Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 101. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen die Beratungen vereinbarungsgemäß fort.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Keine Energiewende ohne Wärmewende, Drucksache 6/4476.
Schönen guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich heute eine besondere Ehre, mal als erster Redner morgens um 9.00 Uhr hier stehen zu dürfen. Das habe ich so oft auch noch nicht gehabt. Aber ich sehe, wir sind schon zahlreich vertreten, insofern sollten wir auch beginnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Überschrift des Antrages von SPD und CDU macht schon deutlich, wie wichtig die Wärmewende für die Energiewende ist, insofern haben wir klar formuliert, „Keine Energiewende ohne Wärmewende“. Leider ist es aber so, dass es bei der Umsetzung der Energiewende in der öffentlichen Wahrnehmung in der Regel immer nur um den Stromsektor geht und oftmals der Eindruck entsteht, Energiewende sei nur Stromwende und eben nicht Verkehrs- und auch Wärmewende. Man bekommt schon den Eindruck – und ich glaube, es gibt dafür entsprechende Belege –, dass die Bedeutung der Wärmewende unterschätzt wird, teilweise auch vernachlässigt wird. Das war auch mit ein Grund und eine Motivation, den Antrag heute in den Landtag einzubringen, um dieses wichtige Thema ausführlich debattieren zu können.
Der Wärmesektor wird auch als der schlafende Riese der Energiewende bezeichnet. Um zu hinterfragen, warum solch eine Einordnung durchaus berechtigt ist, muss man sich nur mal die Zahlen angucken, und zwar die Anteile am Endenergieverbrauch in Deutschland 2013: Strom 23 Prozent, Verkehr 29 Prozent, aber 49 Prozent – also knapp 50 Prozent – der Wärmesektor. 40 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen stammen aus der Wärmeerzeugung, sodass sowohl für die Energiewende insgesamt, aber insbesondere natürlich auch für den Klimaschutz der Wärmesektor ganz entscheidend ist, um die Klimaschutzziele zu erreichen und natürlich um insgesamt die Umstellung der fossilen Energieträger auf erneuerbare zu realisieren.
Meine Damen und Herren, wie ist die Ausgangssituation in Deutschland 2014? 90 Prozent der Wärmeenergie werden durch fossile Energieträger – Kohle, Öl und Gas – produziert und nur 10 Prozent, 131 Milliarden Kilowattstunden, Wärme aus erneuerbaren Energiequellen. Diese 10 Prozent schlüsseln sich auf: In erster Linie ist es die Biomasse, feste und flüssige Biomasse, 75 Prozent ist natürlich Holz, Bio-, Klär- und Deponiegas 12 Prozent, oberflächennahe Geothermie und Umweltwärme 7 Prozent, Solarthermie 5,3 und Tiefengeothermie 0,7 Prozent.
Wir sehen also, es gibt durchaus einen bunten Mix an Möglichkeiten, mit denen die erneuerbaren Energien die fossilen Energieträger im Wärmebereich ablösen können und auch ablösen werden. Hinzu kommt noch eine weitere wichtige Möglichkeit, nämlich die Umwandlung von Überschussstrom in Wärme über Power-to-Gas oder Power-to-Heat. Insofern ist es durchaus möglich, perspektivisch langfristig nicht nur im Stromsektor, sondern auch im Wärmesektor die notwendige Umstellung der Erzeugung von fossilen auf erneuerbare Energiequellen zu 100 Prozent zu realisieren.
Die Ziele der Bundesregierung sind da momentan noch nicht so ehrgeizig. Bis 2020 40 Prozent von zurzeit 10 Pro- zent Anteil, das ist nicht unbedingt ehrgeizig, aber ich bin davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten der Vormarsch der Erneuerbaren auch im Wärmesektor erfolgen wird.
Die Wärmewende, meine Damen und Herren, kann aber nicht nur gelingen, indem wir möglichst viel erneuerbare Energien praktisch nutzen, um Wärme zu erzeugen, sondern diese Wärmewende kann nur gelingen, wenn es uns gelingt, die großen Potenziale der Einsparungen effizient zu erschließen. Dabei ist insbesondere der Fokus auf den Gebäudebereich zu setzen, denn der verbraucht schon mal 40 Prozent der gesamten Wärme. Hinzu kommen natürlich große Wärmemengen im Industrie- und Gewerbebereich.
Das Ziel der Bundesregierung bis 2050 ist langfristig eine Halbierung des Wärmeverbrauchs. Diese Zielsetzung ist völlig okay, völlig in Ordnung, stellt aber natürlich auch eine Herausforderung dar. Auch wenn 2050 noch lange hin erscheint, ist in der Energiepolitik wichtig, dass rechtzeitig Weichen gestellt werden, um solche Ziele auch zu erreichen.
