Protokoll der Sitzung vom 21.10.2015

(Udo Pastörs, NPD: GmbHs.)

„Weitere zehn Prozent des Landes fielen an ‚ortsansässige Neueinrichter‘. Das sind Ostdeutsche, die vor der Wende keinen einzigen Hektar besaßen, aber dann einen landwirtschaftlichen Betrieb aufmachten. Hinter dem unverfänglichen Begriff ‚ortsansässige Neueinrichter‘ verbergen sich im wesentlichen LPG-Versitzende, die selbständige Bauern wurden, oft mit vielen hundert Hektar Pachtland.“

Und weiter heißt es in dem Artikel: „Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften befanden sich oft in besserem Zustand als die heruntergekommenen Industrieanlagen der DDR. Ihre Einfamilienhäuschen und Wohnblocks waren dank eigener Reparaturbrigaden durchweg ordentlicher erhalten als die Mietskasernen in den Städten. Von beträchtlichem Wert waren Viehherden, Melkanlagen und Getreidespeicher. Ein milliardenschweres Vermögen wäre zu verteilen gewesen – wenn tatsächlich geteilt worden wäre. Die LPG-Mitglieder hätten eine Menge Geld erhalten – wenn die Vorsitzenden saubere Bilanzen erstellt und korrekt abgerechnet hätten. Anders als den einfachen Ost-Bauern geht es den früheren LPG-Chefs zumeist blendend. Kein Berufsstand in der DDR hat die Wende so glatt geschafft wie die Führungskader der sozialistischen Landwirtschaft. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit herrschen sie nun wieder wie zu SED-Zeiten über das Land; mit einem Unterschied allerdings: Früher waren sie nur mächtig, heute sind sie auch noch reich.“

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

„Nach Schätzungen des Landbunds rissen die neuen Großagrarier ein Vermögen von mindestens 20 Milliarden Mark an sich. Aus den aufgelösten mehr als 3.800 LPG gingen 2.800 Nachfolgebetriebe hervor, fast alle werden von den ehemaligen LPG-Chefs geführt. In ihren Ställen stehen 80 Prozent des ostdeutschen Viehs, sie bewirtschaften mehr als zwei Drittel der ostdeutschen Äcker, Felder und Wiesen. Wozu Raubritter und Junker“

(Udo Pastörs, NPD: Die neuen Junker.)

„einst Jahrhunderte gebraucht hatten, schafften die roten Kader in zwei Jahren.“ Zitatende.

Die BVVG hat dann das Junkerland in Bonzenhand gegeben. Sie verpachtete die Äcker vorwiegend an die Nachfolgebetriebe der aufgelösten LPG. Die hätten, so das Standardargument, das bessere Konzept als kleinere bäuerliche Betriebe vorgelegt. Prächtiger ist wohl, dass die alten Kader die besseren Verbindungen hatten. Ihre

Freunde aus früheren gemeinsamen SED-Tagen sitzen überall, bei der BVVG, in Ministerien, in Landwirtschaftskammern, in den Kreisbodenkommissionen und den dörflichen Verwaltungen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das muss wohl ein Irrtum sein.)

Unter der Überschrift „BVVG in Mecklenburg-Vorpom- mern verkaufte auch 2010 fast ausschließlich an ortsansässige Landwirte“ lesen wir unter anderem, ich zitie- re: „Die BVVG … in Mecklenburg-Vorpommern hat im Jahr 2010 rund 9.800 Hektar landwirtschaftliche Fläche veräußert, davon 90 Prozent an ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe. ‚Damit werden Behauptungen widerlegt, dass die BVVG in nennenswertem Umfang an sogenannte Kapitalanleger verkaufe‘, betonten die Leiter der Niederlassungen Neubrandenburg und Schwerin, Dr. Rosemarie Hildebrandt und Johann Jakob Nagel, auf der Lan- despressekonferenz.“ Zitatende.

Können wir nun deshalb einfach zur Tagesordnung übergehen? Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten, Zitat: „Bei der Vergabe von Agrarflächen in Ostdeutschland“, so eine dpa-Meldung vom 9. März 2012, „sehen sich Kleinbauern stark benachteiligt. Beim Verkauf von Ackerland auf früherem DDR-Gebiet bevorzuge die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) noch immer große Investoren, kritisierte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft … Diese erhielten die Flächen zu Preisen deutlich unter Marktniveau, sagte AbL-Sprecher für Ostdeutschland, Jörg Gerke, in Berlin. Zu den Profiteuren gehörten nicht nur ,die alten DDR-Agrarkader‘, sondern auch große Konzerne aus Westdeutschland.“

Laut dpa beziehungsweise Gerke gehe es um Subventionen an eine kleine Gruppe von Unternehmen. Diese hätten inzwischen einen zweistelligen Milliardenbetrag erreicht. Als Beleg führte Jörg Gerke interne Schreiben des Bundeslandwirtschafts- und des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahre 2009 an. Aus diesen gehe unzweideutig hervor, dass die Nachfolgebetriebe der LPG seit den 90er-Jahren bevorzugt worden seien. Die auch als rote Barone bezeichneten Altkader hätten auf dem Wege des Direkterwerbs, also ohne Ausschreibungen, von der BVVG Flächen kaufen oder pachten können. Kleinere und mittlere Betriebe besäßen diesbezüglich kaum eine Chance im Rennen um die Bodenvergabe.

