Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen, damit wir rechtzeitig mit der Sitzung beginnen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 117. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Darf ich die Herren darauf hinweisen, dass wir jetzt gerade die Sitzung eröffnet haben. Ich bitte doch um Ruhe.

Ich stelle also nochmals fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 117., 118. und 119. Sitzung liegt Ihnen vor.

Auf Drucksache 6/5357 liegt Ihnen der Antrag der Volksinitiative zur Wiedereröffnung der Abteilungen Kinder- und Jugendmedizin sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus Wolgast vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Tagesordnung um diese Vorlage zu erweitern. Der Tagesordnungspunkt wird am Donnerstagvormittag aufgerufen. Wird der vorläufigen so geänderten Tagesordnung widersprochen? –

(Torsten Renz, CDU: Nein.)

Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 117., 118. und 119. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 117., 118. und 119. Sitzung die Abgeordneten Dietmar Eifler, Andreas Texter, Dr. Hikmat Al-Sabty, Dr. Ursula Karlowski und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserer Kollegin Barbara Borchardt ganz herzlich nachträglich zu ihrem runden Geburtstag

(Beifall Peter Ritter, DIE LINKE)

sowie unserer Kollegin Martina Tegtmeier – ich sehe sie gerade nicht – trotzdem zu ihrem heutigen Geburtstag ganz herzlich gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, Frau Tegtmeier kriegt dann ihren Blumenstrauß, wenn sie eintrifft.

(Heinz Müller, SPD: Sie ist schon im Hause, sie kommt gleich. – Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Sonst nehmen Sie sie!)

Okay, dann machen wir das so.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Mecklenburg-Vorpommern weiter voranbringen: Nach

haltiges Wachstum, Moderne Infrastruktur, Gute Löhne“ beantragt.

Aktuelle Stunde Mecklenburg-Vorpommern weiter voranbringen: Nachhaltiges Wachstum, Moderne Infrastruktur, Gute Löhne

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Man kann sich natürlich regelmäßig fragen, welches Thema man zur Aktuellen Stunde wählt vor dem Hintergrund dessen, was in den letzten Wochen durch die Presse, durch die Medien gegangen ist. Es bietet sich da sicherlich etliches an, aber ich glaube, wir sollten uns an dieser Stelle tatsächlich darauf konzentrieren, was für unser Land gut und was für unser Land wichtig ist. Die Frage, die natürlich alle Menschen in diesem Land immer wieder bewegt, ist: Was können wir hier in unserem Land unter den Bedingungen der Globalisierung weiter erfolgreich tun unter der Prämisse, dass unsere sozialen Errungenschaften nicht nur gesichert, sondern letztendlich gestärkt werden müssen und gestärkt werden sollen?

Um es anders auszudrücken, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sage ich ein Beispiel zur Versinnbildlichung, und, ich glaube, das ist wichtig. Viele Menschen stellen sich die Frage: Heute kleiner Lohn, morgen Altersarmut, soll das die Zukunft unseres Landes sein? Ich sage ganz deutlich hier an dieser Stelle: Für die SPDFraktion ist das natürlich nicht die Antwort.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, in dieser Woche fand die letzte Sitzung der Hauptrunde des Fachkräftebündnisses für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit in dieser Wahlperiode statt, und das Fazit der Beteiligten – auch wenn natürlich die Interessenlage der Gewerkschaften auf der einen Seite und der Unternehmerverbände auf der anderen Seite immer eine unterschiedliche ist –, das Fazit der Beteiligten für das, was in den letzten Jahren hier in diesem Land passiert ist, ist ein grundsätzlich positives gewesen. Mecklenburg-Vorpommern hat eine eindeutig positive Tendenz in der Wirtschaft. Das, meine Damen und Herren, ist vor allem gut für die Menschen, die in diesem Land leben.

Wir haben von 2010 bis 2015 die Arbeitslosenzahl um 24.000 Menschen gesenkt und wir haben die niedrigste Arbeitslosenzahl in diesem Land seit 1991. Wir haben die niedrigste Quote der Schulabgänger ohne Berufsreife seit 2010, gesunken von 13,8 auf heute 8,4 Prozent, und wir haben eine reale Wertschöpfungssteigerung, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, von 2010 bis 2014 um immerhin 19,9 Prozent.

Das alles, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hat sich auch bei den Menschen in diesem Land bemerkbar gemacht, denn die durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer sind in dem Zeitraum von 2010 von 26.890 Euro auf über 30.000 Euro im Jahr 2014 gestiegen. Weder der gesetzliche Mindestlohn auf Bundesebene noch der durch die Koalitionsfraktionen auf Betreiben der SPD hier in diesem Land eingeführte landesspezifische Mindestlohn hat tatsächlich den Untergang des

Abendlandes herbeigeführt. Es ist vielmehr so gewesen, dass diese Auffanglinie dazu beigetragen hat, dass die Tariflöhne in diesem Land gestiegen sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Mindestlohn ist tatsächlich nur eine Auffanglinie. Was wir benötigen in Mecklenburg-Vorpommern, sind mehr tarifgebundene und tariforientierte Löhne und Gehälter. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Lohnspirale in diesem Land dauerhaft nach oben gesetzt wird, weil steigende Löhne, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sind die beste Maßnahme gegen Altersarmut. Nur als Land der guten Arbeit und vor allem der gut bezahlten Arbeit hat Mecklenburg-Vorpommern eine Chance, Fachkräfte zu gewinnen und die Fachkräfte, die in unserem Land sind, tatsächlich auch zu halten.

