Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das den Abgeordneten nicht zur Verfügung gestellt wird.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, na, Sie haben doch auch noch Redezeit, Herr Saalfeld! – Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens steht der Vorwurf im Raum, Herr Brodkorb hätte in den letzten vier Jahren verschleiert, dass den Theatern Defizite drohen und dass wir auch im Umstrukturierungsprozess zusätzliche Mittel in die Hand nehmen werden und in die Hand nehmen müssen, um den Reformprozess zu gestalten. Ich muss gestehen, dieser Vorwurf irritiert mich noch viel mehr, weil ich mich frage, was machen wir denn hier seit vier Jahren, wie oft diskutieren wir genau über dieses Thema im Parlament und warum tun wir das alles. – Natürlich weil diese Defizite drohen!

Man kann es auch positiv ausdrücken: Wir wissen alle und haben das immer gesagt, dass die Theater auch in den zukünftigen Jahren noch zusätzliche Finanzmittel des Landes brauchen. Das können Sie als Defizit bezeichnen, ich bezeichne das als die Mittel, die notwendig sind, um eine Reform durchzuführen ohne soziale Härten und ohne betriebsbedingte Kündigungen. Man kann es auch positiv formulieren und insofern muss hier keiner überrascht tun.

Diese ganzen Ankündigungen, Frau Berger, können Sie Ihrem eigenen Ausschussprotokoll der zweiten Sitzung dieser Legislaturperiode aus dem Jahr 2011 entnehmen, ausdrücklich von mir ausgeführt in der ersten relevanten Ausschusssitzung.

Worüber ich lieber reden möchte, ist das, was uns wirklich beschäftigen sollte, in einer Aktuellen Stunde vielleicht mal darüber zu diskutieren: Wie geht es eigentlich weiter? Der Sinn dieser Reform ist es, diese Theater zu erhalten, und zwar auf Dauer. Diesen Prozess werden wir gestalten, da können Sie noch so viele Versuche unternehmen, Nebelkerzen zu zünden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, hochintellektuelle Nebelkerzen.)

Wir werden das tun im Interesse der Menschen in diesem Land und der Kultur in diesem Land.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie viel Zeit brauchen Sie dazu noch?)

Es gibt aber eine Reihe von Problemen, die von viel tief greifenderer Bedeutung sind, aus meiner Sicht, und die würde ich Ihnen gerne vorstellen, vorschlagen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was haben Sie denn in den letzten vier Jahren getan? – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gearbeitet.)

Und, sehr geehrte Frau Berger, darüber konstruktiv zu diskutieren, könnte vielleicht sogar mal produktiv werden.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau darum haben wir das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt.)

Wenn man mit den Intendanten dieses Landes spricht,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

äußern sie sich mit großer Sorge über die langfristige Bestandsfähigkeit der Theater in unserem Land, dies nicht wegen der aktuellen Debatte, sondern mit dem Blick beispielsweise auf das Durchschnittsalter der Zuschauerinnen und Zuschauer beziehungsweise der Theaterbesucher. Es scheint so zu sein, dass immer weniger junge Menschen in die Theater gehen, und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir ganz gravierende Schwierigkeiten bekommen können, wenn das nicht zu verhindern ist. Diese Frage berührt die aktuelle Theaterdebatte sehr deutlich, weil sich das an die Entscheidungen anschließt, die wir zu treffen haben. Die einzige Möglichkeit, da gegenzusteuern, die ich sehe, ist, dass wir uns sehr viel mehr auch darum bemühen müssen, die Schulen zu erreichen.

Dann darf ich Sie offiziell darüber informieren, dass ich vor einigen Wochen mit den Intendanten dieses Landes gesprochen und ihnen den Vorschlag unterbreitet habe, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern seinen Schulen in Zukunft ermöglicht, dass Unterrichtsfach „Darstellendes Spiel“ einzurichten. Warum gibt es Kunstunterricht und Musikunterricht, aber kein Theaterspiel an unseren Schulen? Der Rahmenplan liegt dafür vor. Ich darf Sie außerdem darüber informieren, dass die Hochschule für Musik und Theater zugesagt hat,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir reden gerade über die Zukunft der Theater und nicht über „Darstellendes Spiel“ an den Schulen!)

dass für den Fall, dass das Land diese Entscheidung trifft, die Hochschule für Musik und Theater bereit ist, eine weitere Professur für Theaterpädagogik auf den Weg zu bringen, um die Lehrer auszubilden.