Um diese Weichen zu stellen, gibt es zwei wichtige Hebel: Der erste Hebel sind natürlich die Gebäude, dabei insbesondere der Neubau. Hier ist schon viel Positives auf den Weg gebracht worden. Gebäudeeffizienz beim Neubau ist inzwischen Gott sei Dank selbstverständlich. Insofern muss man vor allen Dingen den Fokus auf den Gebäudebestand richten. Die größten Einsparpotenziale gibt es bei den Gebäuden, die zwischen 1949 und 1978 gebaut wurden. Die haben den höchsten Energieverbrauch pro Quadratmeter und sind auch zahlenmäßig am stärksten vertreten in Deutschland. Wenn man hinzunimmt, dass von den 40 Millionen Wohnungen, die wir in Deutschland haben, etwa die Hälfte in den nächsten 20 Jahren sowieso saniert werden muss, ist hier durchaus ein Handlungsbedarf gegeben, aber auch ein Riesenpotenzial.
Dann komme ich zum zweiten Hebel. Neben den Gebäuden ist der zweite Hebel noch einfacher und kostengünstiger, denn man braucht eigentlich nur die alten
Heizungen auszutauschen. Wir haben in Deutschland über 20 Millionen Heizungsanlagen, davon sind etwa 75 Prozent älter als 20 Jahre. Da ist also in den nächsten 20 Jahren natürlich einiges zu tun. Das ist die Gelegenheit, die Chance, alte Heizungen, die ineffizient sind, die mit Öl betrieben werden oder die ganz einfach, ich sage jetzt mal, ihr Alter erreicht haben, durch sparsame und effiziente Heizungsanlagen zu ersetzen.
Dabei, meine Damen und Herren, ist mir wichtig, dass wir die bedeutende Rolle von Erdgas und Flüssiggas in den nächsten Jahrzehnten mit im Blick haben. Wir brauchen Erdgas und Flüssiggas gerade in den nächsten Jahrzehnten, um diese Effizienz- und Energieeinsparpotenziale zu erschließen. Hochwertige Gasbrennwertheizungen und andere moderne Heizungsanlagen haben weniger CO2-Schadstoffe, sind deutlich effizienter und werden uns eine wichtige Brückentechnologie sein.
Vielfach unterschätzt wird dabei das Flüssiggas. Ich gehe deshalb auch noch mal darauf ein, weil Flüssiggas gerade für Länder wie Mecklenburg-Vorpommern sehr wichtig ist, denn im ländlichen Raum gibt es oftmals gar kein Gasnetz. Insofern ist Flüssiggas eine sehr gute Alternative, abgekürzt ja auch LPG, und bildet hier einen umweltfreundlichen und sicheren Energieträger, der vielleicht noch viel stärker in den Fokus genommen werden müsste.
Ich möchte aus Zeitgründen weitere Maßnahmen nur kurz anreißen: Wir brauchen viel mehr gasbetriebene Blockheizkraftwerke,
wir brauchen mehr Fernwärmenetze, wir müssen nach wie vor auch die Kraft-Wärme-Kopplung noch stärker ausbauen und entwickeln, insbesondere natürlich auch zur Wärmenutzung. Insofern verweise ich auf den Punkt 7 unseres Antrages, der ja ausdrücklich auf die notwendigen veränderten Rahmenbedingungen auf Bundesebene abzielt mit der anstehenden Novelle des Kraft-WärmeKopplungs-Gesetzes.
Wir hatten dazu vor einiger Zeit im Landtag schon eine Debatte – die Rolle von KWK, glaube ich, ist allen klar –, aber es ging auch in der letzten Debatte im Landtag darum, dass die Bundesregierung jetzt am Zuge ist, die Rah- menbedingungen deutlich zu verbessern. Inzwischen – und das war zum Zeitpunkt, als der Antrag entwickelt wurde, noch nicht so klar – gibt es aktuelle Informationen aus Berlin zur KWKG-Novelle. Es gibt einen Referentenentwurf, und, was ich sehr begrüße, das Gesetz wird schnellstmöglich in Kraft treten, bereits zum 01.01.2016.
Warum ist das wichtig? Es geht um Bestandsförderung und Bestandssicherung von vorhandenen KWK-Anlagen und da muss schnellstmöglich gehandelt werden. Das ist auch für unser Land sehr wichtig. Viele Stadtwerke haben KWK-Anlagen, die zurzeit nicht mehr wirtschaftlich sind. Insofern ist die Bundesregierung hier auch in der Verantwortung, schnellstmöglich zu handeln.
Dieser Referentenentwurf kann grundsätzlich positiv bewertet werden. Die Verdopplung der Förderung von 750 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro ist durchaus lobenswert, ob es ausreichend ist, muss man sehen. Es gibt Zweifel daran, ob die Ziele der KWKG-Novelle, des
neuen Gesetzes, wirklich finanziell ausreichend untersetzt sind, denn die Bestandsförderung, die Förderung der Infrastruktur, die Direktvermarktungspflicht und die Schwerpunktsetzung auf gasbetriebene KWKs sind grundsätzlich positiv, aber stellen natürlich große finanzielle Anforderungen.
Wie es so ist bei Referentenentwürfen, gibt es sicherlich noch Nachbesserungsbedarf. Drei zentrale Kritikpunkte am Referentenentwurf sind:
Zum einen die Förderhöhe – ich habe schon darüber ge- sprochen. Es gibt berechtigte Zweifel, ob diese 1,5 Milliarden Euro ausreichend wären.
