Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Die andere öffentliche Beratung haben wir durchgeführt zur Petition einer Bürgerinitiative –

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Opferschutz.)

eine Onlinepetition von über 3.000 Unterschriften –, die einen sachgerechten Zugang zu den Beratungs- und Hilfsangeboten bei häuslicher Gewalt und bei sexualisierter Gewalt fordert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Hier waren, das ist selten bei uns, auch die Petenten in dieser öffentlichen Beratung, sie wurden angehört.

Aus Zeitgründen will ich heute auf weitere Beispiele verzichten. Sie haben den Bericht und die Beschlussfassung gelesen. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Dagmar Kaselitz, SPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wie Sie dem Bericht entnehmen können, sind die Themen, die in dem Bericht aufgeführt werden, genauso bunt wie das Leben. Es geht von Windenergie bis hin zu langen Bearbeitungszeiten bei den Ämtern, bis hin zum Infragestellen der Arbeit des Petitionsausschusses an sich. All dies können Sie dem Bericht entnehmen.

Aber ich denke, gerade der letzte Punkt, das Infragestellen der Arbeit des Petitionsausschusses, sollte uns als Parlament aufhorchen lassen. Wir sollten tatsächlich hinterfragen, ob es nicht einige Umstände zu verbessern gilt.

Lassen Sie mich an die wirklich gelungene Festveranstaltung zu dem 20-jährigen Jubiläum des Bürgerbeauftragten Herrn Crone erinnern. Ich begrüße ihn. Dort wurde die Wichtigkeit des Bürgerbeauftragten und des Petitionsausschusses betont. Die Worte von Professor Dr. Oberreuter sind mir heute noch im Ohr. Er sagte bezogen auf den Bürgerbeauftragten beziehungsweise den Petitionsausschuss im Bundestag: „Eine Demokratie, die nicht Offenheit und Verständlichkeit anbietet, ist ein Irrtum. Bürger, die sich allein gelassen fühlen, meinen das auch so. Ihnen Angebote zu machen, die sie nicht allein lassen, ist nicht nur ein Dienst an ihnen, sondern zugleich ein Dienst am demokratischen Rechtsstaat.“ Er verband damit die Stichworte „Bürgernähe“, „Transparenz“ und „Einfachheit“.

Diese Worte haben mich in meinem/unserem Vorhaben bestärkt, das Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz nach 20 Jahren doch noch mal anzupassen. Es ist an einigen Stellen wirklich veraltet, so zum Beispiel, wenn es um die Nutzung der neuen Medien geht, die damals so noch nicht bekannt waren. Ich denke da aber auch an den Umgang mit körperlich oder geistig behinderten Personen, denn auch dazu finde ich leider nichts im Petitions- beziehungsweise Bürgerbeauftragtengesetz Mecklenburg-Vorpommern.

Ich erinnere mich an eine Ausschusssitzung, zu der wir ausnahmsweise – und auch diese Vorgehensweise sollte mal überdacht werden – den Petenten eingeladen hatten. Er war schwerhörig, somit gehandicapt, und konnte der Sitzung kaum folgen. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, dass keiner der Anwesenden sich in die Lage des Petenten versetzt und Rücksicht genommen hat. Deshalb meine Frage an Sie: Ist es noch zeitgemäß, körperlich und geistig behinderte Menschen nicht vollends an den Möglichkeiten des Petitionsausschusses teilhaben zu lassen? Ich denke, nein. Andere Länder machen es bereits vor und scheuen sich nicht, auch die Interessen behinderter Menschen in den Gesetzen niederzuschreiben.

Zur Änderung des Gesetzes hatte mein Fraktionsvorsitzender Helmut Holter auf der besagten Veranstaltung

des Bürgerbeauftragten alle Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Fraktionen eingeladen, gemeinsam über Veränderungen des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes nachzudenken. Ich kann nur hoffen, meine Herren, dass Sie diese Einladung auch annehmen.

Neben der kritischen Hinterfragung der Arbeit des Petitionsausschusses gab es aber noch andere wichtige Themen. Ich muss sagen, natürlich ist jeder Sachverhalt für sich für den Antragsteller wichtig, aber ich möchte doch ein paar Angelegenheiten aus der Vielfalt herausnehmen, weil diese an der einen oder anderen Stelle noch einmal aufgenommen werden müssten aus unserer Sicht.

So beschwerten sich in einer Petition im Zusammenhang mit einem geplanten Aufbau eines alternativen Kultur- und Jugendzentrums die Petenten über das Vorgehen einer Stadtverwaltung und baten um Überprüfung des Verfahrens. Leider war das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte. Ich muss sagen, das Ergebnis war für uns insgesamt unbefriedigend. Es ging um Jugendliche, die sich selbst organisieren und Freiräume suchten. Sie haben mit viel Mühe und Not Spenden gesammelt, um das in Rede stehende Grundstück zu erwerben.

