Protokoll der Sitzung vom 22.10.2015

Gewundert hat mich ein bisschen, dass nur halb hingeschaut wurde bei der Armutsgefährdungsquote. Da wird

ganz schnell von jedem Fünften gesprochen, der von Armut gefährdet ist, was aber nicht wirklich richtig ist. Es ist auch schon angeklungen, legt man den Berechnungen zum Einkommensniveau das niedrige Durchschnittseinkommen von Mecklenburg-Vorpommern zugrunde, was der Bericht im Übrigen genauso aussagt, wird deutlich, dass sich mit 13,5 Prozent ein Anteil von Armen an der Bevölkerung ergibt, der unter dem Gesamtdurchschnitt der Bundesrepublik Deutschland liegt.

(Rudolf Borchert, SPD: Das steht auch so drin.)

Das steht so drin. Aber darüber haben wir in der Tat schon im April diskutiert.

Sicher sind auch 13,5 Prozent zu viel, aber ob man gegen Null steuern kann, da bleiben selbst die weltweiten Experimente zum bedingungslosen Grundeinkommen eine Antwort schuldig. In Finnland beispielweise sind Bedingungen an das neueste Testprojekt geknüpft, das heißt, es muss auch dort eine Gegenleistung erbracht werden. Möglichst viele Unterschiede einzuebnen – das ist ja bekanntlich das Thema der LINKEN –, diese Position findet ganz sicherlich viele Befürworter, aber genauso viele Skeptiker, weil das, was wir ausgeben, ja auch irgendwie erarbeitet werden muss.

Auf der Landespressekonferenz am 18.09. wurde noch einmal deutlich, dass die von Armut betroffenen unter 30Jährigen diejenigen sind, die ihre Schulausbildung abgebrochen und in der Regel kein stabiles System in der Familie haben. Hier dürfte sich die dargestellte Reproduktion von Armut über Generationen auch am ehesten vollziehen.

Ein sehr wichtiges und hilfreiches Programm ist in diesem Zusammenhang das Bildungs- und Teilhabepaket. Insbesondere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Sozialhilfe erhalten oder deren Eltern den Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, haben grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen. Eine Integration in das gesellschaftliche Leben ist so gegeben und Kindern aus ärmeren Verhältnissen werden der Zugang zu Bildung und die Chance auf einen höheren Abschluss gewährt, die wiederum gebraucht werden, um einen guten Job zu bekommen.

Meine Damen und Herren, gute Bildung und gute Arbeitsbedingungen – beides ist sehr wichtig und hilft, Armut zu vermeiden. Wir als CDU-Fraktion sind sehr bestrebt darin, den Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vor- pommern zu verbessern und Arbeitsplätze zu schaffen. Insbesondere der erste Arbeitsmarkt, die Sicherung von bestehenden und die Schaffung neuer sozialversicherungspflichtiger Vollzeitjobs stehen im Fokus unserer Fraktion.

Die Zahl der Arbeitslosen ist bekanntermaßen stark gesunken und die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen gestiegen. Ich erinnere Sie noch einmal an die Arbeitslosenquote von 2005 und 2006: 20,4 und 20,3 Pro- zent. Damals regierte Rot-Rot. Aber 2006 nahm das dann glücklicherweise eine Wendung.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, mit Hartz IV.)

2014 lag die Quote, Frau Borchardt, bei 11,2 Prozent und aktuell liegt sie bei 9,5 Prozent.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Mecklenburg-Vorpommern tut bereits viel für die Sicherung der Fachkräfte. Hierzu wurde 2011 das Fachkräftebündnis für Mecklenburg-Vorpommern unterzeichnet. Aber auch die Mittel aus dem ESF leisten hier einen bedeutenden Beitrag. Lesen Sie mal das Operationelle Programm zum ESF für Mecklenburg-Vorpommern 2014 bis 2020 oder den Mittelstandsbericht! Das Operationelle Programm für Mecklenburg-Vorpommern stellt ab auf die Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung und Unterstützung der Mobilität der Arbeitskräfte, die Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung von Armut und jeglicher Diskriminierung sowie auf die Investitionen in Bildung, Ausbildung und Berufsbildung für kompetentes und lebenslanges Lernen.

