Und die Stimmenthaltungen? – Danke. Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion der NPD, dagegen gestimmt haben die Fraktionen der SPD und CDU und es enthielt sich niemand. Damit ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt.
Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt.
Ich lasse nun über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5064 abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5064 zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion der NPD, dagegen stimmten die Fraktionen der SPD und CDU und es enthielt sich niemand. Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5064 abgelehnt.
Ich bitte darum, die Gespräche zwischen den Bänken dann möglicherweise draußen fortzuführen oder hier dem Tagesordnungspunkt zu folgen.
Das ist der Tagesordnungspunkt 9: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der NPD – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 6/5081.
Gesetzentwurf der Fraktion der NPD Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 6/5081 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Grundsatz der Gewaltenteilung ist einer der zentralen Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates. Dahinter steht die Idee der Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Staatsorgane zum Zwecke der Machtbegrenzung und der Sicherung von Freiheit und Gleichheit.
Dieses grundlegende Prinzip ist jedoch in der Bundesrepublik Deutschland im Allgemeinen und im Land Mecklenburg-Vorpommern im Besonderen nur sehr unvollständig verwirklicht, da in nahezu allen deutschen Parlamenten die Möglichkeit besteht, neben dem Ministeramt zugleich ein Abgeordnetenmandat zu bekleiden. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese Doppelfunktion von Regierungsamt einerseits und Abgeordnetenmandat an- dererseits in Deutschland praktiziert wird, steht in einem bemerkenswerten Gegensatz zu den demokratietheoretischen Friktionen, die mit diesem Zustand, der beschönigend als Gewaltenverschränkung bezeichnet wird, verbunden sind.
Zunächst einmal wird hierdurch eine der Hauptaufgaben der Legislative, nämlich die Kontrolle der Regierung, erheblich beeinträchtigt. Wenn ein nicht unerheblicher
Teil der Kontrolleure, also der Abgeordneten, zugleich dem zu kontrollierenden Organ, also der Landesregierung, angehören, ist eine effektive Kontrolle des Regierungshandelns nicht mehr gewährleistet. Ein Mitglied des Landtages, welches zugleich Mitglied der Landesregierung ist, kann sich nämlich schwerlich selbst kontrollieren, ebenso wie ein Richter, der in der Rechtsmittel- instanz nicht über die von ihm in der Vorinstanz selbst gefällten Urteile befinden darf. Genauso wenig sollte ein Abgeordneter sein eigenes Handeln als Regierungsmitglied kontrollieren dürfen.
Zudem handelt es sich sowohl bei der Tätigkeit eines Abgeordneten als auch bei dem Amt eines Ministers – zumindest nach Ihrer Lesart, und wir hören es an dieser Stelle ja auch sehr häufig, wie hart Sie als Abgeordnete und Minister arbeiten müssen – für sich genommen jeweils um eine anspruchsvolle Vollzeitaufgabe, sodass eine Doppelfunktion als Minister und zugleich als Abgeordneter zwangsläufig mit Qualitätseinbußen der geleisteten Arbeit einhergehen muss. Beide Funktionen nehmen bereits für sich die volle Arbeitskraft des jeweiligen Amtsverwalters in Anspruch, weswegen es völlig ausgeschlossen ist, dass ein Minister zugleich noch Abgeordneter ist und sein Mandat so einsatzvoll und gewissenhaft wahrnimmt wie ein Abgeordneter ohne gleichzeitige Mitgliedschaft in der Regierung.
Tatsächlich ist es immer häufiger zu beobachten, dass Regierungsmitglieder ihr zugleich bestehendes Abgeordnetenmandat überhaupt nicht ausüben, sondern lediglich die mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen, vor allem finanziellen Vorteile einstreichen. Diese ohnehin praktisch vakanten Abgeordnetensitze sollten deshalb stattdessen für Parlamentarier frei gehalten werden, die ihr Mandat auch tatsächlich ausüben.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dass Sie uns hier erklären, wie Demokratie funktioniert?! Mein Gott, Herr Köster! – Zuruf von Heinz Müller, SPD)
Den vorbezeichneten Missständen soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf abgeholfen werden. Durch die Streichung des Wortes „anderen“ in Artikel 41 Absatz 3 der Landesverfassung stellt künftig nicht nur die Mitgliedschaft in einem Landtag eines anderen Landes eine Nichtvereinbarkeit mit dem Ministeramt dar, sondern auch die Mitgliedschaft im Landtag von MecklenburgVorpommern. Durch die Verwirklichung einer tatsächlichen und nicht nur einer formalen Gewaltenteilung werden die geschilderten Missstände beseitigt und dadurch wird die Demokratie insgesamt gestärkt.
In seinem sehr lesenswerten Buch „Das System“ führt der Staats- und Verfassungsrechtler Professor Hans Herbert von Arnim unter anderem dieses Zitat aus, …
(Heinz Müller, SPD: Ah, der Altbekannte! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh ja! Das ist ja ein glaubwürdiger Zeuge.)