(David Petereit, NPD: Ha, ha!)

Dies scheiterte. Angeblich gab es auf Nachfrage bei der Stadt keine alternativen Räumlichkeiten für die Jugendlichen. Dieser Umstand ist kläglich, nicht nachvollziehbar und ein Armutszeugnis. Das Engagement der Jugendlichen wurde bitter enttäuscht. Einmal mehr zweifele ich an dem Slogan „Kinderland M-V“ als eine Worthülse.

In einer anderen Petition und in mehreren Beratungen im Ausschuss ging es um den Erhalt der Südbahn zwischen Parchim und Mirow. In der Begründung der Landesregierung war von einem drohenden Verlust von Regionalisierungsmitteln die Rede und dass die Landesregierung keine andere Möglichkeit sehe, als die Strecken zu schließen. Diese Argumente gehen ins Leere und erscheinen angesichts der neuesten Entwicklungen als Hohn. Ich muss mich fragen: Ist das Ihre Strategie, alles Unliebsame wegen vager Vermutungen und Behauptungen abzuschaffen, anstatt mit vorhandenen Mitteln zu gestalten? In diesem Zusammenhang stößt es einem besonders unangenehm auf, dass wir im Nachhinein erfahren mussten, dass 41,8 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln des Bundes für den Personennahverkehr nicht ausgegeben und vom Verkehrsministerium zurückgehalten wurden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Diese 41 Millionen Euro sind Gelder für den Personennahverkehr für das laufende Jahr und hätten zum Erhalt der Südbahn für eine gewisse Zeit beitragen können. Wenn das Land aber die Bundesmittel zurückhält, schwächt sie nicht nur den Personennahverkehr und somit die Infrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern, nein, sie begibt sich aus unserer Sicht auch in eine ungünstige Verhandlungsposition gegenüber dem Bund, denn wie will das Land höhere Bundesmittel beziehungsweise gleichbleibende Mittel rechtfertigen, wenn zu sehen ist, dass das Land offenbar auch mit weniger auskommt? Das ist das völlig falsche Signal aus unserer Sicht an den Bund. Das Verkehrsministerium provoziert damit gerade

zu sinkende Bundesmittel, womit dann schlimmstenfalls weitere Strecken des Personennahverkehrs zur Schließungsdiskussion stünden.

Insofern wird die Aussprache hier im Landtag zu diesem Thema noch einmal sehr interessant und bestärkt uns darin, dass es richtig war, die Petition nicht einfach so abzuschließen, sondern dass wir trotz der fehlenden Mehrheit beantragt haben, diesen Sachverhalt, um Abhilfe zu schaffen, den Fraktionen und der Landesregierung zur Kenntnis zu geben. Leider fanden unsere Anträge keine Mehrheit,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

da die Fraktionen von CDU und SPD es für ratsamer hielten, die Petition einfach so durchlaufen zu lassen.

Lassen Sie mich noch eine dritte Petition hervorheben, in der sich der Petent der Forderung des Erwerbslosenparlaments Mecklenburg-Vorpommern nach einem vom Land finanzierten Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose anschloss. Als Begründung für diese Ablehnung können Sie dem Bericht entnehmen, dass bereits auf Bundesebene ein Programm für arbeitsferne langzeitarbeitslose Leistungsberechtigte nach dem SGB II vorgelegt wurde. Im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung sei es daher nicht nachvollziehbar, auch ein Landesprogramm, das die gleichen Ziele verfolge, zu initiieren.

Zum einen ergeben sich aus den beiden kosten- und verwaltungsintensiven Bundesprogrammen für Mecklenburg-Vorpommern weniger als 1.000 geförderte Beschäftigungsverhältnisse. Diese Programme können nicht als Argument gegen ein eigenes Landesprogramm geltend gemacht werden. Zum anderen ist der Hinweis auf die Verpflichtung zu einer sparsamen Haushaltsführung nicht zielführend, da Langzeitarbeitslosigkeit in mehrfacher Hinsicht Kosten verursacht, angefangen vom Verlust der beruflichen Bildung über Krankheitsfolgekosten, Kosten der Jugend- und Sozialhilfe bis hin zu entgangenen Einnahmen in die Sozialversicherungssysteme und bei den Steuern, und dies sogar in vererbter Form, von den Folgen für die Menschen ganz zu schweigen. Deshalb ist es unserer Meinung nach richtig, dass das Geld in die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit besser investiert ist als in die Beseitigung der Folgen. Deshalb können wir nur an Sie noch einmal appellieren: Überdenken Sie Ihre Forderung! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Saemann.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bezug nehmend auf die umfangreiche Aufgabenstellung und die daraus folgende Aufgabenabwicklung des Petitionsausschusses möchte ich im Rahmen der Beschlussempfehlung mit meiner Berichterstattung über Bitten und Beschwerden fortsetzen.

