Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Ich will Ihnen deshalb folgendes Angebot machen, was wir, glaube ich, in der Vergangenheit nicht so häufig getan haben, aber lassen Sie uns – und ich bin auch gerne bereit, da den ersten Stein ins Wasser zu werfen –, lassen Sie uns doch gemeinschaftlich zusammenkommen. Ich würde Sie im Namen meiner Fraktion gerne einladen, um dieses Thema der wirtschaftlichen Lage der Zeitungsverlegerinnen und -verleger auch in Mecklenburg-Vorpom- mern zu diskutieren. Ich würde gern DIE LINKE, die SPD und die GRÜNEN einladen. Lassen Sie uns dazu zwei, drei unabhängige Experten holen, die uns aus ihrer Sicht sagen, wie sie die Medienlandschaft in Mecklenburg-Vor- pommern auch im Vergleich zu anderen Bundesländern bewerten. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir inhaltlich bei vielen Punkten gar nicht so weit auseinanderliegen.

(Stefan Köster, NPD: Ihr seid ein Block.)

Wir befinden uns im Augenblick, so meine ich, ein bisschen am Scheideweg. Wenn wir nicht handeln und dabei zusehen, werden wir wahrscheinlich das erste Bundesland sein, was nicht mehr über eine Meinungsvielfalt verfügt, denn die Signale deuten sich an.

(Udo Pastörs, NPD: Sie sagten vorhin, die wäre schon nicht mehr gegeben.)

Wenn Sie sich überlegen, wir müssten irgendwann nur noch mit einer Tageszeitung und beispielsweise dem „Norddeutschen Rundfunk“ hier im Land auskommen, dann wäre das nicht nur schade, sondern dann sehe ich auch zukünftig demokratische Prozesse in diesem Land in Gefahr. Deshalb ist es wichtig, dass sich Politik an dieser Stelle einmischt, und es ist auch unsere Verantwortung.

Ich würde Ihnen gern vorschlagen, dass wir diesen Weg versuchen gemeinschaftlich zu gehen, um zu sehen, ob wir bei verschiedenen Punkten auf einen Nenner kommen. Vielleicht kann das sogar in einem zukünftigen gemeinschaftlichen Antrag in diesem Parlament enden. Ich will Ihnen jedenfalls die Bereitschaft meiner Fraktion dazu hier während dieser Debatte verkünden und bedanke mich für die konstruktive Aussprache zu diesem für Politik nicht ganz einfachen Thema. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Fraktionsvorsitzende Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Lieber Jürgen Suhr, lieber Vincent Kokert, lieber Patrick Dahlemann, herzlichen Dank für die Diskussionsbeiträge. Ich glaube, wir haben heute alle deutlich gemacht, dass die Symbiose aus Politik und Medien ein wichtiges Moment auch für die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vor- pommern und damit für unser demokratisches Gemeinwesen ist.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Doch, Herr Pastörs, das hat genau auch mit Ihnen zu tun, hat auch mit der AfD und mit Pegida zu tun,

(Vincent Kokert, CDU: Je stärker die das kritisieren, umso wichtiger ist das.)

denn Sie sind diejenigen – das habe ich auf Ihren Zwischenruf hin erst schon deutlich gemacht –, Sie sind diejenigen, die die, die über unsere Arbeit berichten und über das Geschehen im Lande berichten, als „Lügenpresse“ bezeichnen. Das ist genau das, was wir zurückweisen.

(Udo Pastörs, NPD: Sie wollen die Medien instrumentalisieren und tun es bereits.)

Es geht nicht um eine Lügenpresse, es geht um die Freiheit der Presse. Es geht darum, dass Journalistinnen und Journalisten frei von wirtschaftlichen Zwängen, von politischer Einflussnahme berichten können.

(Udo Pastörs, NPD: Die Realität ist eine andere, Herr Holter.)

Das ist der Ansatz der Demokratinnen und Demokraten, was die Zeitungen und Rundfunk und Fernsehen in Mecklenburg-Vorpommern betrifft.

(Beifall Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Alles andere können wir im Einzelfall diskutieren.