… Zitat: „Die Aufteilung der Staatsgewalt auf verschiedene Träger soll letztlich der tendenziellen Richtigkeit und Ausgewogenheit des politischen Prozesses dienen.“
„Das Grundgesetz postuliert diesen Grundsatz in Arti- kel 20 Absatz 2 Satz 2.“ Und weiter führt er aus: „Dementsprechend beziehen sich die wichtigsten formellen Instrumente, die das Grundgesetz und die Geschäftsordnung zur Kontrolle der Regierung zur Verfügung stellen, auf das Parlament als Ganzes.“
ging in seiner schon erwähnten Grundsatzrede im Plenum des Parlamentarischen Rats ganz bewusst davon aus, dass die drei Staatsfunktionen „Gesetzgebung“, „ausführende Gewalt“ und „Rechtsprechung“ in den Händen gleichgeordneter, in sich verschiedener Organe liegen müssen, damit sie sich gegenseitig kontrollieren und die Waage halten können.
Vor diesem Hintergrund ist es sehr fragwürdig und zugleich bezeichnend, dass Regierungsmitglieder gleichzeitig auch dem Parlament angehören. Herr Backhaus, Herr Brodkorb, Herr Caffier, Herr Glawe, Frau Polzin und Herr Sellering sollen sich in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete selbst in ihrer Eigenschaft als Minister kontrollieren? Interessenverquickung, so Professor Arnim, ist die zwangsläufige Folge. Diese Personalunion zwischen Regierungsmitgliedern und Parlament wird von vielen namhaften Staatsrechtlern als die stärkste Durchbrechung unseres Gewaltenteilungsprinzips heftig kritisiert.
Aus diesem Grund haben wir den Gesetzentwurf vorgelegt, damit endlich eine Trennung von Amt und Mandat, sprich von Regierungsamt und Abgeordnetenmandat vollzogen wird, weil sich die Herrschaften nicht selbst kontrollieren sollten. Insofern ist diese Änderung endlich auch in Mecklenburg-Vorpommern durchzuführen. – Danke.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der NPD geht es heute um die sogenannte Inkompatibilität von Regierungsamt und Mandat.
Zunächst ist es richtig, dass die Mitgliedschaft im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern den Mitgliedern der Landesregierung also im Umkehrschluss aus Artikel 41
Absatz 2 der Landesverfassung nicht verboten ist. Freilich liegt es dabei auf der Hand, dass durch die Zugehörigkeit sowohl zur Ersten als auch zur Zweiten Gewalt Interessenkonflikte entstehen könnten, und zwar deshalb, weil die Landesregierung an die vom Landtag verabschiedeten Gesetze gemäß Artikel 4 der Landesverfassung gebunden ist und weil der Landtag die Landesregierung gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 3 der Landesverfassung kontrolliert sowie den Ministerpräsidenten gemäß Arti- kel 20 Absatz 1 Satz 3, Artikel 42 und 50 Absatz 2 und 3 wählt und gegebenenfalls auch stürzt, der dies wiederum bei der Ernennung und bei der Entlassung von Ministern nach Artikel 45 Absatz 1 der Landesverfassung und bei der Ausübung seiner Richtlinienkompetenz berücksichtigen wird – dies insofern, als dass ein Ministerpräsident zu bedenken hat, dass seine Minister unter Umständen auch als Abgeordnete im Landtag Einfluss ausüben könnten, sodass eine kollidierende Interessenmacht von einem parlamentarischen Amt auf ein Regierungsamt zurückwirken kann und auch andersherum von einem Regierungsamt auf das parlamentarische Amt.
Trotz des aufgezeigten denkbaren Interessenkonfliktes, meine Damen und Herren, kennen das Grundgesetz und die Verfassungen der Mehrzahl der Länder keine entsprechende Inkompatibilität, wie sie von der NPD gefordert wird. In unserem Fall von Mecklenburg-Vorpommern hat sich namentlich auch die Verfassungskommission in ihrer 22. Sitzung am 27. November 1992 gegen eine solche Inkompatibilitätsregelung ausgesprochen. Dies deckt sich nicht nur mit der bereits erwähnten deutschen Verfassungstradition, sondern auch mit einem erheblichen Teil der europäischen politischen Tradition. Als herausragendes Beispiel ist hier zunächst sicher Großbritannien zu nennen. Zudem ist aber auch an den bemerkenswerten Fall zu denken, als dem französischen Politiker Alain Juppé 2007 ein Ministeramt versagt blieb, weil er – obwohl von Rechts wegen überhaupt nicht erforderlich – kein Parlamentsmandat erringen konnte.
Gegen die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Inkompatibilität sprechen neben geübter Verfassungstradition und geübter Verfassungspraxis aber vor allem praktische Gründe, meine Damen und Herren. Immerhin verbinden sich mit der parlamentarischen Anbindung von Regierungsmitgliedern besondere Vorteile.
Etwa die unmittelbare Verantwortlichkeit des Ministerpräsidenten gegenüber dem Landtag erfordert ohnehin ständige Kontakte seinerseits, um die erforderliche Mehrheit für seine Politik zu gewinnen oder aufrechtzuerhalten.
Nach einigen Verfassungen, zum Beispiel Artikel 52 Ab- satz 1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, ist deshalb die Mitgliedschaft des Ministerpräsidenten im Landtag sogar zwingende Voraussetzung seiner Wählbarkeit. Obschon die Ressortminister eine solche direkte Verantwortung gegenüber dem Landtag von Verfassungs wegen nicht tragen, ist es gleichwohl nützlich, wenn auch sie bei der Wahrnehmung ihrer Ressortverantwortung durch ein Landtagsmandat politisch geerdet sind und es dem Landtag dadurch ermöglicht wird, gegebenenfalls auch unterschiedliche Positionen innerhalb der Landesregierung zu bemerken und zu beeinflussen.