Protokoll der Sitzung vom 11.06.2010

Danke schön, Herr Schnur.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Justizministerin Frau Kuder.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Herren, meine Dame von der FDP! Anlass Ihres Antrages ist der Ankauf der Daten-CD aus der Schweiz durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Sie haben es ja soeben gesagt.

Um es vorwegzunehmen, der CD-Kauf durch NordrheinWestfalen erfolgte im Einklang mit bundesdeutschem Recht.

(Michael Andrejewski, NPD: Mit einer sehr eigenwilligen Auslegung.)

Es bedarf stets – und hierauf möchte ich besonders hinweisen – der rechtlichen Prüfung des Einzelfalles, ob derart angebotene Informationen durch die Verwaltung erworben werden können. Einen rechtswidrigen Informationserwerb darf und wird es nicht geben. Wenn ein Erwerb allerdings rechtlich einwandfrei zulässig ist, sprechen jedoch auch durchaus gute Gründe dafür, es zu tun.

Zunächst ist der Gleichheitsgrundsatz der Besteuerung zu erwähnen. Die Masse der Steuerpflichtigen versteuert ihre Kapitalerträge in Deutschland unter Inkaufnahme einer konstanten Kürzung entsprechend der Freibeträge ordnungsgemäß. Es gibt aber durchaus auch Steuerpflichtige, die ihr Kapital aus unterschiedlichen Beweggründen auf Konten ausländischer Kreditinstitute legen. Die Erfahrung zeigt, dass ein Großteil der steuerpflichtigen Erträge aus diesen ausländischen Konten nicht einer ordnungsgemäßen Besteuerung zugeführt werden.

Dieses Ungleichgewicht kann nicht einfach hingenommen werden. Ein weiterer Grund ist die sich aus der Abgabenordnung ergebende Aufgabe der Aufdeckung unbekannter Steuerfälle. Eine solche CD kann es der Finanzverwaltung ermöglichen, verborgene und sonst wohl auch künftig unentdeckt bleibende Steuerquellen zu erschließen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Im Übrigen hat die publizistische Aufbereitung einer derartigen Informationsgewinnung durch die Finanzverwaltung eine immense Selbstanzeigewelle ausgelöst. So sind infolge des CD-Kaufs in Nordrhein-Westfalen, dem lediglich circa 1.000 Personen zugrunde lagen, bundesweit circa 19.000 Selbstanzeigen eingegangen.

(Udo Pastörs, NPD: Das sagt aber noch nichts über die Zulässigkeit. Das sagt darüber nichts aus. – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Nach grober Schätzung sollen sich daraus Steuernachforderungen von circa 1 Milliarde Euro ergeben.

(Udo Pastörs, NPD: Was heißt das? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu dem vorliegenden Antrag noch einmal klarstellend Folgendes zusammenfassen:

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das Gebot und die Regeln rechtsstaatlichen Handelns der staatlichen Behörden werden durch das Grundgesetz vorgegeben. Daran sind alle staatlichen Behörden gebunden.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist Auslegungssache.)

Konkretisiert werden diese Regeln durch die einschlägigen Gesetze und die dazu ergangene Rechtsprechung.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Bei jedwedem Verstoß dagegen steht den davon betroffenen Bürgern der Rechtsweg bis hin zum Bundesverfassungsgericht offen. Weitere Bestimmungen für den Einzelfall etwa mit dem in dem Antrag geforderten Inhalt sind deshalb nicht erforderlich.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Sie könnten im Rahmen der Landesverfassung wegen des Vorrangs der bundesgesetzlichen Regelungen ohnehin nicht verbindlich getroffen werden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist zwecklos in der Landesverfassung.)

Meine Damen und Herren, zum Schluss noch eine Anmerkung. Mit dem vorliegenden Antrag beziehen Sie sich aber nicht nur auf CD-Ankäufe, sondern es wird eine dezidierte Beschränkung des staatlichen Handlungsspielraumes unabhängig von den Umständen des Einzelfalles angestrebt. Dies, meine Damen und Herren, könnte zu unerträglichen, ja geradezu grotesken Ergebnissen führen,

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

wenn es etwa Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden prinzipiell verwehrt wäre, auf ihnen angebotene Erkenntnisse zuzugreifen, die Dritte vielleicht nicht rechtmäßig erlangt haben.