Deswegen möchte ich noch daran erinnern, vielleicht auch für die Jüngeren, die nicht ganz so lange dabei sind: Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, dass zu bestimmten Themen, Anträgen, Gesetzesvorlagen, die hier beraten wurden, dort auf der Pressebank ständig die Kolleginnen und Kollegen wechselten. Ihr nickt. Ja, das war auch so, weil sich in den Redaktionen der eine für Wirtschaft zuständig fühlte, der andere für Soziales, der nächste für Bildung und so weiter. Die Redaktionen waren entsprechend gut ausgestattet und die Kolleginnen und Kollegen Journalistinnen und Journalisten hatten die Zeit, sich mit den Themen, die sie bearbeitet haben, ausführlich zu beschäftigen.

Guter Journalismus, auch das ist gestern Abend deutlich geworden, braucht Zeit. Diese Zeit wird den Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen jetzt genommen. Wenn ich natürlich die Sekretärinnen in den jeweiligen Bereichen abschaffe, dann muss jemand auch die Sekretärinnenarbeit, die Koordinierung, Anrufe, alles, was da so im Büro in der Redaktion zu tun ist, übernehmen. Wenn das eine Aufgabe ist, die Journalistinnen und Journalisten weiter mit übernehmen müssen, denn ohne geht es nicht, das weiß jeder, der ohne Sekretärin arbeitet, dann ist das eine weitere Belastung.

Wenn dann heute – verschiedene Redner haben über das Internet und die Internetangebote gesprochen – natürlich das Internet hinzu kommt, darüber hatte ich in meiner Einbringung auch schon etwas gesagt, dann ist das eine zusätzliche Herausforderung. Ich bin der Überzeugung, der Internetbeitrag ist nicht der Beitrag, der am nächsten Tag in der Printausgabe oder in dem E-Paper zu finden ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oder gar nicht.)

Das sind unterschiedliche Ansprüche, die auch die Redaktionen an diese Beiträge ganz konkret stellen.

Wenn wir uns anschauen, was in den letzten 20, sogar in den letzten 10 Jahren passiert ist – Jürgen Suhr und ich, wir haben einige Zahlen genannt am Beispiel der SVZ und was jetzt bei der „Ostsee-Zeitung“ geplant ist –, dann muss man sich doch zu Recht um zwei Dinge Sorgen machen: einerseits um die Zukunft der Zeitungen als solches, und ich sage, richtig, Vincent Kokert, da bin ich auch der Meinung, da stehen wir vor grundlegenden Fragen, wie es mit der Medienlandschaft, der Zeitungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern aussieht, und zweitens um die ganz konkreten Arbeitsbedingungen derer, die die Zeitungen machen, also die Kolleginnen und Kollegen, die recherchieren und die Beiträge schreiben, dazu gehören die Fotografen genauso wie diejenigen, die in den Redaktionen und den Verlagen arbeiten. An die werden wir immer mit denken, davon gehe ich aus.

Wir hatten vor einiger Zeit schon mal die Debatte – auch das ist gestern Abend deutlich geworden, ich wiederhole es für diejenigen, die gestern Abend nicht dabei waren –, dass gesagt wurde, Mensch, die Zeitungen stehen vor dem Aus. Wir haben gestern Abend den Vortrag von Frau Professor Prommer gehört, die sich im Institut für Medien an der Uni Rostock mit diesen Fragen beschäftigt. Auch wir in der Fraktion haben uns vor einiger Zeit damit beschäftigt, was denn eigentlich die Hauptinformationsquellen und damit die Quellen für die Meinungsbildung der Menschen sind. Einige von uns sind der Meinung, das ist das Internet. Das sind Twitter oder Facebook oder andere soziale Medien. Dann wird dort, wie gesagt, getwittert oder die Hashtags erreichen uns und viele andere Dinge mehr. Das ist es aber nicht. Fernsehen, Rundfunk und die Zeitungen sind die Hauptinformationsquellen für die Menschen im Land – da will ich jetzt gar keinen Unterschied machen, wer von den Dreien die entscheidende ist. Dann kommen irgendwann auch das Internet und damit die sozialen Medien. Das wird oftmals in der öffentlichen Debatte verkannt.

Wir alle, die im Wahlkampf stehen und im Wahlkampf stehen wollen, stellen uns in den Parteien die Frage: Welches Medium muss ich denn nun wie bedienen? Wir müssen alle Medien bedienen, weil es überall Nutzer gibt, User, wie das modern heißt. Das ist ganz klar.