Daraus abgeleitet werden sechs spezielle Punkte: aktive Inklusion und Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, Verringerung und Verhütung des vorzeitigen Schulab- bruchs, Förderung des gleichen Zugangs zu einer hochwertigen Bildung, Selbstständigkeit, Unternehmergeist und Gründung von Unternehmen einschließlich von innovativen kleineren und mittleren Unternehmen, Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen Gebieten sowie Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, Verbesserung der Arbeitsmarktrelevanz der Bildungssysteme, Erleichterung des Übergangs zur Beschäftigung, Anpassung der Arbeitskräfte, Unternehmen und Unternehmer an den demografischen Wandel.

Frau Friemann-Jennert, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Foerster?

Ich habe noch so viel auf dem Zettel. Also ich bitte um Verständnis, wenn ich meine Rede hier in Gänze zu Ende bringe.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Gut, dann erhalten Sie wieder das Wort. Bitte.

Ein Großteil dessen, was Sie vielleicht mit „Konsequenzen ziehen“ meinen, wird bereits gemacht. Da kann ich mir nicht nur die hinzuverdienenden Rentner aussuchen. Alle haben die gleichen Rechte.

Ich lasse jetzt wegen der Zeit auch mal ein Stückchen weg. Zum Jahresbeginn 2016 steigen die Unterstützungsleistungen für alle, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Das gilt für die Sozialhilfe, für die Grundsicherung für Arbeitssuchende und für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Bundesrat hat der Erhöhung zugestimmt. Das Bundeskabinett hat die entsprechende Verordnung zum 23. September auf den Weg gebracht.

Aber, Herr Koplin hat es gesagt, DIE LINKE hat ja schon wieder neue Forderungen aufgestellt. In ihren Darstellungen ist ja immer die Rede von 10 Euro Mindestlohn wenigstens pro Stunde und von einer unverzüglichen Rentenangleichung.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Zum Thema Rente erkläre ich Ihnen noch mal unser System. Es ist so ausgestaltet, dass jemand, der sein

Leben lang mehr eingezahlt hat, auch mehr Rente bekommt. Wir sind der Auffassung, dass diese Kontinuität zwischen den gezahlten Beiträgen und der späteren Versicherungsleistung auch gewahrt bleiben muss.

Sicher soll man von der Rente überall im Lande, …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Darum geht es doch gar nicht! Sie haben gar nicht begriffen, was da drinsteht.)

Frau Borchardt, Sie müssen es ja wissen, wer hier was gelesen hat, nicht wahr?! So.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Es geht nicht darum, dass Sie es gelesen haben, sondern dass Sie es verstanden haben.)

… sicherlich soll man von der Rente überall im Lande leben können. Insofern zeigt die erneute Annäherung der Rentenwerte an die der westdeutschen Bundesländer, dass das geltende Rentenrecht wirkt. Es sichert, dass mit den weiteren Steigerungen der Löhne und Gehälter auch die Renten angeglichen werden. Es bewirkt, dass die in Ostdeutschland im Durchschnitt nach wie vor niedrigen Bruttoarbeitsentgelte keine negativen Auswirkungen auf die Rentenberechnungen haben. Ursache dafür ist der Vorteil der Höherbewertung ostdeutscher Löhne um gut 17 Prozent, der den Nachteil des um knapp 7 Prozent niedrigeren Rentenwerts ausgleicht.

Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene haben wir verankert, die vollständige Rentenangleichung bis zum Auslaufen des Solidarpaktes 2019 zu erreichen. Zu diesem Zweck soll zum 1. Juli 2016 die aktuelle Situation erneut beleuchtet und auf Grundlage dieser entschieden werden, ob mit Wirkung ab 2017 eine Teilangleichung notwendig ist. Es ist auch kein Geheimnis – darüber haben wir gestern diskutiert –, der Ministerpräsident hat zum Rententhema eine andere Auffassung als wir.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Frau Merkel hat etwas anderes versprochen.)