(Michael Andrejewski, NPD: „Vielleicht“ ist gut. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Ich denke hier an die Vorbereitung schwererer Straftaten oder sonstiger erheblicher Gefahrenlagen für die öffentliche Sicherheit, die dann eventuell nicht verhindert werden könnten. Beispielsweise könnte dann auch ein Lehrer, der seine Schüler sexuell missbraucht, nicht aus dem Schuldienst entfernt werden, wenn ihm sein bisheriges Treiben nur durch heimliche Film- oder Tonaufnahmen privater Dritter nachgewiesen werden kann, und das kann doch wohl nicht gewollt sein.

Meine Damen und Herren, bei dieser Sach- und Rechtslage sehe ich keine Veranlassung, dem vorliegenden Antrag der Fraktion der FDP zu folgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einlassungen von Herrn Schnur sind durchaus bemerkenswert. Hätten Sie die Problematik Steuer-CD weggelassen, wäre es eine sehr schwierige Diskussionslage geworden, aber selbst Sie sind ja in einem ausführlichen Teil Ihres Beitrages genau auf die Problematik eingegangen, weil sie eben auch sehr kompliziert ist, und mir ist es letztendlich nicht anders gegangen als jedem anderen, der diesen Antrag sehr allgemein gehalten gelesen hat, und sofort fiel Ihnen das Thema „Steuer-CD“ ein. Damit sind nicht die Regale in irgendwelchen Supermärkten gemeint, sondern eben genau diese mit den sehr brisanten Daten. Wenn man sich eine normale CD kauft, erleidet man möglicherweise keine Überraschung. Wenn diese CDs, sage ich mal …

(Udo Pastörs, NPD: Da sollten Sie mal von uns welche nehmen.)

Da erleidet man auch keine Überraschung bei Ihnen. Nein, nein, das ist schon ganz klar. Was von Ihnen kommt, wird auch auf diesen CDs drauf sein, keine Angst, das ist keine Überraschung für mich. Sie überraschen mich überhaupt nicht mehr.

(Michael Andrejewski, NPD: Sie haben auch keine zu bieten.)

Das wissen Sie ja gar nicht.

(Michael Andrejewski, NPD: Dann zeigen Sie doch mal welche!)

Soll ich jetzt anfangen zu singen, oder was? Na ja, Sie ticken doch wohl nicht ganz richtig da hinten!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und FDP)

Gut, nicht durcheinanderbringen lassen!

(Michael Andrejewski, NPD: Mal ganz ruhig!)

Ja, ich nehme schon einen Ordnungsruf entgegen, keine Angst.

Das Image der FDP, das sie ja manchmal so als Steuerpartei auch ganz gerne benutzt, lässt natürlich diesen Eindruck ein bisschen kommen, Sie wollen jetzt die Steuer sünder ein wenig schützen. Das haben Sie ja sicherlich bedacht, als Sie den Antrag gestellt haben, müssen also damit leben, dass es in der Öffentlichkeit solche Diskussionen gibt. Wir haben ja die Steuer-CDs, die aus der Schweiz stammen,

(Toralf Schnur, FDP: Und Luxemburg.)

durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen und jüngst auch Niedersachsen gekauft, und das erfolgt im Einklang mit den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsvorschriften. Anders wäre es ja auch nicht gegangen. Ein Informationserwerb und eine Verwertung dergleichen ohne einwandfreie positive Rechtsprüfung, wenn das dann auch im Einzelfall ist, wird und darf es nicht geben.

Insofern verwundert uns doch sehr, dass sich der Landtag mit Beschlussziffer 1 Ihres Antrages gegen die von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Bundesregierung vorgenommene rechtliche Würdigung stellen soll. Ich liebe auch die offene Diskussion in den Parteien, andere sehen das anders, aber es würde mich dann schon mal interessieren, was Frau LeutheusserSchnarrenberger dazu sagt.

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

Aber auch die Ziffer 2 Ihres Antrages würde nichts ändern, im Zweifelsfall gilt Bundesrecht, und weigert sich ein Land, Daten zu erwerben, tut es eben der Bund oder wie gesagt ein anderes Land. Baden-Württemberg hatte ja abgelehnt, die Daten zu kaufen.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)