Wir als NPD haben dieses Thema auch schon 2012 hier im Landtag behandelt. Auch wir sind dem florierenden Netzwerk damals auf den Grund gegangen. Der bereits erwähnte Biobauer Jörg Gerke führt in seinem Buch „Nehmt und euch wird gegeben: Das ostdeutsche Agrarkartell“, erschienen im Jahr 2008, dazu Näheres aus, Zitat: „Das gesamte Konglomerat im Osten aus Agrarverwaltung, Agrarpolitik, Agrarberichterstattung und der Agrarlobby in Form der Landesbauernverbände bildet eine Art Netzwerk, ein Kartell.“ Zitatende.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Gerke: „Die großen LPG-Kaderbetriebe bekommen den überwiegenden Teil der BVVG-Flächen in die Hände gespielt“, so führte er aus. Der Kaufpreis bewege sich in einer Spanne von lediglich 1.500 bis 3.500 Euro je Hektar. Zum Vergleich: Mittlerweile sind die Marktpreise für arrondierte Ackerflächen nach offiziellen Angaben auf

über 20.000 Euro pro Hektar geklettert. So sieht die Lage hier aus, wenn man die Agrarstruktur in MecklenburgVorpommern begutachten möchte.

Währenddessen fristen sehr viele bäuerliche Betriebe im Beitrittsgebiet ein eher kümmerliches Dasein. Wie Gerke in seinem Buch auch bemerkt, sind rund 50 Prozent von ihnen Nebenerwerbsbetriebe, die, ich zitiere, „vor allem aufgrund des teilweisen staatlichen Quasi-Monopols bei der Verteilung landwirtschaftlicher Flächen keine weiteren Flächen über ihre 15, 20, 30 oder 40 ha hinaus zur Pacht erhalten“. Vor diesem Hintergrund ist auch die Landwirtschaftspolitik hier im Land zu beobachten.

Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere der zuständige Minister Backhaus, ist die Interessenvertretung der Großbetriebe und setzt auf die Industrialisierung der Landwirtschaft hier in MecklenburgVorpommern.

(Minister Dr. Till Backhaus: Kompletter Blödsinn.)

Welche Lösungswege stehen denn hier offen? Als Erstes muss die Anbindung der Agrarbeihilfe an die Beschäftigung und an die sozialen Mindeststandards in den Betrieben ausgerichtet werden. Dann brauchen wir eine breite Streuung von landwirtschaftlichen Flächen der öffentlichen Hand zum Aufbau einer mittelständischen und vielfältigen Landwirtschaft. Damit könnte man auch die Enteigneten der Sowjets endlich gerecht entlohnen. Wir brauchen zudem ein Siedlungsprogramm zur Gründung neuer landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Betriebe. Hier könnten gerade auch die Uniabsolventen endlich mal Gerechtigkeit erfahren.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Wir von der NPD lehnen die herrschende Agrarpolitik ab, weil sie nicht der Bedarfsdeckung der Bevölkerung, sondern einzig der kapitalistischen Logik der maximalen Profitmehrung dient. Unsere Vorstellungen von einer bäuerlichen Landwirtschaft ist eine gänzlich andere. Wir fordern daher die Zerschlagung der Agrarriesenbetriebe und stattdessen viele kleine und mittelständische Landwirtschaften,

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

die mit einer größeren Artenvielfalt auf dem Acker und im Stall gesunde Lebensmittel, die den Namen auch verdienen, herstellen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Krüger.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Aussprache ist benannt: „Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“. Und so wie meine Kollegen hatte auch ich Schwierigkeiten herauszubekommen, was denn mit Agrarstruktur überhaupt gemeint ist, denn es gibt ja nicht die Agrarstruktur, sondern es gibt die Strukturen in Mecklenburg-Vorpom- mern, und diese Strukturen umfassen viele Ebenen.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, habe in Wikipedia nachgeguckt, was heißt denn Agrarstruktur überhaupt? Da

steht, ich zitiere: „Der Begriff Agrarstruktur bezeichnet die strukturellen Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion und der Lebensbedingungen im Agrarsektor (Land- wirtschaft, Forstwirtschaft und verwandte Wirtschafts- zweige).“ Da mir die Themenfläche zu groß war, habe ich meine Kollegin Frau Karlowski angerufen und wir haben uns zumindest darauf geeinigt, dass wir hier heute nicht über die Forstwirtschaft reden. Dafür danke ich, dass wir diese Einschränkung hinbekommen haben. Ich denke aber, es wäre,

(Heinz Müller, SPD: Das ist ja schon mal was. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ich denke mal,

(Heinz Müller, SPD: Das ist ja schon mal was.)

es wäre nächstes Mal vielleicht fruchtbarer,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

wenn das Thema einer solchen Aussprache genauer bezeichnet werden könnte.