Aber ich möchte es noch einmal betonen: Eine vorzeitige Rentenangleichung, und sei es auch nur in Teilschritten,

(Unruhe bei Barbara Borchardt, DIE LINKE)

bedeutet einen Wegfall beziehungsweise

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Barbara, jetzt sei doch mal still, verdammt!)

die Verringerung der derzeitigen Hochwertung der ostdeutschen Einkommen und die Verfestigung des gegenwärtigen Lohnabstandes in den zukünftigen Renten im Osten. Altersarmut würde dadurch befördert werden, anstatt vermindert zu werden. Zudem sollten wir abwarten, wie stark sich der einheitliche Mindestlohn auf den Rentenangleichungsprozess auswirkt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Warten haben Sie ja Erfahrung, ne?!)

Die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Beitrag aller Einkommensarten halte ich persönlich für ein Zukunftsthema, bei dem dicke Bretter zu bohren sein werden.

Einen Aspekt möchte ich noch ansprechen, nämlich dass wir nach Ansicht der Forscher auch staatlich finanzierte soziale Arbeit bräuchten. In der Tat muss man da auf den Bund und die Arbeitsagenturen verweisen, denn sie sind dafür zuständig. Ich höre schon die Streitgespräche, wenn es darum geht, welche Arbeit denn damit gemeint sein könnte und welcher kleine Betrieb sich benachteiligt fühlt, wenn er keine Aufträge bekommt, weil da jemand Ähnliches macht, halt nur mit staatlichem Geld und außerhalb des Wettbewerbes.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Die Vorwürfe gab es immer und die waren nie richtig.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Ihrem Antrag nicht folgen, denn in letzter Konsequenz haben wir vieles bereits auf den Weg gebracht und werden immer wieder auch die Berichte der Sozialverbände als Steuerungsinstrument in Erwägung ziehen, und das ist ein zutiefst demokratisches Vorgehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr bezeichnend, wenn Sie erst einen Armutsbericht benötigen, um festzustellen, wie weit die Verarmung in unserer Heimat bereits fortgeschritten ist. Laut dem Bericht gilt ja tatsächlich jeder fünfte Bürger in Mecklenburg-Vorpommern offiziell als arm. Dabei sind all diese Probleme längst bekannt. Und wenn Sie sich dem Problem der Armut nicht nur auf einer abstrakten Ebene nähern würden, sondern sich die Armut in ganz konkreten Fällen angeschaut hätten, dann wüssten Sie auch, wo der Schuh drückt. Reden Sie einfach mit den Betroffenen! Wir haben fast 100.000 Hartz-IV-Empfänger in unserem Bundesland. Das sind ebenso viele Anklagen gegen Ihre völlig verfehlte asoziale Politik

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oooch!)

der letzten 25 Jahre.

(Heinz Müller, SPD: Wenn hier einer asozial ist!)

Das Lohnniveau hängt anderen Ländern um Größenordnungen hinterher. Minijobs, Lohndumping und prekäre Arbeitsverhältnisse, bei denen eine befristete Stelle auf die nächste folgt, stellen die Menschen vor existenzielle Nöte. Schwarzarbeit ist oftmals die einzige Möglichkeit, um überhaupt irgendwie über die Runden zu kommen, Herr Müller. Natürlich haben Sie als parteipolitische Opportunisten, Karrieristen und Nutznießer des Systems keinerlei Bezug mehr zum einfachen Volk.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Oder glauben Sie tatsächlich, dass sich derlei Probleme mit 5 oder 10 Euro mehr Hartz IV lösen ließen? Zusätzlich ebnen Sie den Weg für eine dauerhafte Invasion von Zigtausenden Kulturfremden,

(Heinz Müller, SPD: Ah, jetzt sind wir wieder beim Thema!)