelmäßig Expertisen erarbeitet, wenn sie im Bildungsministerium weder verstanden noch umgesetzt werden.

Geradezu demotivierend für Lehrerinnen und Lehrer an den Fachschulen für Sozialpädagogik sind die zu Beginn dieses Jahres vom Bildungsminister vorgenommenen arbeitsvertraglichen Kürzungen für jene Lehrerinnen und Lehrer, die hier mit der Erzieher/-innenausbildung befasst sind. Zur Begründung wurde den Betroffenen mitgeteilt, die rückläufige Kinderzahl mache Derarti

ges erforderlich. Das ist insofern vollkommen abwegig und unzutreffend, als die Geburtenzahlen seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern stabil bei 13.000 liegen.

Daneben hat Ende des vergangenen Jahres der Landtag eine Initiative meiner Fraktion aus dem Herbst aufgegriffen und die Einführung einer Bedarfsplanung für Erzieherinnen und Erzieher im Land Mecklenburg-Vorpommern beschlossen, um einem drohenden Fachkräftemangel auf planerischem Wege entgegenzuwirken. Der Landtag zumindest rechnet mit einem wachsenden Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern im Land und die Landesregierung kürzt die staatlichen Ausbildungskapazitäten.

Da fällt eine andere Tendenz ins Auge. Private Weiterbildungsträger bieten sogenannte Nichtschülerprüfungen auf Basis von Umschulungen zum Erzieher an. In Ausnahmefällen gibt es in den meisten Bundesländern die Möglichkeit, eine sogenannte Externen- oder Nichtschülerprüfung abzulegen, wenn eine Ausbildung auf dem regulären Wege nicht möglich sein sollte. Nichtschüler erlangen die Berufsreife durch eine Prüfung ohne vorangegangenen Besuch einer entsprechenden Schule. Die Prüfungsvorbereitung erfolgt autodidaktisch oder durch die Teilnahme an Veranstaltungen externer Anbieter, also durch private Weiterbildungsträger, finanziert vom Arbeitsamt oder der Arge, auch auf der Grundlage von Bildungsgutscheinen. Das führt zwangsläufig zu einem weiteren Qualitätsverlust, denn derartige Schnellkurse konterkarieren den hohen pädagogischen Anspruch an die Ausbildung, vernichten anspruchsvolle und stark nachgefragte Ausbildungsplätze an den staatlichen Schulen und führen in der Praxis zur weiteren Verdrängung der pädagogischen Fachkräfte.

Gesetzlich abgesichert wird dieser weitere Qualitätsausstieg aus der frühkindlichen pädagogischen Arbeit durch die KiföG-Novelle, wonach das Landesjugendamt künftig über die Zulassung dieser Nichtfachkräfte seinen Segen geben darf. Hierbei ist immer zu bedenken, dass mit Unterstützung des Bildungsministers und der Sozialministerin diese Behörde im Zuge der Verwaltungsmodernisierung zur Scheinkommunalisierung freigegeben ist und beim KSV angesiedelt werden soll, also keinerlei fachlicher und demokratischer Kontrolle mehr unterliegen wird.

Meine Fraktion fordert angesichts dieser dramatischen Entwicklung auf dem Gebiet der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern einen Bericht zur Reform der Ausbildung im Land sowie eine Kurskorrektur hin zu den Empfehlungen der Expertenkommission. In diesem Zusammenhang kann der Minister dann auch darlegen, was aus seinen zahlreichen blumigen Ankündigungen hin zu einer Qualitätsverbesserung und Akademisierung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung im Lande geworden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Dr. Linke.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Tesch. Herr Tesch, Sie haben das Wort.