An zahlreichen Beispielen wurde durch meine Vorredner auf Schwerpunkte und Lösungen hingewiesen, mit welchen sich der Petitionsausschuss auseinandersetzte. Auch in diesem Berichtszeitraum wurden sehr viele Bitten und Beschwerden von Bürgern zum Positiven, aber

auch zum Negativen entschieden. Der Vorsitzende, mein Kollege Dachner, erwähnte bereits einiges in seiner Einbringung.

In meiner Berichterstattung möchte ich auf einige, mir wichtig erscheinende Beispiele noch einmal hinweisen. So ist es auch hier merklich spürbar, dass sich in diesem Berichtszeitraum ein nicht unerheblicher Bestand an Klärung gegen Verwaltungen oder Behörden richtete. Die Kollegin Bernhardt wies in ihrer Berichterstattung vorhin, in ihrem Beitrag auch auf einiges hin, wie zum Beispiel, dass ein Petent begehrte, dass keine GEMA-Gebühren an die zuständigen Behörden gezahlt werden sollen, weil Kinderliedtexte vervielfältigt und aufgeführt wurden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ach ja!)

Es wurde festgestellt, dass ein Fehlverhalten der Verwaltung hier nicht vorlag. Das erklärt sich daraus, dass die Möglichkeit des Abschlusses durch Pauschalverträge besteht und günstigere Bedingungen bei der Nutzung von Musikwerken, unter anderem auch durch Kindertageseinrichtungen, zu vereinbaren sind. Die Verwaltung merkte diese Möglichkeit bereits an.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erwähnt wurde auch, dass Kinder unter sieben Jahren noch gar keine Notenblätter lesen und entziffern können. In diesem Fall konnte dem Anliegen leider nicht entsprochen werden.

Einige Petenten beschwerten sich zum Beispiel darüber, dass die Umsetzung des EU-Vogelschutzprogrammes durch das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht im Rahmen einer sinnvollen Bürgerbeteiligung erfolgte. Die von den Petenten angesprochenen und gerügten Einwirkungen können Verwaltungen bei dieser Fachplanung nur insoweit berücksichtigen, als der Schutz wildlebender Vogelarten und deren Lebensräume betroffen sind. Hier können aber qualifizierte Fachbüros für die Einholung wissenschaftlicher Expertisen sorgen.

Eine Beteiligung universitärer Einrichtungen bei der Erstellung des Managementplanes ist allerdings möglich durch Hochschulen, es wurde aber bisher nicht gemacht. Das Petitionsverfahren war somit abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

In einem weiteren Vorgang forderte der Petent die vollständige Veröffentlichung der Eingliederungsbilanzen der jeweils zugelassenen kommunalen Träger. Seiner Meinung nach sollten auch aufsichtsrechtliche Mittel durch das Land durchgesetzt werden, um die gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen. In diesem Fall wurde dem Anliegen des Petenten entsprochen.

Nach Sozialgesetzbuch erstellt jede Agentur für Arbeit für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit eine Eingliederungsbilanz. Davon sind ebenfalls die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende erfasst. Bis zum 31. Oktober des nachfolgenden Jahres sind Eingliederungsbilanzen fertigzustellen und zu veröffentlichen. In Anbetracht von Umstrukturierungen kommunaler Träger in Mecklenburg-Vorpommern verzögern sich dadurch einige Eingliederungsbilanzen. Die betroffenen Landkreise veröffentlichen diese aber im Nachhinein im Internet.

Um eine zugunsten des Petenten getroffene Entscheidung geht es auch in dem Vorgang, wo das Jobcenter einen Petenten aufforderte, vorzeitig in Rente zu gehen, wodurch ihm finanzielle Nachteile entstehen würden. Dabei wurde auch ein Urteil des Sozialgerichtes überhaupt nicht beachtet. Es ist aber gesetzlich festgeschrieben, dass Leistungsberechtigte Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch nehmen können, sofern die Voraussetzungen einer Beantragung bestehen. Bei dem Petenten lagen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer geminderten vorzeitigen Altersrente allerdings vor. Gleichwohl hätte der Petent neben dieser Rente zusätzlich Leistungen nach dem Paragrafen 27 Sozialgesetzbuch – hier Zwölftes Buch, Hilfe zum Lebensunterhalt – beziehen müssen.

Bei den Sozialgerichten hat sich hier leider noch keine gängige Spruchpraxis herausgebildet, ob in diesen Fällen der Betroffene zur Inanspruchnahme von Rentenleistungen verpflichtet werden kann. Der zuständige Landkreis hat diesen Umstand aber erst anlässlich des Antrages des Petenten auf Weiterleitung im Rahmen des Ermessens berücksichtigt und die Leistungen dann erst nach SGB II bewilligt.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordnete! Angesichts der Beendigung meiner Berichterstattung möchte ich mich noch einmal recht herzlich und außerordentlich für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und freue mich, dass Sie meinen Ausführungen so aufmerksam gefolgt sind. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Gajek.