Aber wieder zurück in die Redaktionen. Diejenigen, die jetzt die verschiedenen Medien bedienen, sind weniger geworden. Nicht nur die Sekretärin ist weg, sondern ebenso müssen die verschiedenen Informationskanäle – sowohl die bei den Redaktionen, die Rundfunk und Fernsehen machen, als auch die, die Zeitungen machen –, gleichermaßen bedient werden. Das ist die Herausforderung. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Manchmal liest du heute einen Artikel, meinst, das kommt dir doch ir

gendwie schon bekannt vor, auch wenn es, ich sage mal, eine neue Meldung ist. Das hat man dann irgendwie gestern oder am Abend oder früh am Morgen schon, wie Herr Dahlemann sagte, auf seinem Smartphone oder auf seinem Tablet gelesen. Das ist einfach die heutige Welt. Wir werden mit Informationen überschüttet und auch einfach überrannt und wenn du nicht ständig am Ball bist, dann geht dir die eine oder andere Info verloren.

Aber wieder zurück zu den Redaktionen. Das muss ständig bedient werden. Da sind Menschen am Werke, die das besorgen. Aber die Menschen werden in den Redaktionen nicht mehr, sondern sie werden weniger, und das treibt uns um.

Vor einiger Zeit wurde gesagt, die Zeitungen stünden vor dem Aus, heute haben wir die Zeitungen immer noch, jetzt mal fernab von den verschiedenen Veränderungen bei den Eigentumsverhältnissen, dass da verkauft wurde und andere Beteiligungen eingegangen wurden. Ich meine – und da sehe ich die Verantwortung der Politik, die Kollegen der demokratischen Fraktionen haben darüber gesprochen –, wir haben die Verantwortung, deutlich zu zeigen, nicht nur durch Symbolpolitik, wir wollen diese Zeitungen, wir wollen Rundfunk und Fernsehen, sowohl öffentlich-rechtlich als auch privat.

Wir wollen auch – Herr Dahlemann, da bin ich voll bei Ihnen –, wir wollen auch das Regionalfernsehen. Wir zum Beispiel diskutieren darüber, ob vom Rundfunkbeitrag, der von jedem Bürger, von jedem Haushalt erhoben wird, nicht auch ein Teil für die Medienanstalten, sprich für die Fernseh- und Rundfunksender, zur Verfügung gestellt werden kann, um diese Vielfalt zu finanzieren. Das ist auch eine Frage, die meines Erachtens im Zusammenhang mit der Initiative von Vincent Kokert diskutiert werden müsste. Das sind alles Geschichten, wo ich sage, wir stehen an einem Punkt, wo wir neu denken müssen.

Ich meine, wenn wir aufrufen, dass jetzt auf der Nichthabenseite der Koalition steht, dass das Pressegesetz nicht novelliert wurde, dann sollten wir, wenn wir zu einer solchen Diskussionsrunde zusammenkommen, auch darüber reden, was die Novellierungsbedarfe im Pressegesetz, welches seit 1993 nicht verändert wurde, sind. Wer hat 1993 schon von Internet, sozialen Medien und all den anderen Dingen geträumt? Na, vielleicht geträumt, aber das war nicht Alltag. Deswegen ist es meines Erachtens bei dem, was wir tun können, einfach wichtig, dass in dem Pressegesetz auch die neuen Bedingungen berücksichtigt werden.