Ich habe den Intendanten vorgeschlagen, um eine bessere Verknüpfung von Schulen und Theatern auf den Weg zu bringen, dass wir auch darüber nachdenken, ganz gezielt pädagogisch begabte und interessierte Schauspielerinnen und Schauspieler als Lehrer in unseren Schulen einzusetzen und gleichzeitig als Schauspieler in den Theatern. Das ist logistisch nicht ganz einfach, aber es wäre eine wunderbare Gelegenheit, um eine Verschränkung von Schule und Theater so hinzubekommen, dass auch das Publikum von morgen in hoher Zahl zur Verfügung steht und umgekehrt unsere Schulen eine große Belebung erreichen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das wäre sehr wünschenswert.)

Ich werde dem Bildungsausschuss demnächst diesen konkreten Vorschlag unterbreiten, und dann bin ich gespannt,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachdem die Koalition das Fach „Darstellendes Spiel“ erst abgeschafft hat?!)

ob Sie bereit sind, diesen Weg mitzugehen.

Es gibt eine zweite große Zukunftsherausforderung für die Theater,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum haben Sie eigentlich das Fach „Darstellendes Spiel“ abgeschafft?)

das Land und die Kommunen.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Diese zweite Herausforderung lautet, dass die kommunale Ebene derzeit in sehr unterschiedlichem Maße an der Finanzierung der Theater beteiligt ist. Die Theater tragenden Kommunen haben hohe Lasten. Wenn man sich die Landkreise anschaut – insbesondere die Städte –, wenn man sich die Landkreise anschaut, dann sieht es sehr unterschiedlich aus. Es gibt zwei Landkreise, die sich in außerordentlichem Maße für die Theater engagieren: Das sind der Landkreis Ludwigslust-Parchim und der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, wobei man diesen noch mal besonders hervorheben muss, weil dort die Einwohnerzahl und die Finanzmasse deutlich geringer sind als in Ludwigslust-Parchim.

(Beifall Andreas Butzki, SPD)

Es gibt aber auch Landkreise, die sich überhaupt nicht an der Theaterfinanzierung beteiligen, obwohl sie unmittelbar von den Theatern profitieren. Deswegen bin ich dem Innenminister außerordentlich dankbar, dass er vorgeschlagen hat zu prüfen, ob man mit einer Novellierung des FAG auch hier zu Veränderungen kommt, dass man die Finanzierungslasten für die Theater auf kommunaler Ebene auf breitere Schultern verteilt.

Es gibt nach meiner Kenntnis bisher keinen konkreten Vorschlag zu dem Thema. Es gibt zunächst nur die Aufgabe, das Ganze zu prüfen und zu diskutieren. Und ich bin sehr gespannt, ob es uns in einer konstruktiven Diskussion hier im Parlament gelingt, eine politische Mehrheit dafür zu organisieren, die Finanzierungsbasis der Theater auf kommunaler Seite deutlich zu verbreitern und damit auch eine größere Finanzierungsgerechtigkeit herzustellen. Das ist eine große politische Gestaltungsaufgabe, denn das muss das Parlament beschließen, ob es das zur Unterstützung der Theater und ihrer Kommunen will oder nicht.