Zweitens. Die zeitliche Förderbegrenzung auf 2020 ist völlig inakzeptabel, wir brauchen Sicherheit bis 2025.
Und eins ist auch klar, die Begrenzung auf 50-kWAnlagen als Fördergrenze ist nicht zu akzeptieren, weil kleine Anlagen dabei faktisch den Kürzeren ziehen und nur die großen profitieren.
Herr Borchert, ich habe Ihnen schon 30 Sekunden mehr gegeben. Wir müssen ja alle gleich behandeln, von daher...
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: Ja, Sie haben ihm 30 Sekunden dazugegeben.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zum Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/4476 einen Änderungsantrag auf Drucksache 6/4525 vorgelegt, der gleich verteilt wird.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort gebeten hat für die Landesregierung der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Pegel.
Vielen Dank, sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich um Nachsicht bitten, zum Änderungsantrag kann ich keine Stellung nehmen. Ich habe ihn verzweifelt gesucht, aber gehört, er kommt erst noch.
Mit dem Antrag nehmen sich die Koalitionsfraktionen, nachdem wir gestern Abend die Stromwende in unserem
Land und bundesweit diskutiert haben, einer weiteren bedeutsamen Frage an, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht. Leider, das ist eben schon angeklungen, ist die Energiewende in der öffentlichen Debatte allzu oft eine reine Stromwende. Die Energiewende ist aber gerade deshalb in Deutschland eine Mammutaufgabe, weil wir eben nicht nur Lösungen finden müssen, aus erneuerbaren Energien Strom zu erzeugen, sondern es geht auch darum, wie wir eine Wärmeversorgung ohne fossile Energieträger sicherstellen wollen.
Dabei sind die Potenziale, auch das klang eben in der Einbringung schon deutlich an, im Wärmebereich auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern noch deutlich ausbaufähig. Derzeit beträgt der Anteil der erneuerbaren Wärme im Land circa 8 Prozent, im Gegensatz im Übrigen zum Strom, bei dem wir anteilmäßig ja schon deutlich und weit über den bundesweiten Zielvorgaben für das Jahr 2015 liegen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, an dieser Stelle weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat den weiteren Ausbau der erneuerbaren Wärme auch in ihrer „Energiepolitischen Konzeption für Mecklenburg-Vorpommern“ bereits als Ziel definiert. Das war auch intensiver Gegenstand der Diskussionen im Landesenergierat. Wörtlich heißt es in dieser Konzeption, und ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: „Die ‚Wärmewende‘ ist für die Energiewende von besonderer Bedeutung.“ Zitatende. Deshalb wird sich die Landesregierung bei der Bundesgesetzgebung in den jeweiligen Fachbereichen – das ist ja eine der Forderungen, die hier aufgemacht worden ist – im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch für die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Wärme – nicht nur erneuerbaren Stroms, sondern auch erneuerbarer Wärme – einsetzen.
Nach dem eben schon genannten, gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Kraft-WärmeKopplung wird das Fördervolumen für Kraft-WärmeKopplungs-Anlagen auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr – und jetzt kommt das, was uns durchaus erfreut – verdoppelt. Wir kommen also von knapp 700 Millionen Euro und werden die Dinge auf 1,5 Milliarden Euro ausweiten. Das ist im Übrigen ein Punkt, den wir für uns als MecklenburgVorpommern bei den Bund-Länder-Beratungen, die in den letzten Monaten wiederholt stattgefunden haben, mehrfach nachdrücklich gefordert und uns dafür starkgemacht haben. Er hat auch in unseren Stellungnahmen immer eine zentrale Rolle eingenommen, weil die große Zahl unserer Stadtwerke ganz eng mit eigenen Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen für die Fernwärmeversorgung verbunden ist und es deshalb in diesem Lande realpolitisch eine Riesenaufgabe ist, diese Kraft-Wärme-Kopplung langfristig zu sichern.
Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, das wissen Sie, haben den großen Vorteil, dass sie neben dem Strom auch nutzbare Wärme erzeugen, was hier, noch einmal deutlich formuliert, gerade bei den Stadtwerken weit verbreitet ist. Gerade in diesen Anlagen möchte die Bundesregierung mit der gestern beschlossenen Gesetzesnovelle verstärkt die Umstellung von der bisher häufig kohlebasierten Kraft-Wärme-Kopplungs-Erzeugung auf Gasbasierung erreichen, die bei uns im Lande allerdings eine nachgeordnete Rolle einnimmt.
Gasbefeuerte KWK-Anlagen, die Kohle ersetzen, sollen also nach diesen Planungen der Bundesregierung künftig
einen besonderen Bonus bekommen. Damit geht, das ist unstreitig, der Bund einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Für uns ist gleichwohl vor allen Dingen wichtig, dass auch die jetzt gasbefeuerten KWK-Anlagen, die wir bei den Stadtwerken bereits regelmäßig haben, eine langfristige Sicherung durch diese Novellierung erfahren.