Der zweite Teil, der die Politik tatsächlich im Sinne von Signal oder Symbol angeht, ist, dass wir über die tariflichen Bedingungen der Kolleginnen und Kollegen reden, die in den Redaktionen und Verlagen arbeiten. Es sind kaum noch tarifgebundene Arbeitsverhältnisse in diesen Redaktionen und Verlagen in Mecklenburg-Vorpommern zu finden. Wenn ich will – ich zumindest will es und die Diskussion gestern Abend habe ich so verstanden, viele andere mit mir auch –, dass es eine Mindestbesetzung in Redaktionen gibt, um Qualitätsjournalismus abzuliefern, dann können die Tarifpartner darüber sprechen und das vereinbaren. Das kann ich in einem Pressegesetz nicht regeln, das geht nicht. Aber ich meine, es geht um Tarifhoheit und Tarifbindung auch im Bereich des Journalismus und der Medien, um deutlich zu machen, es geht um gute Arbeitsbedingungen für diejenigen, die hier arbeiten.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Natürlich, Herr Dahlemann, haben Sie recht, das Feld ist, wenn man über Medien spricht, viel größer. Wir können über Medienkompetenz oder über Medienbildung sprechen. Das könnte ich jetzt auch lange machen, aber soweit ich weiß, gibt es am 31. März eine große Veranstaltung – da werden wir uns vielleicht sehen –, wo es ganz konkret um die Fragen geht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber wenn wir uns Sorgen machen um die Frage der Medienbildung und der Medienkompetenz und wir uns Sorgen machen, wie die Zeitung, egal welche, auch in die letzten Ecken dieses Landes kommt, und in dem Zusammenhang darüber nachgedacht wird, dass man das vielleicht nicht in Form von Papier macht, sondern tatsächlich als E-Paper-Ausgabe oder in anderer Form, also eine elektronische Ausgabe, dann sind wir wieder bei dem Thema: Wie sieht es mit der Breitbandversorgung in Mecklenburg-Vorpommern aus? Darauf kommen wir am Freitag noch einmal ganz konkret zurück.

Da machen die Medien, sprich die Zeitungen, auch schon Angebote, dass sie sagen, okay, es ist schwierig, die Zeitungen für einen Haushalt oder für zwei Haushalte über mehrere Kilometer zu transportieren, vielleicht stellen wir der Familie ein Tablet zur Verfügung.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Aber dafür ist die Voraussetzung, dass entsprechende Leitungen vorhanden sind.

Na, selbstverständlich.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Nicht jeder liest das „Handelsblatt“ wie Sie, Herr Pastörs.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Nein, es geht einfach darum, das hohe Gut der Vielfalt an Medien und all das, was mit medialer Nutzung verbunden ist, für jeden und jede in Mecklenburg-Vorpommern zu ermöglichen. Die Verantwortung der Politik liegt darin, diese Voraussetzungen zu schaffen. Ich will die nicht verlagern lassen und ich hoffe, dass ich Vincent Kokert nicht so verstanden habe, dass es uns um ein öffentlichrechtliches Pressewesen in Mecklenburg-Vorpommern geht.

(Vincent Kokert, CDU: Nein.)

Wir haben beide gestern Abend darüber diskutiert. Ich sage, ich hoffe, dass ich das nicht so verstanden habe, weil das möchte ich nicht. Ich möchte die Verantwortung der Verlage bei sich sehen. Ich möchte die Verantwortung der Redaktionen und damit die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit – sowohl in den Redaktionen die innere Pressefreiheit als auch die öffentliche Pressefreiheit – gewahrt wissen. Ich möchte aber – da sehe ich uns in der Verantwortung –, dass wir darüber diskutieren und darüber reden, wie jeder Bürger und jede Bürgerin die Chance hat, sich über Medien, sprich auch Zeitungen, in MecklenburgVorpommern informieren zu lassen. Das ist eine Frage, die man diskutieren muss. Dazu bin ich gern bereit.

Das Letzte, was ich sagen will, ist: Wenn ich jetzt von der Koalition höre, dass der Medienbericht für 2016, also rückblickend auf das vergangene Jahr, in Arbeit ist, dann ist das eine Information, die ich gern zur Kenntnis nehme. Was die letzten Medienberichte betrifft, haben sie in der Tat an Substanz verloren. Für mich ist die entscheidende Frage, dass nicht nur durch die Regierung, in diesem Falle durch die Staatskanzlei, zusammengetragen wird, was gerade in Mecklenburg-Vorpommern Fakt oder Tatsache ist. Das hat mir gestern Abend sehr gut gefallen, dass wir mit wissenschaftlichem Sachverstand die Medienanalyse in Mecklenburg-Vorpommern so anreichern, dass wir dann auf dieser Grundlage – und da bin ich bei Vincent Kokert, das ist wirklich keine parteipolitische Auseinandersetzung – gemeinsam Entscheidungen treffen können, damit unsere Zeitungen in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich eine gute Zukunft haben. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Heinz Müller, SPD, Vincent Kokert, CDU, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)