Die dritte große Gestaltungsaufgabe, die sich wirklich stellt – und nicht die parteipolitischen Mätzchen, die in den letzten Wochen betrieben wurden –, ist die Frage,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das trifft Sie, ne?!)

wie die Dynamisierung der Theaterfinanzen in Zukunft gestaltet sein wird, und zwar von Land und Kommunen. Das würde ich gerne mal sagen: Wir haben die Situation, dass die Theater früher Bestandteile der öffentlichen Verwaltung waren. Nach meiner Kenntnis wurde in den 80er-Jahren in der Bundesrepublik Deutschland darüber diskutiert, diese Theater aus der öffentlichen Verwaltung herauszunehmen und in GmbHs auszugliedern mit der Idee, dass die Theater, die erfolgreich sind und viele Einnahmen erwirtschaften, diese Einnahmen auch behalten dürfen, um damit künstlerisch zu arbeiten. Das war die eigentliche Idee der GmbH-Gründung.

Dann gerieten die Theater in die Situation, dass die öffentlichen Haushalte in Schwierigkeiten kamen, und plötzlich wurde dieses Instrument der GmbH-Gründung umfunktioniert, nämlich dazu, die entsprechenden Zuschusssteigerungen und Bedingungen an den Theatern nicht denen des öffentlichen Dienstes anzugleichen. Das ist die Entwicklung, mit der wir es hier im Land zu tun haben, die wir beenden wollen, und zwar auf Grundlage dieser Reform. Das ist ein erklärtes Ziel, das ich verfolge, wozu sich die Koalition auch bekannt hat, dass es auf Dauer nicht tragbar ist und dass sich keine Sekretärin in der Landesverwaltung, kein Finanzbeamter, niemand dafür rechtfertigen muss, wenn die Tarifverhandlungen das Ergebnis haben, dass mehr Lohn gezahlt wird. Kein Finanzamt muss, um seine Tarifsteigerungen zu finanzieren, Einsparungen vornehmen. Es ist selbstverständlich, dass den Beschäftigten der Lohn erhöht wird. In manchen Bereichen, wie beispielsweise bei den Theatern, diskutieren wir dann darüber, ob die Tarifsteigerung ausgeglichen wird oder nicht. Jedenfalls waren das die Diskussionen der letzten Jahre.

Ich bekenne, dass das Land sich dazu entschieden hat, im Einvernehmen mit den Theater tragenden Kommunen zu sagen – auch wenn es sicherlich sehr unterschiedliche Sichtweisen gibt, die Unterschriften sind ja alle geleistet –, dass sich das Land nicht in der Lage gesehen hat, diese Regelungen der Dynamisierung auf der derzeitigen Finanzierungsbasis vorzunehmen. Das ist so. Aber wir haben ausdrücklich erklärt, dass es unser Ziel sein muss, in überschaubarer Zeit zu einem System zu kommen,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Hört, hört!)

wo wir einen Theatermitarbeiter oder ein Theater ganz genauso behandeln, wie jeden anderen Mitarbeiter oder jede andere Behörde in der öffentlichen Verwaltung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. Das wird auch höchste Zeit.)

Die besondere rechtliche Situation, in der sich die Theater auf Wunsch der Politik befinden, kann nicht dauerhaft dazu führen, dass diese Beschäftigten anders behandelt werden als alle anderen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Darüber zu diskutieren, wird wiederum sehr schwierig sein, denn das heißt, sich klar für einen Anpassungsmechanismus sowohl auf Landesseite als auch auf kommunaler Seite zu entscheiden. Das betrifft am Ende alle Theater tragenden Kommunen. Niemand wird sich der Herausforderung entziehen können, auch wenn die Theater tragenden Kommunen im Moment sagen, auch wir werden unsere Zuschüsse nicht erhöhen, das soll das Land tun. Das wird nicht funktionieren.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle Träger oder alle Zuschussgeber werden sich in absehbarer Zeit auf einen Mechanismus verständigen müssen, wie sie regulär die Theaterfinanzierung positiv ausgestalten, um die dann entstandenen Strukturen auch zu sichern.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, wären das, glaube ich, drei Zukunftsaufgaben, drei Schwerpunkte,

mit denen man sich auseinandersetzen müsste, wenn man etwas für die Theater tun wollte.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die letzten vier Jahre nur Ankündigungen. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern, die Koalitionsfraktionen werden genau dies tun.

(Der Abgeordnete Jürgen Suhr bittet um das Wort für eine Anfrage.)