Dafür, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, ist es wichtig – und deswegen ist uns auch diese heutige Aktuelle Stunde so wichtig –, dafür ist es wichtig, die wirtschaftlichen Kerne, die wir in diesem Land haben, zu stärken und nachhaltig zu entwickeln,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

egal ob es sich dabei um die Gesundheitswirtschaft oder die erneuerbaren Energien handelt, ob es sich um den Bereich der maritimen Zulieferindustrie handelt oder um klassische Arbeits- und Wirtschaftsfelder in diesem Land wie die Tourismuswirtschaft.

Allerdings sage ich an dieser Stelle auch ganz deutlich: Mit Hinweis auf die Tourismuswirtschaft muss sich das Lohngefüge in diesem Land weiter nach oben entwickeln, weil jeder Cent mehr Arbeitseinkommen in diesem Land, jeder Cent mehr Wirtschaftskraft in diesem Land bedeutet mehr Investitionen, mehr Konsum, und am Ende des Tages sind es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann auch höhere Renten.

Natürlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben wir noch strukturelle Defizite im Bereich der Industrie, des verarbeitenden Gewerbes im Allgemeinen, im Unternehmensbesatz, und natürlich besteht auch weiterhin eine demografische Tendenz, die uns das Leben nicht einfacher macht. Dazu kommt, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, dass wir spätestens ab den Jahren 2020/2021 vor völlig neuen finanziellen und damit natürlich auch wirtschaftspolitischen Herausforderungen stehen. Wir alle sind uns darüber im Klaren, dass das, ich nenne es mal, Füllhorn der europäischen und der Bundesmittel zwar nicht gänzlich versiegen wird, aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was wir heute schon sagen können, ist, dass der Bestand an Mitteln, der uns aus diesem Füllhorn zufließen wird, doch ein voraussichtlich wesentlich dünnerer Quell sein wird.

Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns bereits heute überlegen, was man sich morgen noch leisten kann. Aber wir müssen natürlich auch überlegen, wie wir das Geld, das wir heute zur Verfügung haben, in ein nachhaltiges, in ein zukunftsfähiges Wachstum und in dessen Voraussetzungen investieren. Wir müssen noch stringenter, noch zielgerichteter vorgehen, um die Erhöhung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums zur Schaffung und Entwicklung

zukunftsfähiger Arbeitsplätze und werthaltiger Arbeitsplätze für Männer und Frauen und damit zur Verbesserung der sozialen Teilhabe in diesem Land zu entwickeln. Es gibt für unser Land keine Alternative zu einem Dreiklang aus Wachstum, moderner Infrastruktur und guten Löhnen. Die Stärkung der gewerblichen Wirtschaft und insbesondere die Schaffung neuer qualifizierter Industriearbeitsplätze ist das einzige langfristig wirksame Mittel, um hier in diesem Land erfolgreich wirtschaften zu können und um die Mittel zu erwirtschaften und zu verdienen, die uns andere Aufgaben dann erst ermöglichen.

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern verfügt im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere im Bereich der Windkraft, über ein erhebliches industriepolitisches Potenzial. Es ist uns in den letzten Jahren bereits gelungen, in diesem Wirtschaftsfeld eine Vielzahl von Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze in unserem Land zu etablieren. Das sind Unternehmen und Arbeitsplätze, die nicht nur dazu beigetragen haben, dass sich das Lohngefüge in diesem Land immens positiv, also nach oben entwickelt hat, das sind im Übrigen auch Arbeitsplätze und Unternehmen, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass sich der Exportanteil unserer Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern positiv entwickelt hat.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gerade an diesem Punkt wird deutlich, dass Ökologie und Ökonomie zwei Dinge sind, die in diesem Lande durchaus zusammenpassen, dass es auf der einen Seite möglich ist, industriepolitische Arbeitsplätze zu schaffen, dass es möglich ist, in diesem Land Handwerksbetrieben auch in Zukunft ihre Tätigkeitsfelder zu ermöglichen und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz und die Ökologie nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern bundesweit und sogar weltweit zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Verpflichtung. Wir haben die Verpflichtung, die Chancen zu nutzen, die wir auch im Wettbewerb mit anderen Bundesländern und anderen Regionen weltweit haben. Es nützt uns nichts, hier in Mecklenburg-Vorpommern auf Wirtschaftsfelder, auf Industriefelder zu setzen, die möglicherweise in Bayern oder Baden-Württemberg seit 30 oder 40 Jahren mit mehr oder weniger Erfolg betrieben werden. Aber gerade im Bereich der erneuerbaren Energien, gerade im Bereich der Windenergie, inklusive der Betrieb der Zulieferbetriebe, inklusive der Dienstleistungen, die damit verbunden sind – und eben nicht nur, dass in diesem Land ihre Unternehmen tätig sind, nicht nur, dass die Anlagen in diesem Land aufgestellt werden, sondern dass wir damit auch den Export dieses Landes stärken und verbessern –, haben wir eine Chance. Und wir werden diese Chance weiter nutzen, um dieses Land weiterzuentwickeln.

Ich kann mich erinnern, ich bin da noch sehr jung gewesen,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Oha!)

das ist in den 70er-/80er-Jahren gewesen,

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Oha!)

da hat Bayern, …

Da bin ich tatsächlich noch jünger gewesen, auch wenn man es mir nicht ansieht, Herr Kollege.

(Heiterkeit bei Stefanie Drese, SPD: Doch! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

… in den 70er,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

in den 70er und 80er-Jahren hat Bayern genau den Schritt gemacht, den wir in den letzten fünf, in den letzten zehn Jahren gegangen sind –

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)