(Heinz Müller, SPD: Ja, es kommt darauf an, ob man ein ernsthaftes Interesse hat, über ein Thema zu reden. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )

Und, meine Damen und Herren, wenn ich mir die Rede von Frau Dr. Karlowski noch mal vor Augen führe, sage ich, auch wenn heute der 21.10.2015 ist, zurück in die Zukunft ist dennoch Utopie, sehr geehrte Frau Dr. Karlowski.

Meine Damen und Herren, wenn ich mir die Betriebsstrukturen, die sich seit der Wende entwickelt haben, ansehe, kann ich feststellen, wir haben hier einen breiten Mix in Mecklenburg-Vorpommern. Hatten wir 1989 in den drei Nordbezirken noch knapp tausend LPGen und 137 volkseigene Güter, so sind es heute mehr als 4.700 landwirtschaftliche Betriebe. Wenn wir uns dann ansehen, wie die Betriebe aufgestellt sind, können wir feststellen, dass bei uns im Land fast zwei Drittel der Betriebe familiengeführt sind. Unsere Betriebe in der Landwirtschaft tragen mit drei Prozent Bruttowertschöpfung ungefähr doppelt so viel, Frau Dr. Karlowski, doppelt so viel bei wie im gesamtdeutschen Durchschnitt. Und wenn Sie hier anführen,

(Udo Pastörs, NPD: Ja, weil es hier nichts gibt sonst.)

wenn Sie hier anführen, dass es früher mal vier Prozent waren, dann ignorieren Sie, dass die industrielle Basis bei uns im Land sich einfach verbreitert hat und eine ganz normale Prozentrechnung eben am Ende auf diesen Wert kommt. Es ist trotzdem doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Wir können feststellen, dass die Landwirtschaft eine stabile Branche ist,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sie hat sich in den letzten Jahrzehnten gut entwickelt. Geleistet haben das viele verantwortliche Frauen und Männer. Sie waren es, die nach der Wende in einer sehr schwierigen Zeit, in der nicht abzusehen war, wie es wirklich weitergeht, die Ärmel hochgekrempelt haben. Sie haben in die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns investiert, sie sind auch privat mit ihrem Vermögen ins Risiko gegangen, sie haben geleistet, worauf heute das ganze Land stolz sein kann, nämlich eine starke Branche, und das verdient Anerkennung.

Und wenn Frau Gajek heute früh von einer völlig verfehlten Agrarpolitik spricht, Frau Gajek, dann, sage ich Ihnen einfach, gehe ich hier von Unkenntnis aus.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wenn Sie sich diese Hintergründe noch einmal vor Augen führen, vielleicht können Sie dann nachvollziehen, warum die Landwirte so empfindlich auf Ihre undifferenzierten Generalangriffe reagieren.

Wenn wir über Agrarstrukturen reden, gehört dazu auch, dass die Landwirtschaft nicht ohne die verarbeitende Industrie betrachtet werden kann. Die Land- und Ernährungswirtschaft, meine Damen und Herren, ist die Branche in Mecklenburg-Vorpommern, sie trägt fast 40 Prozent Bruttowertschöpfung in Mecklenburg-Vorpommern bei. Und vergessen wir nicht, dass die Land- und Ernährungswirtschaft auch ein wichtiger Kunde in anderen Wirtschaftsbereichen ist, beispielsweise im Maschinenbau, im Dienstleistungssektor oder bei der Logistik. Wir können heute sagen, das ist eine Erfolgsgeschichte made by Mecklenburg-Vorpommern.

Meine Damen und Herren, wir haben, wenn wir uns die Strukturen ansehen, auch Herausforderungen vor uns. So ist unsere Landwirtschaft gemeinsam mit SachsenAnhalt die viehärmste Region Europas mit 0,4 Großvieh- einheiten je Hektar. Das hat der Minister bereits erwähnt. Hatten wir 1989 noch 3,2 Millionen Schweine in den Ställen stehen, so sind es heute 820.000. Hatten wir 1989 noch 1,4 Millionen Rinder in den Ställen und auf den Weiden, so sind es heute 546.000 Rinder. Wir brauchen mehr Veredlung, Frau Dr. Karlowski,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Haben Sie meiner Rede denn eigentlich zugehört?)